Er machte Comedy mit Jürgen Klopp, litt für Ailton und sucht noch immer verzweifelt nach Peter Meyer ei, ei, ei, ei – Arnd Zeigler über das große Jubiläum seines Erfolgsformats.
Arnd Zeigler, haben Sie endlich den Fortuna Düsseldorf-Fan ausfindig machen können, der in Ihrer ersten Sendung am 13. August 2007 Stürmerstar Peter Meyer so hingebungsvoll besang?
Nein! Und wir suchen seitdem akribisch nach ihm. Einmal glaubten wir, kurz vor dem Durchbruch zu stehen, als wir einen Mann namens Bodo aufspürten. Doch der sah dem Peter Meyer-Fan nur sehr ähnlich und wusste gar nicht, was wir von ihm wollten. Die Aufnahme ist von 1966, unser Sänger ist dort noch sehr jung, wir vermuten, dass er heute um die 70 sein dürfte. Wenn er denn noch lebt. Vor einiger Zeit erhielt ich sogar einen Anruf von dem Sohn von Jürgen Schult. Unser Mann trägt im Video das Original-Trikot von Schult. Sein Sohn fragte nach neuen Suchergebnissen – weil sein Vater gerne wüsste, wo dieses Leibchen steckt.
Sind es genau diese Detektivarbeiten in der Fußball-Geschichte, die den Reiz von „Zeilgers wunderbare Welt des Fußballs“ ausmachen?
Absolut, das ist die Form von spinnerter Romantik, die die Sendung trägt. Und durch die Verknüpfung von historischem Erlebnis, seltener Aufnahme, Devotionalie und der Suche nach dem Hintergrund der Geschichte wird das Ganze dann so menschlich. Manchmal erlebe ich auch privat solche Dinge. Einmal ersteigerte ich bei Ebay ein sehr altes Werder-Trikot und hinterher stellte sich heraus, dass der Verkäufer die alte Essener und Bochumer Legende Dieter Bast war. Als der seine große Zeit hatte, so Mitte/Ende der Siebziger, war ich ein kleiner Junge, der sich für Fußball interessierte. Und, zack, poppte bei mir der nächste Querverweis auf: Als ich zehn Jahre alt war, wollte ich mir nach einem Spiel der Bochumer in Bremen Autogramme holen. Die VfL-Spieler waren so nett und holten mich in ihren Mannschaftsbus. Da stand ich dann und war unglaublich aufgeregt. Und in der letzten Reihe saß Dieter Bast. Jahrzehnte später verkauft der mir ein Trikot. Nach ähnlichen Prinzipien wie diese Geschichte funktioniert auch die „Wunderbare Welt des Fußballs“.
Ihr Schreibtisch, Schauplatz der Sendung, ist voll von wunderbaren Memorabilia. Haben Sie ein Lieblingsstück?
Da kommen mit jedem Kauf neue dazu. Letztes Jahr schickte mir ein Freund ein Foto vom Flohmarkt hier in Bremen. Darauf ein Verkäufer mit ladenneuen Werder-Fahnen von 1971. In rot und weiß mit dem Stadtschlüssel in der Mitte. Ich bin gleich hin und habe mir fünf Stück gekauft. Trikots sind in den vergangenen Jahren zu einer großen Leidenschaft geworden. Auch dazu gibt es eine Detektivstory.
Bitte.
Während der Recherche für eines meiner Werder-Bücher fand ich einen „Bild“-Artikel von 1977. Rudi Assauer überreicht dort der Bremer Polizei einen Satz Trikots als Dank für die gute Zusammenarbeit. Die seltenen rot-weißen mit dem „Norda“-Schriftzug. Ich rief den Pressesprecher der Bremer Polizei an und fragte, ob es nicht altgediente Kollegen gäbe, die vielleicht noch dieses Trikot hätten. Es fand sich tatsächlich einer, der hatte es seinem Enkel geschenkt. Gut für mich: der Enkel fand das Teil ziemlich oll, also schlug ich ihm einen Deal vor. Ein brandneues Pizarro-Trikot gegen das Norda-Leibchen. Seitdem gehört es mir. Um wieder den Schlenker zur Sendung zu finden: genau so funktionieren die meisten Geschichten. Ich bekomme einen tollen Tipp oder erinnere mich an persönliche Erlebnisse und mache mich dann auf die Suche nach der Story dahinter, bis ich knietief im Archiv des WDR stehe. Das liebe ich so an dem Format: dass wir nicht an irgendwelche zeitlichen Aufhänger gebunden sind, sondern einfach machen können, was uns in den Sinn kommt.
Können Sie ein exemplarisches Beispiel für die Arbeit an einer Folge nennen?
Neulich rief mich ein Kollege vom Radio an, der hatte beim Aufräumen eine alte TED-Platte gefunden, ein Abspielformat von Telefunken, an dem die Firma vermutlich letztlich zugrunde ging, weil das eigentlich kein Sinn machte: eine Art Folie, die man in den Recorder legte und Bewegtbilder zeigte. Pro Folie allerdings nur maximal zehn Minuten in eher schwacher Qualität. Die Platte meines Kollegen zeigte einen Lehrfilm von deutschen Nationalspielern in einer Fußballschule 1974. Ich rief unseren Mann im Archiv in Köln an und schickte ihn auf Spurensuche. Siehe da, die Aufnahme gibt es noch. Wir wissen noch nicht genau, was wir damit anfangen sollen, aber schön, dass wir es haben.
Welche Misserfolge hat das Zeigler-Rechercheteam in der Vergangenheit verdauen müssen?
