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Stefan Krämer, wenn Sie der­zeit nicht Trainer eines Dritt­li­gisten, son­dern Fuß­ballfan wären: Würden Sie Bun­des­liga gucken oder eher die Dritte Liga ein­schalten?
Als neu­traler Zuschauer würde ich die Dritte Liga ver­folgen, klar. Sie hat sich in den ver­gan­genen Jahren zu einer hoch­in­ter­es­santen Liga ent­wi­ckelt, die im Ver­gleich zu dritten oder zweiten Ligen in anderen Län­dern viel eta­blierter ist. Hier spielen eine Fülle von ambi­tio­nierten Tra­di­ti­ons­ver­einen, es gibt inter­es­sante Ost-Duelle, sehr inten­siven Fuß­ball und vor allem ist die Leis­tungs­dichte enorm eng bei­ein­ander. Hier kann man jede Woche ver­lieren oder gewinnen, den einen großen Favo­riten gibt es nicht. Das sieht man übri­gens auch an der aktu­ellen Tabel­len­kon­stel­la­tion. In der Hin­sicht ist die Dritte Liga natür­lich nicht besser als die Bun­des­liga, aber zumin­dest span­nender.

Duis­burg, Bie­le­feld, Cottbus, Dresden – fühlt sich das über­haupt nach Dritte Liga an?
Sport­lich besteht zur Zweiten Liga kein großer Unter­schied, das kann ich als ehe­ma­liger Zweit­li­ga­trainer sicher sagen. Und auch was das Zuschau­er­auf­kommen angeht, sind die Unter­schiede mar­ginal. Wir spielen am Wochen­ende in Dresden, für diese Partie ist die Hütte seit Wochen aus­ver­kauft.

Aber was ist mit dem guten alten Dritt­liga-Charme? Kalte Duschen, marode Tri­bünen. Gibt es das noch oder ist das bereits alles weg­pro­fes­sio­na­li­siert?
Die Dritte Liga ist mitt­ler­weile eine voll­wer­tige Profi-Liga, bei den meisten Ver­einen geht es also hoch­pro­fes­sio­nell zu. Trotzdem finde ich, dass man dieses beson­dere Dritt­liga-Fee­ling hier und da noch findet. Wir haben ja auch einige klei­nere Klubs in der Liga, bei denen es etwas ursprüng­li­cher zugeht und die noch in alt­ehr­wür­digen Sta­dien mit Aschen­bahn spielen. Das macht mir als Fuß­ball­ro­man­tiker natür­lich großen Spaß.

Was bedeutet das enge Klas­se­ment für die Ziele des FC Energie Cottbus? Wollen Sie hoch?
Ich bin kein Freund von Hoch­rech­nungen oder Pro­phe­zei­ungen. Das bringt in einer so aus­ge­gli­chenen Liga über­haupt nichts. Wir hier in Cottbus ver­su­chen, jedes Spiel mit einer Art Pokal­spiel-Men­ta­lität anzu­gehen. Alles oder nichts. Wir haben eine gute, kon­kur­renz­fä­hige Mann­schaft, aber um zu punkten, müssen wir immer ans Limit. Das geht jedoch den meisten Teams so. Je öfter du es also schaffst, an dieses Limit zu kommen, desto besser sind deine Chancen, Woche für Woche Punkte zu holen. Daher der Gedanke, Liga­spiele als Pokal­spiele zu betrachten. Denn in Pokal­spielen musst du zu 100 Pro­zent da sein.

Aber wie stellt man an einem grauen Nach­mittag bei Mainz II Pokal­spiel-Atmo­sphäre her?
Zunächst braucht man natür­lich Krieger in der Mann­schaft, die eine Beses­sen­heit ent­wi­ckeln können, jede Woche unbe­dingt gewinnen zu wollen. Und dann muss man diese Begeis­te­rung als Trainer steuern. Man muss auf­passen, dass man die Spieler nicht ver­brennt, muss ihnen zur rechten Zeit Pausen ein­räumen, um sie dann wieder heiß zu machen. Das fängt bei ganz banalen Dingen wie Moti­va­ti­ons­vi­deos an, letzten Endes geht es aber immer darum, inhalt­lich zu über­zeugen.

Energie ist Vierter, aus den letzten drei Spielen holten Sie zwei Siege und ein Unent­schieden. In Ihrer Bie­le­felder Zeit trugen Sie wäh­rend einer Sie­ges­serie ein Glücks-Shirt. Sehen wir Sie im steifen Lau­sitz-Winter dem­nächst im T‑Shirt an der Sei­ten­linie?
Naja, es ist ja bisher nur eine Mini-Serie, das reicht noch nicht für einen Glücks­bringer. Aber ich bin in der Tat sehr aber­gläu­bisch, und wenn wir tat­säch­lich eine Serie starten, werde ich das ganz bestimmt an irgend­etwas fest­ma­chen. Aktuell gibt es also noch keinen Glücks­bringer, der würde mit der Zeit ent­stehen. Aber ein T‑Shirt wäre es wohl nicht, zweimal den glei­chen Talisman zu benutzen, funk­tio­niert wohl nicht.

