Die Rekord-Ablöse für Julian Nagelsmann ist erst der Anfang, denn Trainer sind immer noch krass unterbewertet.
Der Name Christian Heidel löst bei vielen Anhängern des FC Schalke 04 inzwischen einen spontanen Blutrausch aus. Der ehemalige Manager des Klubs gilt ihnen als einer der Totengräber des Klubs, der eine besonders große Schaufel dabei hatte. Wobei in der Liste ihrer Vorhaltungen eine Entscheidung Heidels vermutlich eher weiter unter stehen dürfte: 2017 Marcus Weinzierl als Schalkes Trainer zu verpflichten. In der Rückschau war das nur eine mittelschlechte Entscheidung, denn Weinzierl blieb nur eine Saison. Zugleich war es eine historische: Heidel überwies an den FC Augsburg nämlich eine Ablösesumme von drei Millionen Euro.
Zwar war schon früher Geld geflossen, wenn unter Vertrag stehende Trainer den Klub wechselten, aber es waren eher Beruhigungs-Zahlungen. 2009 besänftigte der Hamburger SV mit rund einer Million Euro für Bruno Labbadia dessen vormaligen Arbeitgeber Bayer Leverkusen und zwei Jahre später den FC Basel für Thorsten Fink mit einem ähnlichen Betrag. Bayer überwies selbst wiederum 2011 für Robin Dutt etwa eine Million Euro an den SC Freiburg und drei Jahre später für Roger Schmidt 1,5 Millionen Euro an RB Salzburg. Aber Heidel hatte 2017 bereits einen anderen Blick auf die Sache: „Ich wüsste nicht, warum Trainer günstiger als Spieler sein sollten.“
Er sagte sogar riesige Ablösesummen für Trainer voraus, was die Frankfurter Allgemeine Zeitung damals noch kopfschüttelnd kommentierte: „Bis sich Heidels Traum von einer 70-Millionen-Ablöse für Trainer erfüllt, ist es noch ein weiter Weg. Zu Recht: Denn bei allem Respekt vor dem Wert der Strategen wie Guardiola: Trainer schießen keine Tore.“ Das erinnert an den legendären Dialog zwischen Achim Stocker und Volker Finke in der Frühzeit des Freiburger Fußballwunders. Der Trainer bat Anfang der 90er-Jahre um Anschluss an die Moderne der Telekommunikation – in Form eines Faxgeräts. Stocker konterte: „Faxgeräte schießen keine Tore.“
Ja, es sind Stürmer, die Tore schießen. Aber Trainer sind inzwischen keine Übungsleiter mehr, die man halt ersetzt, wenn drei Spiele verloren gegangen sind. Inzwischen sind einige gefühlt sogar wichtiger als die tollsten Goalgetter. Supertrainer wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola werden sogar behandelt wie die Begründer eigener Kunstrichtungen auf dem Platz. Das sich was verschoben hat, zeigt sich auch darin, dass Trainer inzwischen wie ihre Spieler Berater haben. Julian Nagelsmann wechselte seinen im letzten Sommer nach zwölf Jahren sogar. Von Marc Kosicke, der sich auf Coaches spezialisiert hat, übernahm die Agentur von Volker Struth, der pikanterweise auch Bayern-Verteidiger Niklas Süle und Bayern-Neuzugang Dayot Upamecano betreut.
Jeder Bundesligaboss, der was auf sich hält, sagt heutzutage, dass der Trainer sein wichtigster Mitarbeiter ist. Aber beim lustigen Trainer-wechsel-dich-Spiel in den letzten Wochen hat sich das in Zahlen noch nicht niedergeschlagen. Fünf Millionen Euro für Rose, 7,5 Millionen für Hütter, und selbst die 25 Millionen für Nagelsmann sind Beträge von der Resterampe eines Milliardenspiels. Denn gute Trainer können für Vereine unglaubliche Werte schaffen, in dem sie Teams helfen, ihre sportlichen und damit wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Aber auch, in dem sie Spieler individuell weiterentwickeln. Nagelsmann hat da in den letzten Jahren eine Spur aus Goldstaub hinterlassen.
Wie wenig das in den Köpfen der Entscheider wirklich angekommen ist, zeigte sich diese Woche. Als der Wechsel des Trainers von Leipzig nach München verkündet wurde, erklärte RB-Boss Oliver Mintzlaff, dass sie nur unter zwei Voraussetzungen die Tür für Verhandlungen geöffnet hatten: „Eine massiv hohe Ablösesumme und eine schnelle Einigung. Mit diesen zwei Erkenntnissen sind wir in die Gespräche gegangen. Wir hätten gehofft, dass der FC Bayern unsere Wünsche nicht erfüllt.“ Die Bayern hingegen zahlten ohne einen Mucks zu machen, vermutlich konnten sie ihr Glück kaum fassen. Der Wechsel von Nagelsmann hat für sie in etwa die Bedeutung wie es wäre, einen adäquaten Nachfolger für Robert Lewandowski zu finden. Und den für 25 Millionen Euro zu finden, dürfte nicht einmal Hasan Salihamidzic gelingen.
Gewinner in der neuen Welt des Trainerkaufs (alle Schalker bitte weghören!) ist jedoch Christian Heidel. Nun wieder in Mainz überwies er für Bo Svensson 1,5 Millionen Euro an den FC Liefering. Svensson ist gerade auf dem Weg ist den größten Turnaround der Bundesligageschichte zu schaffen, und das ist unbezahlbar.