Eigentlich kämpft Aaron Krüger mit dem SV Wiesbaden gegen den Abstieg aus der achten Liga. Morgen aber spielt er in der WM-Qualifikation gegen China. Wie ist es dazu gekommen?
Mit Video-Aufzeichnungen in den unteren Ligen assoziiert man ja oft „Möchtegern-Profis“ mit bunten Schuhen. Wie kamen solche Aktionen in der Gruppenliga an?
Das war verrückt. In den unteren Ligen wird ja nichts mitgeschnitten, und auf einmal steht da jemand und filmt die kompletten 90 Minuten. Natürlich haben sich alle über mich lustig gemacht, nach dem Motto: „Da kommt der nächste große Nationalspieler, der lässt ja sogar seine Spiele filmen!“ Naja, ich hab’s ertragen.
Haben sich die Videos denn wenigstens gelohnt?
Total! Als Reaktion wurde ich ins Trainingscamp nach Japan eingeladen, da wurden wir in den verschiedensten Bereichen getestet – Ausdauer, Körperfett, technische Qualität. Am Ball war ich auch ganz okay, nur beim Körperfettanteil hab ich nicht so gut abgeschnitten. (Lacht.) Aber allein mit der Nationalmannschaft in ein Trainingscamp zu fliegen – das war der Wahnsinn. Der Trainer hat alles professionell gestaltet, am Ende bekam ich sogar ein Zeugnis wie in der Schule.
Was stand drin?
Leider war das Ergebnis, dass ich erst einmal weiter Videos einschicken solle und parallel etwas an meiner Fitness arbeiten müsse. Zum WM-Qualifikations-Playoff gegen Bhutan wurde ich dann leider nicht nominiert.
Trotz der ganzen Videos?
Dafür kann es auch andere Gründe gegeben haben. Guam ist ein armer Verband, im Land selbst gibt es viele Spieler, die noch vor Ort kicken, sogenannte „Local Player“. Die überlegen sich dann zweimal, ob sie extra jemanden aus der 8. Liga Deutschlands einfliegen lassen. Als ich das begriff, war ich wirklich enttäuscht und hatte meine Nationalmannschaftskarriere eigentlich abgehakt.
Jetzt kam doch nochmal ein Anruf vom Trainer.
Genau, richtig geil. Ich war selbst total überrascht. Zwei Auswärtsspiele in China und Syrien, die größten Spiele in der Geschichte der Nationalmannschaft. Teams aus Los-Topf eins und zwei, richtige Kracher-Mannschaften. Das werden super Spiele.
Sie haben mit ihren bisherigen Teams immer zwischen der Kreis- und Gruppenliga gependelt, jetzt geht es zur WM-Qualifikation gegen China, trainiert von Marcelo Lippi. Mal ehrlich: Kann man sich auf so ein Spiel überhaupt vorbereiten?
Wir versuchen es! Vor dem Spiel verbringen wir eine Woche zusammen im Trainingslager, in unserer Whatsapp-Gruppe stehen die individuellen Trainingspläne. Schließlich geht es gegen bekannte Spieler wie Elkeson oder Lei Wu von Espanyol Barcelona. Wir stellen uns bestmöglich ein und schauen, was dann geht.
Das letzte Aufeinandertreffen Guams mit China ging 19:0 verloren.
(Lacht.) Natürlich laufen bei uns jetzt keine elf Ronaldinhos über den Platz, aber auch hier wird professionell gearbeitet. In puncto Fitness und Taktik ist das ein heftiges Niveau. Aber klar, ich kann das alles einordnen. Vielleicht kommt bei mir die deutsche Mentalität durch, ich bevorzuge Understatement. Unser Trainer tickt aber anders, der sagt zu uns: Wir wollen was mitnehmen!
Phrasenmäßig bewegt sich also auch Guam schon auf Profiniveau.
Naja, was sollen wir sonst sagen? Für alles andere fehlen mir sowieso die Worte, das bleibt alles surreal. Völlig verrückt.