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Seite 2: „Jetzt zeigt mein Finger auf dich.“

Begonnen hatte die Mord­serie ein halbes Jahr zuvor. Bei Patrick McCrory, einem 19-jäh­rigen Katho­liken, der als Hei­zungs­in­stal­la­teur arbei­tete und Rechts­außen spielte, klin­gelte es am 13. März 1972 an der Haustür. Als er öff­nete, sah er sich zwei Män­nern gegen­über, die mit Schnell­feu­er­pis­tolen auf ihn zielten. McCrory wurde ent­weder auf­ge­for­dert, sich umzu­drehen oder er ver­suchte noch, ins Innere des Hauses zu fliehen, jeden­falls wurde er durch einen Schuss in den Rücken getötet. Dieser Mord wurde noch nicht damit in Ver­bin­dung gebracht, dass das Opfer bei dem in Reli­gi­ons­fragen so tole­ranten Klub Bank­more Star spielte. So ziem­lich jeder Bewohner Bel­fasts hätte durch irgend­eine Ver­hal­tens­weise oder eine unbe­dachte Äuße­rung, die der anderen Seite nicht passte, ein sol­ches Kil­ler­kom­mando auf den Plan rufen können.

Erste Unruhe kam im Verein auf, als es am 12. Juli (dem Tag also, an dem die Unio­nisten vom Orange Order“ tra­di­tio­nell in pro­vo­zie­render Manier durch die katho­li­schen Stadt­teile mar­schieren, was auch heute noch zu schweren Kra­wallen führt) den jungen Bäcker David Poots traf, der im Gegen­satz zu McCrory Pro­tes­tant war. Ihn hatte man per Kopf­schuss hin­ge­richtet und die Leiche auf einem Fabrik­ge­lände abge­legt. Jetzt machten in der Fuß­ball­szene Gerüchte die Runde, dass mili­tante Fana­tiker die Elf von Bank­more Star Mann für Mann aus­zu­lö­schen ver­suchten.

Ein Verein im Visier von Feinden

In der Lokal­presse erschienen so gut wie keine Berichte, die es wagten, die genauen Hin­ter­gründe dieses und ähn­li­cher Ver­bre­chen auf­zu­de­cken, denn Jour­na­listen, die den Dingen zu tief auf den Grund gingen, unlieb­same Fragen stellten und even­tuell sogar Täter benannten, zählten zu den bevor­zugten Angriffs­zielen der Kil­ler­trupps. Aus diesem Grund stammt das wenige, was heute über diese Fuß­ball­tra­gödie belegt ist, nicht aus zeit­ge­nös­si­schen Quellen. Es wurde im Nach­hinein aus den dürren Fakten noch vor­han­dener Poli­zei­akten und aus Erin­ne­rungs­pro­to­kollen von Ange­hö­rigen, die schließ­lich den Mut fanden, öffent­lich etwas zu sagen, zusam­men­ge­setzt. Nachdem es im Sep­tember dann auch Samuel Boyde erwischt hatte, war end­gültig nicht mehr von der Hand zu weisen, dass der Verein sich im Visier von Feinden befand, die seine Mit­glieder ver­nichten wollten.

Die Polizei sprach von einem geistig unzu­rech­nungs­fä­higen Ein­zel­täter“, als wäre nicht längst, auf­ge­hetzt von ultra­ra­di­kalen Poli­ti­kern wie dem Unio­nisten Ian Paisley, ein beängs­ti­gend großer Teil der Ein­woh­ner­schaft völlig über­ge­schnappt gewesen. Die Fuß­ball­funk­tio­näre dagegen baga­tel­li­sierten nach Kräften, in dem sie immer wieder betonten, Bank­more Star sei doch nur einer von diversen Ver­einen, in dem Pro­tes­tanten und Katho­liken ohne Pro­bleme gemeinsam spielten, die Motive für die vier Morde müssten dem­nach woan­ders zu suchen sein. Solche Beschwich­ti­gungen konnte man sogar ver­stehen, denn der nord­iri­sche Fuß­ball, ohnehin ein zartes Pflänz­chen, litt jäm­mer­lich unter den Unruhen. Weil die Men­schen die Öffent­lich­keit mieden, wo es nur mög­lich war, gingen die Zuschau­er­zahlen auf allen Leis­tungs­ebenen stark zurück, wodurch sich dann auto­ma­tisch die sowieso schon deso­late finan­zi­elle Lage der Ver­eine und des Ver­bandes, der keine Pro­fi­liga unter­hielt, weiter ver­schlech­terte. Hinzu kam, dass die Län­der­mann­schaft ihre Heim­spiele fortan nicht mehr im gefürch­teten Bel­faster Windsor Park, son­dern in Eng­land aus­trug. Nicht zuletzt des­wegen schei­terte sie in der Qua­li­fi­ka­tion für die WM 1974.

Ich will dein Gesicht sehen, wenn du stirbst.“

Es musste dann aber noch ein vierter Bank­more-Spieler sterben, bevor der Rest des Teams das Hand­tuch warf und sich vom Spiel­be­trieb zurückzog. Robert Millen, erneut ein Pro­tes­tant, hatte einen anonymen Brief erhalten, in dem ihm sein bevor­ste­hendes Ende ange­kün­digt wurde: Jetzt zeigt mein Finger auf dich. Achte auf jeden Mann und jedes Auto, die sich dir nähern. Ich will dein Gesicht sehen, wenn du stirbst.“ Millen ahnte wohl, dass er seinem Schicksal kaum ent­rinnen konnte, und änderte sein All­tags­ver­halten nicht. Seine Häscher erwischten ihn am 13. April 1973, an einer belebten Stra­ßen­kreu­zung. Aus einem kurz neben ihm am Bür­ger­steig hal­tenden Wagen heraus wurden meh­rere Kugeln abge­feuert, die ihn töd­lich trafen. Neben dem bei McCrory prak­ti­zierten Haus­be­such“ war dies der zweite von der IRA bei Mord­an­schlägen favo­ri­sierte Modus Ope­randi.

Nachdem es die Mann­schaft, die die unsicht­baren Schranken der Reli­gion durch­bro­chen hatte, nicht länger gab, dafür aber fast täg­lich neue Anschläge unter anderen, aber letzt­lich doch immer den­selben Vor­zei­chen, geriet der Ver­nich­tungs­feldzug gegen Bank­more Star schnell in Ver­ges­sen­heit und schließ­lich zu einer so gräss­li­chen wie gro­tesken Fuß­note in der Geschichte des nord­iri­schen Bür­ger­krieges. Bis heute wurde nicht ermit­telt, ob die vier Fuß­baller nun von katho­li­scher oder pro­tes­tan­ti­scher Seite ermordet wurden. Und zur Rechen­schaft für die Ver­bre­chen gezogen wurde daher auch nie­mand.