Anelka, Benzema, Ribery: Die Liste der Stars, die sich mit der französischen Öffentlichkeit verkracht haben, ist lang. Kurz vor der WM gibt es jetzt Ärger um Paul Pogba. Weil er den Menschen auf die Nerven geht.
Und selbst Zinedine Zidane, dessen Eltern ebenfalls aus Algerien kommen, stand vor seinen großen Triumphen immer wieder in der Kritik. Als er im Gruppenspiel der WM 1998 gegen Saudi Arabien mit Rot vom Platz flog, zankte das Land über seine Mentalität. Er sei zu unbeherrscht und kein gutes Vorbild, er wirke wie das wandelnde Klischee eines aufbrausenden Einwandererkindes aus der Vorstadt. Nur durch seine zwei Tore im Finale versöhnte Zidane das Land.
Im Vergleich zur derzeitigen Situation um Paul Pogba, dessen Eltern aus der ehemaligen Kolonie Guinea nach Frankreich ausgewandert sind und dessen Brüder für die Nationalmannschaft Guineas spielen, gibt es bei den drei genannten Beispielen allerdings einen entscheidenen Unterschied: Die drei Spieler – Anelka, Benzema, Zidane – hatten Mist gebaut (oder könnten im Fall von Benzema Mist gebaut haben). Bei Paul Pogba stoßen sich die Menschen dagegen tatsächlich an seinen sportlichen Leistungen. Und an seinem Charakter.
„Wer zur Hölle dabbt denn heutzutage noch?“
Von dem der 25-Jährige, der vor zwei Jahren für 105 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt war, zugegebenermaßen sehr viel Preis gibt. Mit dem französischen Bezahlsender „Canal+“ drehte er in diesem Jahr die „PogSerie“, dort sieht man ihn mit grünem Bandana um den Kopf gewickelt in seinem „PogHouse“, er redet übers Tanzen („Ich tanze non-stop“), übers Dabben („Wer zur Hölle dabbt denn heutzutage noch?“) und über seinen Swag. Den Wechsel nach Manchester gab er in einem High-End-Sponsoren-Video bekannt. Gedreht wurde natürlich in Los Angeles.
Gleichzeitig beschwert sich Pogba über seine Social-Media-Kanäle immer wieder darüber, dass er von der Öffentlichkeit ungerecht behandelt werde. Während beispielsweise Ngolo Kante von der Presse gelobt werde, weil er als zentraler Mittelfeldspieler so defensivstark sei, würde bei ihm, also bei Pogba, bemängelt, dass er – ebenfalls zentraler Mittelfeldspieler – zu wenig Tore schieße. Und gewissermaßen hat Pogba sogar recht.
„Keiner hat mir zu sagen, wie ich spielen soll“
Weil er schon so früh so gut war (bei der WM 2014 wurde er zum besten jungen Spieler gewählt), erwarten die Menschen in der Heimat von ihm mehr als von anderen Spielern. Er darf in der Nationalmannschaft nicht nur mitschwimmen, er muss vorne weg marschieren. Gleichzeitig schürt er mit großspurigen Aussagen die Erwartungen auch immer wieder selbst: „Ich hoffe, dass ich bei dieser WM zum besten Spieler des Turniers gewählt werde“, sagte er erst vor wenigen Tagen.
Auf dem Platz ließ er seit dem Wechsel auf die Insel seinen Worten zu selten Taten folgen. Auf gute Spiele folgen mittelmäßige, auf sehr gute sehr schlechte. In der Nationalmannschaft droht er daher jetzt, in der vielleicht entscheidenen Phase seiner Karriere, seinen Platz an Bayerns Corentin Tolisso zu verlieren. Auch, weil dieser als fleißiger Arbeiter gilt. Pogba dagegen gilt als wahnwitzig talentiert. Und als einer, der sich allein auf dieses Talent verlässt.
„Keiner hat mir zu sagen, wie ich spielen soll“, sagte Pogba in einem Interview mit „France Football“, angesprochen auf die Pfiffe in Nizza. „Ich habe mein Leben lang so gespielt und bin genau deshalb da, wo ich jetzt bin.“ Seitdem droht sich das Land an einer Frage zu spalten: Müsste Pogba nicht längst viel weiter sein?