Anelka, Benzema, Ribery: Die Liste der Stars, die sich mit der französischen Öffentlichkeit verkracht haben, ist lang. Kurz vor der WM gibt es jetzt Ärger um Paul Pogba. Weil er den Menschen auf die Nerven geht.
Drei Minute vor Schluss ging plötzlich wieder ein Riss durch Frankreich. In Nizza lief die 87. Minute zwischen den Franzosen und den Italienern, die Heimelf führte im vorletzten Test vor der WM souverän mit 3:1. Frankreich hatte bis dahin überzeugt, sich in den gegnerischen Strafraum kombiniert, Tore geschossen und Italien – trotz verpasster WM-Qualifikation doch noch immer ein Gegner mit Rang und Namen und verdammt guten Fußballern – dominiert. Ein gelungener Abend. Bis Paul Pogba ausgewechselt wurde. Und die Menschen im Stadion plötzlich pfiffen. Seitdem gibt es im Land mal wieder zwei Lager. Die Stars der Mannschaft – und den Rest des Landes.
„Eine Schande“, nannte Kylian Mbappé nach dem Spiel die Pfiffe gegen Pogba. „Wir sollten ihn bewundern und froh sein, dass er für Frankreich spielt.“ Antoine Griezmann bezog die Pfiffe gegen seinen Kumpel gleich auf das gesamte Team: „Wir spielen alle im gleichen Trikot“.
Auf der anderen Seite stehen weite Teile der französischen Gesellschaft. 73 Prozent der Fans wünschen sich laut einer Umfrage des Fußballmagazins „France Football“, dass Pogba bei den Spielen in Russland auf der Bank sitzt, statt auf dem Platz zu stehen. Ihr Vorwurf: Pogba spiele zu unkonstant, grade im Nationalteam wirke er oftmals unmotiviert und schlampig in seinen Aktionen.
„Das ist eines meines Markenzeichen“
„Mein Spiel zeichnet sich dadurch aus, dass ich meine Trainer zur Weißglut bringe“, sagte Pogba schon vor zwei Jahren im Gespräch mit 11FREUNDE. „Mindestens ein Mal pro Spiel. Das ist eines meines Markenzeichen. Wenn ich in einem Dribbling den Ball verliere, weiß ich, dass der Ballverlust unnötig war, weil ich es kann. Also versuche ich es erneut, um es mir und den anderen zu beweisen.“
Außerdem, so die Meinung vieler Kritiker, setze Pogba falsche Prioritäten. Sei zu aktiv auf den sozialen Netzwerken und dort einerseits ein Angeber und anderseits ein Jammerlappen. Kurz gesagt: Die Menschen sind genervt von Pogba. Und mal wieder gibt es deswegen Ärger mit einem Star des eigenen Teams.
„Du dreckiger Hurensohn“
Das Verhältnis der Franzosen zu vielen ihrer Superstars ist seit Jahrzehnten angespannt. Das gilt nicht nur für die Gruppe um Nicolas Anelka, die während der WM 2010 plötzlich streikte. Anelka hatte Trainer Raymond Domenech vor versammelter Mannschaft in der Kabine einen „dreckigen Hurensohn“ genannt und ihm geraten, „sich in den Arsch ficken“ zu lassen.
Daraufhin wurde der Stürmer suspendiert, danach weigerte sich der Rest des Teams, aus dem Mannschaftsbus auszusteigen und zu trainieren. Die Bilder gingen um die Welt, der größtmögliche Skandal war perfekt und Frankreich diskutierte über die verkommenen jungen Männer aus den sozialen Brennpunkten, den Banlieues. Fünf Spieler mussten sich nach dem Turnier, das sportlich logischerweise in der Katastrophe mündete (dem Aus in der Vorrunde), vor einer Disziplinarkommission des Bundesrats verantworten.
Auch Karim Benzema hat es sich mit seinen Landsleuten längst verscherzt. Der beste Fußballer seine Generation – geboren in Lyon, Wurzeln in Algerien – ist seit Jahren aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen. Weil er, so der Vorwurf der Justiz, angeblich dabei geholfen habe, seinen damaligen Nationalmannschaftskollegen Matthieu Valbuena mit einem Sex-Tape zu erpressen. Benzema beteuert noch immer seine Unschuld und wirft seinen Kritikern Rassismus vor. Spielen darf er unter Nationaltrainer Didier Deschamps trotzdem nicht.