Kevin De Bruyne wechselt wohl kurz vor Ladenschluss in die Premier League. Damit verliert die Liga einen seiner überragenden Akteuere. Nachweinen muss man ihm aber nicht, meint unser Autor.
Jetzt ist er weg. Nach einem bis ins Groteske ausgereizten Transfertheater steht wohl fest, dass Kevin De Bruyne zu Manchester City in die Premier League wechseln wird. Als Ablösesumme stehen 80 Millionen Euro im Raum, bei City soll der Belgier zukünftig gar 20 Millionen Euro im Jahr verdienen. Ein Jahrhundertvertrag, den man aus rein ökonmischer Sicht nicht ausschlagen kann. Es sei denn, man ist total bescheuert.
Er ließ Gegnern die Angst in die Glieder fließen
Für den neutralen Betrachter der Bundesliga ist der Wechsel von De Bruyne jedoch eine kleine Katastrophe. Denn mit dem „Spieler der Saison 2014/15“ verlässt einer der spektakulärsten Kicker der letzten Jahre die Liga. Allein seine Anwesenheit, so machte man uns zumindest glauben, hätte die Gegner vor Angst gelähmt. Vielleicht hätte dieses Wunderkind sogar die xte Meisterschaft des FC Bayern gefährden können. Das ist nun alles egal.
Aber mal ehrlich, muss man einen Spieler wie Kevin De Bruyne wirklich vermissen? Sportlich natürlich schon. Keiner strahlte im vergangenen Jahr diesen Bock auf den Fußball aus wie der Belgier. Keiner dominierte die Liga so wie er. Doch was bleibt mehr von ihm als diese eine gute Saison? Viel Luft nach oben. Bei Bremen stach er aus einem blutleeren Team ganz automatisch heraus, bei Chelsea ging der damals 21-Jährige unter. Erst im septisch reinen und von den Medien nahezu ignorierten Wolfsburg schien er sich richtig entfalten zu können. Zumindest auf dem Platz, denn daneben war De Bruyne nahezu unsichtbar. Schüchtern, maulfaul und distanziert präsentierte er sich seinen Fans. Seine aufsehenerregendsten Zitate? Einmal beleidigte er einen Balljungen unflätig, das andere Mal ließ er sich von ARD-Moderator Alexander Bommes einen Treueschwur in den Mund legen. In einem Interview mit 11FREUNDE antwortete er auf die Frage, ob ihn eine Ablöse von 25 Millionen Euro schwindelig mache gar ausschweifend mit: „Nein!“ Und sonst? Nichts. Das mag man egal finden, wenn man nur auf seine sportliche Leistungsfähigkeit fixiert ist. Aber ist es das? Das Gejaule rund um seinen Wechsel erweckt zumindest den Eindruck, als habe man sich von ihm einfach mehr erwartet, als nur guten Fußball. Er hätte die Liga retten sollen vor den bösen Bayern. Er sollte ein neuer Stern am Bundesligahimmel sein. Hell, schwindelerregend, sinnstiftend.
Sein Rucksack ist schwer
Nun wechselt er zu Manchester City, und wenn er heute Nachmittag die Zeit hat, sollte er mal einen Blick auf den aktuellen Kader werfen und sich fragen: Wo soll ich eigentlich spielen? Denn mit Yaya Touré, Kun Agüero, David Silva, Raheem Sterling, Jesus Navas und Samir Nasri wird er sich in den kommenden Monaten um vier Plätze in der City-Offensive streiten müssen. Im Nacken hat er dabei immer die englische Presse, die 80 Millionen Euro Ablöse auf seinen Rücken packen und an sein Scheitern beim FC Chelsea erinnern wird, wenn er den ersten Fehlpass spielt. Es wird keine einfache Zeit für den sensiblen Belgier. Man kann ihm nur Glück wünschen, dass er sie übersteht.
Nicht das Zeug zur Legende
De Bruyne ist fraglos ein begnadeter Spieler. Einer, der den Ball und das Spiel liebt, aber keiner, der die Liga nachhaltig hätte prägen können. Weil ihm die Farbkleckse fehlten, die Legenden immer ausmachen. Er ist auf dem Platz kein Vollzeitarschloch wie Stefan Effenberg in seinen besten Tagen, kein fehlerloses Wunderkind wie Philipp Lahm und schon gar kein mystischer Anführer wie Bastian Schweinsteiger. Er ist kein Spaßvogel wie Gerald Asamoah, kein Säulenheiliger wie Kevin Großkreutz, kein Wahnsinniger wie Oliver Kahn und kein Publikumsliebling wie Norbert Dickel. Er ist eine Maschine. Unnahbar, beängstigend präzise, austauschbar.
Spieler wie ihn gibt es wenige, aber sie werden wiederkommen. Und in zehn Jahren wird niemand sagen: „Weißt Du noch, der De Bruyne? Damals in Wolfsburg?“ Nein, wir werden über andere sprechen. Jungs, die nachrücken, die Farbe in den Ligaalltag brachten. Mit atemberaubenden Aktionen, dummen Sprüchen und lachhaften Patzern. Die Fußspuren hinterlassen und keine großen Fragezeichen.