Ein Hammer war die Suche nach der Aufnahme vom vielleicht legendärsten Spiel der Bochumer Vereinsgeschichte, dem 5:6 nach 4:0‑Führung gegen den FC Bayern am 18. September 1976. Wie sich herausstellte, muss jemand die Aufnahme aus dem Archiv entliehen, aber nie wieder wieder zurück gebracht haben. Immerhin habe ich vor einiger Zeit erfahren, dass zumindest Privataufnahmen auf Super 8 existieren, die ein Fan bei der Partie gemacht hat. Aber wo ist die Fernseh-Aufnahme? Auf irgendeinem Dachboden liegt wahrscheinlich dieser Schatz und wartet nur darauf, gehoben zu werden.
Apropos: „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ lebt vor allem von diesen lange verschütteten Fundstücken. Im Fußball der Gegenwart wird alles dokumentiert, ist dank den sozialen Medien beinahe alles sichtbar. Könnte es eine so nostalgische Sendung auch in 30 Jahren noch geben?
Vermutlich nicht. Und ich finde auch, dass sich der Fußball durch diese mediale Omnipräsenz selbst entzaubert. Ich will keine Jubelfotos mehr aus der Kabine auf Instagram oder Facebook sehen und bitte auch keine lautstarken Motivationsansprachen von Amateurtrainern in der ersten Runde des DFB-Pokals. Das war mal besonders, jetzt nicht mehr. Früher war nicht alles besser, aber wir leben davon, dass viele Geschichten aus den siebziger oder achtziger Jahren im Verborgenen liegen. Heute ist nur noch wenig verborgen.
Zeit zur Besinnung: Welches historische Fundstück hat Sie in den vergangenen zehn Jahren am meisten erheitert?
Wieder eine fiese Frage, weil ich eigentlich jeden Videoschnipsel gefeiert habe. Aber immer in Erinnerung bleiben wird mir ein gar nicht mehr so junger Schalke-Fan mit blau-weißer Bommelmütze, den wir einst in einer alten Aufnahme eines Spiels gegen den MSV Duisburg dabei beobachten konnte, wie er einem Kontrahenten ordentlich auf die Schnauze haute – eben jener Fan mit exakt der gleichen Mütze taucht dann in einer anderen Szene wieder mitten im Handgemenge auf und zwar beim legendären Hundebiss-Spiel 1969 zwischen Schalke und Dortmund.
Inzwischen eingestellt ist die telefonische Seelsorge für Fans. Trauern Sie dem Format hinterher?
Das nicht, weil es sich irgendwann tot gelaufen hatte. Aber es bleiben schöne Erinnerungen, besonders die Telefonate mit Fans, denen ihr Verein wirklich am Herzen lag und liegt und deren Schmerz ich dann teilte. Wie der Anhänger von Union Solingen, dessen Verein es ja de facto gar nicht mehr gibt und der mir mit belegter Stimme von früher erzählte. Oder ein Fan von Fortuna Köln, der an große Zweitliga-Zeiten erinnerte und zum Zeitpunkt des Anrufs nicht wissen konnte, ob sein Klub jemals wieder anständig auf die Beine kommen würde.
Was war, neben dem gigantischen Erfolg des inszenierten Jürgen-Klopp-Interviews, der beste Sketch?
Als alter Werder-Fan und großer Bewunderer der Double-Saison 2003/04 war mir natürlich die Begegnung mit Ailton eine Herzensangelegenheit. Mit dem wollte ich seinen Treffer beim 3:1‑Sieg im entscheidenden Meisterschaftsspiel gegen Bayern 2004 nachspielen. Ich trug eine Oli-Kahn-Maske und stand im Tor, Ailton musste eine Kleiderpuppe mit Thomas-Linke-Trikot aussteigen lassen und den Ball wie 2004 ins Tor befördern. Was ihm aber nicht gelang. Bestimmt 20 Mal nicht. Es war Winter, saukalt, der Boden gefroren und ich schmiss mich ein ums andere Mal auf den steinharten Rasen und prellte mir die Hüfte, während im Hintergrund der Kommentar von Marcel Reif lief, Ailton sich schlapp lachte und seine komplette brasilianische Entourage am Boden lag. Trotz der verbeulten Hüfte ein ganz besonderer Dreh.
Was motiviert Sie für die nächsten zehn Jahre?
Die Reaktionen der Zuschauer. Und da sind ja einige prominente Gesichter dabei, die ich selbst sehr gerne mag, unter anderem Hans Meyer, Jürgen Klopp oder Per Mertesacker. Die schalten angeblich regelmäßig rein. Was eine schöne Bestätigung für unsere Arbeit ist.
Welche Ideen liegen noch auf Halde?
Tatsächlich eine ganze Menge, ob die umgesetzt werden, hat aber auch immer damit zu tun, ob wir die Aufnahmen zu den jeweiligen Geschichten finden. Beispielsweise gab es mal einen Auftritt von diversen Bayern-Spielern in der Sendung „Peter Alexander präsentiert Spezialitäten“, den würde ich zu gerne finden. Oder die Geschichte des ehemaligen HSV-Trainers Georg Gawliczek, von dem ich in einer alten Sportillustrierten gelesen habe, dass er privat sehr gerne Operettenmelodien sang. Nach einem Auftritt im „Sportstudio“ soll er beim Umtrunk mit Journalisten ein paar Melodien zum Besten gegeben haben. Davon gibt es natürlich keine Aufnahme, aber Gawliczek hatte später einen Auftritt in Peter Frankenfelds Sendung „Vergiss mein nicht“. Ich möchte wetten, dass er auch da gesungen hat! Leider hat das ZDF dieses Material noch nicht rausgerückt. Wir arbeiten dran.