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Seite 3: Linke Folklore raus!

Aus dem Bewusst­sein, immer übers Ohr gehauen zu werden, und dem ohnehin bereits zemen­tierten schlechten Ruf der Dynamo-Fans ent­stand über die Jahre eine Fan­kurve, die ihr schlechtes Benehmen stolz wie eine Mons­tranz vor sich her­trug. Dabei gab es ja in all den Jahren durchaus ein Ent­kommen. Hatten sich die Hoo­li­gans durch die Neun­ziger geprü­gelt, kam ab 2001 wieder Stim­mung im Sta­dion auf. Die Ultra­mode schwappte nach Dresden. Große Cho­reos, posi­tive Stim­mung, Dynamo war plötz­lich für jün­gere Leute wieder chic. Drin war man schnell: Dynamo-Schal um den Hals und dabei ein biss­chen böse gucken. Ultras Dynamo“ hat die Dresdner Mas­sen­be­we­gung neu ent­facht. Es folgten fünf bis sechs Jahre Fasching, Pyro, Rauch. Am Anfang wurden die Dresdner Ultras von der anderen starken Außen­sei­ter­frak­tion, den Hoo­li­gans, kri­tisch beäugt, auch zurecht­ge­stampft, linke Folk­lore raus! Che hing erst am Zaun, später nicht mehr. Als die linke Gruppe Solo Ultra“ vor einigen Jahren von rechten Fans aus dem Sta­dion geprü­gelt wurde, gab es wenig bis keine Pro­teste.

Solo Ultra“ gibt es noch immer, die Gruppe besucht heute fast aus­schließ­lich Nach­wuchs­spiele. Statt­dessen tauchte Mitte der Nuller­jahre FDO auf. Faust des Ostens“, Klein­kri­mi­nelle mit Nazi­t­ouch. Sie ver­schwanden inklu­sive Banner wie durch ein Wunder vor einiger Zeit wieder aus dem Sta­dion. Den Hoo­li­gans Elb­flo­renz“, den klas­si­schen Hauern, bestä­tigte der Bun­des­ge­richtshof Anfang 2015 die Eig­nung als Kri­mi­nelle Ver­ei­ni­gung“. Einige Mit­glieder haben hef­tige Nazi­ver­stri­ckungen, Inge­samt ist die Gruppe jedoch eher loser Zusam­men­schluss von Hoch­leis­tungs­kampf­sport­lern denn straff geführte rechte Truppe. Das macht die Sache nicht besser. Hoo­li­gans Elb­flo­renz“ und FDO sind inzwi­schen offi­ziell aus dem Sta­dion ver­schwunden, ihre Ex-Mit­glieder jedoch nicht und auch nicht die alten Reflexe, auf schief lau­fende Dinge mit Gewalt zu reagieren. Und bei Dynamo gehen mit unschöner Regel­mä­ßig­keit Dinge schief.

Wenn die Situa­tion anfängt zu eska­lieren, sind wir aus der Nummer raus“

Wer heute unter den Funk­tio­nären her­um­fragt, wie aus diesem Teu­fels­kreis her­aus­zu­kommen wäre, erntet Schul­ter­zu­cken. Fakt ist, wir haben den schlechten Ruf nicht zu Unrecht. Er hat sich über Jahre hinweg in den Köpfen der Men­schen über Dresden hinaus mani­fes­tiert“, sagt Ralf Minge und prä­sen­tiert die beliebte Pro­zent­rech­nung: Min­des­tens 95 Pro­zent unserer Fans sind fried­lich. Fünf Pro­zent errei­chen wir offen­sicht­lich nicht.“ Wer das Spiel in Ros­tock ver­folgt hat, muss Minge zustimmen. In Ros­tock hatten die Leute ihre Sturm­hauben auf und ihre Kapuzen über­ge­zogen, bevor Leucht­spur in den Ros­tock­block flog. Die Leute ver­ste­cken sich dann im Fan-Mob, fast alle sind schwarz gekleidet, damit man sie nicht iden­ti­fi­zieren kann“, berichtet Marek Lange, Dynamos Fan­be­auf­tragter: Ich hab in Ros­tock im Innen­raum die Lage beob­achtet. Egal wo man im Block steht, man kann in sol­chen Momenten nichts machen. Wenn die Situa­tion anfängt zu eska­lieren, sind wir aus der Nummer raus.“

Nicht, dass der Klub untätig bliebe. Auch in der dritten Liga arbeiten zwei Mit­ar­beiter haupt­amt­lich in der Fan­ab­tei­lung. Alle vier­zehn Tage trifft sich die Fan-AG, darin Ver­treter aller rele­vanten Gruppen, Geschäfts­füh­rung, Fan­ar­beiter. Nach Ros­tock und dem anschlie­ßenden Geis­ter­spiel war jedem klar: Beim nächsten Ding bekommt Dynamo richtig Ärger. Auch wenn nach außen hin noch einige die Mus­keln spielen lassen, ist Kon­sens: So geht’s nicht weiter.

Ihr habt eine Stunde Zeit unsere Stadt zu ver­lassen“

Die Zer­ris­sen­heit des Klubs und des Publi­kums ist schon länger sichtbar, beson­ders ein­drück­lich erfahrbar wurde die Kluft zwi­schen Ran­da­lie­rern und dem großen Rest am letzten Spieltag der Saison 2013/14. Dynamo trat in der zweiten Bun­des­liga daheim gegen Bie­le­feld an. Es ging mal wieder um alles. Finaler Stroh­halm. Aus­ver­kauft. Als Mitte der zweiten Halb­zeit Bie­le­feld mit zwei Toren in Front lag, liefen etliche Jungs im Fan-Block heiß. Wieder einmal der klas­si­sche Reflex in Dresden: Liegt Dynamo hinten, bleibt nur Gewalt. Berau­schen an der Stig­ma­ti­sie­rung. Der Mob tobte. Böller flogen, und die ersten Ultras begannen, sich zu ver­mummen. Ent­setzte Eltern stürmten mit wei­nenden Kin­dern aus dem Sta­dion. Der Schieds­richter schickte die Mann­schaften in die Kabinen. Dann aber tat das ganze Sta­dion blitz­artig seinen Unmut kund, brüllte sich die Seele aus dem Leib. Der Wille der großen Mehr­heit hielt die Min­der­heit in Schach. Dass die anschlie­ßend pla­ka­tierten: Ihr habt eine Stunde Zeit unsere Stadt zu ver­lassen“, war Folk­lore, der Platz wurde nicht gestürmt, kein Spieler ver­prü­gelt.

Dynamo Dresden ist der Gewalt­klub des deut­schen Pro­fi­fuß­balls. Dabei wünscht man sich an der Elbe doch nur attrak­tiven Fuß­ball. Erlö­sung durch Schön­heit. Erlö­sung durch Erfolge. Erlö­sung durch das Gefühl, nach 25 Jahren nicht immer nur zu den Ver­lie­rern zu gehören. Ende Februar gewinnt Dynamo end­lich wieder, nur fünf Punkte bis zum Auf­stiegs­platz. Ein biss­chen Hoff­nung ist immer.