Vor jedem Turnier gibt es den ominösen „letzten Härtetest“. Doch was bringt er wirklich? Erinnerungen an Ribbecks Rätsel und Völlers Fehler.
7. Juni 2000, Freiburg: Deutschland – Liechtenstein 8:2
Fragen über Fragen für Erich Ribbeck vor dem letzten Testspiel vor der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden. Die Besetzung der Offensive bereitet dem Teamchef Sorgen: Bierhoff mit Kirsten? Oder Kirsten mit Jancker? Oder Jancker mit Bierhoff? Oder doch Paulo Rink? In den Testspielen gegen Tschechien und – Achtung – Real Mallorca konnte Ribbeck noch keine Idealbesetzung finden.
Weil auch die Fachjournalie im Dunkeln tappt, holt sie sich Rat von Michael Preetz. Der Stürmer von Hertha BSC ist auf Abruf nominiert und gibt in der „Welt“ von Zuhause aus muntere Einschätzungen über jeden der nominierten Stürmer ab: „Jancker hat noch Nachholbedarf im Kopfballspiel. Bierhoff hat eine Qualität, die man lange suchen muss, wenn es um die Wurst geht.“
Beim 8:2‑Sieg über Fußball-Gigant Liechtenstein entscheidet sich Ribbeck letztlich für Bierhoff und Rink. Der Test bringt wenige Aufschlüsse. „Wir sind so schlau wie vorher“, motzt die Hamburger Morgenpost“ am Tag nach dem Spiel. Die Probleme lägen auf der Hand: Kapitän Matthäus sei zu langsam, Mittelfeld-Beißer Jeremies nicht fit. Das „Morgenpost“-Fazit: „Die Aufstellung für den EM-Start bleibt ein Rätsel. Sorgen gibt’s zuhauf.“
18. Mai 2002, Leverkusen: Deutschland – Österreich 6:2
Katerstimmung im deutschen Lager: Zunächst verliert die DFB-Elf in einem Grotten-Kick gegen Wales 0:1, dann muss nach Jens Nowotny auch noch Christian Wörns die Tour nach Japan und Südkorea absagen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für Teamchef Rudi Völler: Die Leverkusen-Profis Ballack, Schneider, Ramelow, Neuville und Butt kehren nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Real Madrid zum Team zurück. So kann Völler vor dem letzten Härtetest gegen Österreich laut „Berliner Zeitung“ zum ersten Mal „den kompletten 23-Mann-Kader zur täglichen Kaffee- und Kuchentafel begrüßen.“
Die Partie gewinnt die Nationalmannschaft zwar 6:2, der Test wird aber von einer Hiobsbotschaft überschattet: Hoffnungsträger Sebastian Deisler verletzt sich am Knie und fällt für die WM aus. Medien und Fans jammern, nur einer behält die Ruhe: Rudi Völler. Der Teamchef sagt nach dem Spiel zu den Journalisten: „Wir müssen aufstehen. Wir werden alles dafür tun, um Deutschland in Asien würdig zu vertreten.“ Die Pressevertreter bleiben skeptisch. Die „FAZ“ schreibt: „An diesem Mittwoch macht sich eine deutsche Auswahl auf den Weg nach Asien, die eine unzureichende Vorbereitung ohnegleichen hinter sich hat und über deren Formation und Form sich nur hochspekulative Vorhersagen machen lassen.“
6. Juni 2004, Kaiserslautern: Deutschland – Ungarn 0:2
Eigentlich soll das letzte Testspiel vor der Europameisterschaft 2004 großen Rückenwind verleihen. Der DFB ernennt die Partie in Kaiserslautern anlässlich des 50. Jahrestags des Wunders von Bern zum Jubiläumsspiel. Zur Feier des Tages veranstaltet Verbandspräsident Gerhard Mayer-Vorfelder am Mittag eine Matinee im Dom zu Speyer, am Abend soll sich die Nationalelf würdig nach Portugal verabschieden.
Problem: Die Mannschaft von Rudi Völler setzt die Generalprobe gründlich in den Sand und verliert gegen eine ungarische Rumpftruppe (mit Trainer Lothar Matthäus) 0:2. Das Publikum in Kaiserslautern verabschiedet die Spieler mit einem gellenden Pfeifkonzert und auch die Presse motzt. „Völlers Elf hatte Mängel in allen Mannschaftsteilen und beging kapitale Fehler“, schreibt die „dpa“. Die „Morgenpost“ fügt hinzu, man müsse „mächtig Angst um die deutsche Elf haben“. Positive Randnotiz: Zwei aufstrebende junge Talente feiern ihr Debüt im Nationalteam – Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski.