Am Sonntag steigt das Hauptstadt-Derby zwischen Union Berlin und Hertha BSC. Es ist erst das achte Pflichtspiel zwischen den beiden Klubs. Ein Blick in die noch junge Historie.
Kurz nach dem Fall der Mauer lud die Hertha ihre Sportsfreunde aus Köpenick zum Testspiel ein. Bereits zu DDR-Zeiten verbanden die Fans beider Lager große Sympathien. Für fünf Mark, egal ob D- oder Ost-Mark, verfolgten über 50.000 Zuschauer ein bis heute nachhallendes Freundschaftsspiel.
Nachdem die Alte Försterei umgebaut wurde, gab sich die damals noch unangefochtene Nummer 1 der Stadt die Ehre, das neue Wohnzimmer des frischgebackenen Zweitligisten einzuweihen und brachte gleich fünf Gastgeschenke im Köpenicker Tor unter.
Als die Herthaner ein halbes Jahr später vergeblich um den Klassenerhalt kämpften, kamen einige Union-Fans zum Gegenbesuch ins Olympiastadion. Mit dabei: Jede Menge Schadenfreude über die gestrauchelte alte Dame.
Das erste Pflichtspiel. Den Begriff Derby hörte man dort noch selten, zu wenige Berührungspunkte gab es bisher. Beide Fanlager waren sich noch uneinig, wie man den jeweils anderen finden sollte. Das ging beiden Mannschaften auch so – also Unentschieden.
Neuneinhalb Jahre nach dem DFB-Pokal-Finale stand für Union wieder ein Pflichtspiel im Olympiastadion auf dem Programm. Torsten Mattuschka (du bist der beste Mann, du kannst was keiner kann) machte unterdessen das, was die Union-Kurve vor dem Freistoß in der 71. Minute forderte: Er haute den Ball „rein für den Verein“ und wurde zum Matchwinner.
Um ein begehrtes Ticket für die Stadtmeisterschaft zu ergattern, campierten die Fans der Eisernen vor der Geschäftsstelle. Für einen Eintrag in den Reiseführer unter dem Punkt „Outdoor sleeping in suburban Köpenick“ reichte es aber leider nicht.
Nach dem Wiederaufstieg ging es für die Herthaner wieder zurück in Liga zwei. An einem Montagabend in der haupttribünenlosen Alten Försterei glückte die Revanche und die Stadtmeisterschaft in den Händen Unions hatte keinen Bestand mehr.
Zum Rückspiel präsentierte die Hertha-Kurve den Slogan „Hertha, Hertha, du ganz allein, sollst der Stolz von Spreeathen sein“. Obwohl es nur zu einem Unentschieden reichte, durfte Hertha für weitere 6,5 Jahre den Titel des Stadtmeisters tragen.
Seit dem letzten Aufeinandertreffen ist viel Wasser die Spree hinunter geflossen. Die Eisernen spielten erstmals in der Bundesliga und trafen wieder auf die Stadtrivalen. Auf dem Platz zeigte der freche Neuling der alten Dame, wo der Hammer hängt. Wie von der Union-Choreo prophezeit, war Berlin damit für ein halbes Jahr wieder rot-weiß.
Von ganz weit oben sieht das Elend mit den leeren Rängen gar nicht mehr so schlimm aus. Was die Herthaner auf dem Platz veranstalteten, konnte sich dennoch sehen lassen. Mit vier Toren schickte Hertha die Kicker des 1. FC Union zurück nach Köpenick. Dazu braucht man vom Olympiastadion übrigens eine Halbzeitlänge mit Nachspielzeit, genau genommen 49 Minuten, mit der Linie S3.
Auch im zweiten Geisterspiel waren die blau-weißen erfolgreich. Nach einem 0:1‑Rückstand ließ die alte Dame die Unioner auch dank Krzysztof Piąteks Doppelpack in drei Minuten im heimischen Stadion ganz schön alt aussehen.
Die Ausgangslage hat sich gedreht: In der Tabelle steht Union weit vor der Hertha, steht also eine Wachablösung in der Hauptstadt an? Sicher ist bisher nur, dass Hertha die Punkte im Abstiegskampf gut gebrauchen könnte. Und Union braucht dringend noch ein paar Zähler für die Europa League, damit Max Kruse nicht in der Conference League spielen muss.