Aus der Bie­le­felder Zeit stammt auch Ihre Tattoo-Wette, nach erfolg­rei­chem Auf­stieg ließen Sie sich das Arminia-Logo auf die Brust ste­chen. Ist da noch Platz für das Energie-Wappen?
Platz ist noch mehr als genug. Die Zeit in Bie­le­feld war schon etwas Beson­deres für mich, daher fiel es mir damals nicht schwer, die Wette ein­zu­lösen und mir das Wappen ste­chen zu lassen. Aber ich finde, so etwas lässt sich schwer wie­der­holen und schon gar nicht planen. Wenn wir tat­säch­lich irgend­wann mit Cottbus auf­steigen würden, ließe ich mir sicher­lich etwas ein­fallen.

Energie ist letzte Saison sang- und klanglos aus der Zweiten Liga abge­stiegen. Wie ist denn mitt­ler­weile die Stim­mung in Cottbus?
Als wir hier im Sommer ange­treten sind, war die Stim­mung mies, und es war unser oberstes Ziel, die Leute nach dieser Scheiß­saison wieder zurück ins Boot zu holen. Viele Fans hatten sich abge­wendet, aber ein Schul­ter­schluss zwi­schen Mann­schaft und Fans ist enorm wichtig. Das Wich­tigste ist natür­lich Lei­den­schaft auf dem Platz. Fans haben ein sehr gutes Gespür dafür, ob die Jungs da unten alles geben, was sie drin haben. Dar­über hinaus haben wir ver­sucht, durch viele kleine Aktionen die Bezie­hung zwi­schen Fans und Mann­schaft wieder zu ver­bes­sern. 

Durch welche genau?
In der Vor­be­rei­tung haben wir zum Bei­spiel auf grö­ßere Test­spiel­gegner ver­zichtet und haben viel hier in der Region gespielt, um den Leuten zu zeigen, dass wir ein neues Team haben, mit dem wir einen neuen Weg ein­schlagen wollen. Außerdem war es wichtig, den Men­schen zu ver­mit­teln, dass die Spiel­weise der neuen Mann­schaft zu Energie Cottbus passt. Kampf, Emo­tio­na­lität, Energie eben. Dar­über hinaus ist aber auch die Art und Weise des Auf­tre­tens ganz ent­schei­dend. Wenn die Spieler gemeinsam in der Stadt essen gehen, dann müssen sie sich ver­nünftig ver­halten, ansprechbar sein. Die Leute sollen merken, dass die Spieler gerne in Cottbus sind und nicht irgend­welche Söldner, die nächstes Jahr wieder woan­ders kicken. Und dass wir uns aktiv um die Fans bemüht haben, bekommen wir jetzt zurück. Ver­gan­gene Woche haben wir gegen Osna­brück nach 0:2 noch 2:2 gespielt. Das war der Unter­stüt­zung der Fans zu ver­danken, die uns trotz schlechter Leis­tung weiter nach vorne gebrüllt haben. Wir haben den Schul­ter­schluss mitt­ler­weile also ganz gut hin­be­kommen. Durch unsere Spiel­weise, aber auch durch besagte Maß­nahmen.

Es gab sogar ein Speed-Tal­king zwi­schen Spie­lern und Fans.
Ja. Wie beim klas­si­schen Speed-Dating saßen sich Fans und Spieler gegen­über. Da wurde gequatscht und die Fans konnten fragen, was sie wollen. Alle zwei Minuten wech­selten die Fans einen Platz weiter. Mit sol­chen Ver­an­stal­tungen wollen wir zeigen: Wir sind keine abge­kap­selte Pro­fi­truppe, son­dern suchen aktiv den Kon­takt zu den Anhän­gern. Und die Aktion hat großen Spaß gemacht.

Saßen Sie mit am Tisch?
Natür­lich. Ihre Tattoo-Frage wurde übri­gens recht oft gestellt (lacht). Meist ging es aber um sport­liche Dinge: Holen wir noch einen Spieler im Winter? Steigen wir auf? Fragen über Fragen eben.

Sie betonen die Bedeu­tung der Fans. Ist es viel­leicht kein Zufall, dass die Ver­eine mit den meisten Fans sich auch die obere Tabel­len­hälfte teilen?
Ich bin über­zeugt davon, dass die Fans eine große Rolle spielen. Das lässt sich auch sta­tis­tisch belegen: Die über­wie­gende Anzahl der Punkte holen die Klubs zuhause, das liegt sicher­lich auch an der Atmo­sphäre, die gerade bei den grö­ßeren Ver­einen fan­tas­tisch ist. Aber es gibt auch noch einen anderen Grund.

Wel­chen?
Die Wege in der Liga sind sehr weit. Da die Ver­eine aber nicht über das Geld ver­fügen, das einem Bun­des­li­gisten zur Ver­fü­gung steht, müssen alle Wege mit dem Bus oder der Bahn zurück­ge­legt werden. Wir können uns nicht mal eben in den Pri­vatjet setzen. Zum Spiel nach Stutt­gart saßen wir also acht Stunden im Bus. Das wirkt sich natür­lich auf die Fri­sche der Spieler aus.

Hatten Sie eigent­lich schon Weih­nachts­feier mit der Mann­schaft?
Nein, die findet nach dem Spiel gegen Münster statt.

Wir gehen davon aus, dass Sie für die Musik sorgen. Schließ­lich waren Sie wäh­rend Ihrer Stu­den­ten­zeit als Indie-DJ unter­wegs.
(lacht) Also ich würde den Ver­an­stal­tern abraten, mich als DJ zu enga­gieren. Mit meinem Musik­ge­schmack können die Jungs wenig anfangen, wahr­schein­lich würde ich die Tanz­fläche in Rekord­zeit leer­spielen.