Weil Besiktas-Fans auf Bewährung sind, wird der Auswärtsblock in München für Bayern-Fans geöffnet. Doch das verärgert ausgerechnet die eigene Fanszene.
Es waren fürchterliche Szenen in der Aprilnacht von Lyon. Hunderte Zuschauer, teils verängstigt, teils blutverschmiert, liefen vor dem Anpfiff des Europa-League-Viertelfinalspiels gegen Besiktas auf den Rasen des Parc Olympique Lyonnais. Das Spiel musste mit einer Verzögerung von 45 Minuten angepfiffen werden, weil sich auf den Rängen die Anhänger beider Vereine besinnungslos prügelten. Pyrotechnik wurde in benachbarte Ränge geworfen. Die Polizei hatte alle Mühe, die Gruppen auseinander zu bringen. Lyon teilte später am Abend mit: „Wir sind Opfer von Angriffen türkischer Hooligans geworden.“
Das ist der Grund, weshalb Bayern München nun Ärger mit den eigenen Fans droht. Nur: Warum?
Vor leeren Rängen
„Ich weiß nicht, was man machen soll: Vor leeren Rängen spielen oder woanders spielen?“, hatte der Präsident von Olympique Lyon, Jean-Michel Aulas, nach Spielschluss gesagt und gefordert: „Ich hoffe, dass die Uefa ihrer Verantwortung gerecht wird.“ Sie wurde es. Beiden Vereinen wurde eine Geldstrafe von je 100.000 Euro und eine Bewährung von zwei Spielzeiten ausgesprochen. Sollten die Fans eines Vereins erneut auffällig werden, hätte das den Anschluss für den nächsten europäischen Wettbewerb zur Folge.
Um das zu verhindern, erinnerten sich die Verantwortlichen aus Istanbul an die Worte ihres französischen Kollegen. Lieber vor leeren Rängen spielen, als gar nicht zu spielen. Weil ein Großteil der gewalttätigen Besiktas-Fans an dem Abend in Lyon aus Frankreich und Deutschland kam, verzichtet der Klub in dieser Saison freiwillig auf Auswärtsfans.
Strenge Kontrollen
Vor dem Achtelfinalspiel in der kommenden Woche verkündete der FC Bayern deshalb, den Auswärtsblock für Fans der eigenen Mannschaft zu öffnen. Doch damit nicht genug. In einem Schreiben an die Ticketbesitzer machte der Verein deutlich: „Laut UEFA-Reglement ist es nicht gestattet, Eintrittskarten an Zuschauer der Gastmannschaft weiterzureichen oder zu veräußern.“ Das stimmt. Bisher war es aber Usus, dass die Vereine im kleinen Rahmen ein Auge zudrückten. Immer wieder werden Dauerkarten für ein Spiel abgetreten. Unter Fans oft auch zum Originalpreis. Ob derjenige Fan der Auswärtsmannschaft ist, war schlichtweg egal.
In diesem Fall aber kündigt der FC Bayern an: „Es wird am Spieltag (…) sehr intensive, strenge Einlasskontrollen geben, um sicherzustellen, dass niemand in die Allianz Arena kommt, dem unerlaubt ein Ticket überlassen wurde.“ Und: Eine Weiterreichung der Karten könne für Bayern-Fans eine Ticket-Bezugssperre nach sich ziehen.
Schon am Wochenende protestierte die Münchener Südkurve gegen das Vorgehen des Vereins. „Gästefans ausschließen. Den eigenen Fans drohen. Handelt so die Bayern-Familie?“ und „Ausgesperrte immer bei uns“, stand auf den Spruchbändern während des Samstagabendspiels gegen Schalke. „Uns ist klar, dass der FC Bayern in einer Zwickmühle steckt, weil sie nach Uefa-Regularien handeln müssen“, erklärt ein Sprecher der Fan-Vereinigung „Club Nr. 12“, „aber wir vermissen ein Wort des Bedauerns. Ein solch hartes Vorgehen ist einfach nicht üblich.“ Die Fans haben dazu aufgerufen, am Donnerstag gemeinsam den Film „Istanbul United“ zu sehen.
Es trifft alle
Für den Vertreter von „Club Nr. 12“ ist klar: „Wir fühlen mit dem harten Kern von Besiktas, der in Lyon ganz wenig mit den Ausschreitungen zu tun hatte. Die Strafe trifft jetzt alle gleichermaßen.“
Auch der Zusammenschluss „Südkurve München“ argumentiert: „Stellt Euch die Situation vor: Ihr habt eine Karte übrig und wollt die vorm Stadion weiterverkaufen, damit könnt ihr einem Bayernfan eine Freude machen. Jetzt kommt jemand mit einem südländischen Look auf Euch zu, der schon jahrelang zum FC Bayern hält. Das wisst ihr aber natürlich nicht. Zögert ihr ob seines Aussehens vielleicht ihm die Karte zu verkaufen?“
Racial Profiling?
Fraglich, ob ein einzelner Besiktas-Fan auf der Sitzschale der Gegengerade zu einem ernsthaften Problem für die Bewährungsauflagen seines Vereins werden könnte. Ob nun mit Trikot – oder ohne. Aber es zeigt auch, wie schmal der Grat ist, im Umgang mit weiterveräußerten Tickets. Selbst wenn die bayrischen Fans nur türkischen Freunden eine Freude machen wollen würde, verlöre der FC Bayern die Kontrolle, zumindest aber die Übersicht, über die Besitzer des Tickets. Die Südkurve befürchtet auch deshalb an den Eingangstoren eine Art „Racial Profiling“, also die Überprüfung von Personen anhand äußerlicher Merkmale.
Dem hat der Ticketservice des FC Bayern widersprochen. Ihnen wäre nicht bekannt, dass Fans türkischer Abstammung keinen Zutritt hätten. „Wir weisen darauf hin, das Besiktas Fans bzw. Gäste in Besiktas Fanbekleidung zu diesem Spiel keinen Zutritt haben.“ Bisher war allerdings auch das nie ein Problem.