Nicklas Bendtner ist der letzte Hedonist der Liga. Dass er im Begriff ist, seine Karriere zu vergeuden, kümmert ihn wenig. Doch was sagt der VfL Wolfsburg dazu?
Doch immerhin: Das Vorkommnis gewährte tiefe Einblicke in die Psyche eines Mannes, dessen unerschütterliche Hybris im krassen Gegensatz zu seiner sportlichen und sozialen Saisonbilanz steht. „Erstens“, ließ Bendtner hinterher auf seiner Instagram-Seite verlauten. „Ich würde NIEMALS meine Fans enttäuschen. Ich besuche gern jeden, der mich sehen will. Leider war ich krank.“ Ein grippaler Infekt sei es gewesen, so hieß es offiziell. Ein leichter wohl nur, denn immerhin fand er doch genug Kraft, um zeitgleich mit Freunden italienisch essen zu gehen. „Zweitens“, fuhr er fort. „Ich bin Spieler des VfL Wolfsburg und stolz darauf. Alle, die Scheiße über mich schreiben und mich niedermachen wollen: Nur zu! Dieser Tiger wird kämpfen bis zum Ende.“
Worte, die genauso von einem DSDS-Teilnehmer stammen könnten, der soeben von Juror Dieter Bohlen aus dem Studio geekelt wurde. In einem Metier, in dem man sich eben solcher Karate-Kid-Metaphern befleißigt, sie sich am liebsten gleich auf den Unterarm stechen lässt. Mag sein, dass der Tiger bis zum Ende kämpft. Er merkt nur nicht, dass er sich die ganze Zeit in den Schwanz beißt.
In früheren Zeiten hätte sein Hang zum Hedonismus einer Spitzenkarriere nicht im Wege gestanden, wäre er womöglich gerade deshalb zum Superstar geworden: einer wie George Best, ein Exzentriker auf und neben dem Platz. Doch längst erfordert dieser Sport Askese, ist ein Profi Humankapital. Lohnt er die Investition nicht mehr, wird er abgestoßen. Bendtner ist im Begriff, sich zu vergeuden. Das kann einen schon traurig machen, selbst wenn es ihm selbst seltsam gleichgültig zu sein scheint.
Besser als Pelé?
Er hat sich vor ein paar Jahren, in seiner Arsenal-Zeit, selbst einmal zu den besten Angreifern des Planeten gezählt und tut das womöglich immer noch. Mittlerweile aber hat er die Aura eines Zlatan-Ibrahimovic-Imitators aus dem dänischen Privatfernsehen. Im Internet ist er zum Sinnbild des sich maßlos überschätzenden Fußball-Kretins geworden. Der Twitter-Account @lordbendtner etwa listet Informationen auf, die seinen Hochmut mit Luft untermauern: Er habe 24 Tore für Dänemark erzielt, Pelé hingegen keins. Keinem Torwart sei es je gelungen, in einem Spiel seinen Kasten sauber zu halten, in dem Bendtner traf. Er habe einmal Stein-Schere-Papier gegen sein Spiegelbild gespielt und gewonnen. Und R. Kelly wird mit den Worten zitiert: „He’s the world’s greatest, he finally made it.“
Der echte Bendtner schreibt derweil auf seinem Account: „Die Saison war fantastisch für den VfL. Mit ein paar mehr Punkten besteigen wir nächstes Jahr den Thron.“ Da könnte was dran sein, fraglich ist nur, welchen Anteil Bendtner daran haben würde. Ob er dann überhaupt noch in Wolfsburg ist. Nach dem Fernbleiben von den Fanbesuchen im Mai sagte Javier Garcia Sanz, Aufsichtsratsboss des VfL: „Er ist, wie er ist. Das wussten wir, als wir ihn geholt haben. Wir werden überlegen müssen, wie es weitergeht.“ Sein Stellvertreter Stephan Grühsem ergänzte: „Wenn Dinge zu besprechen sind, dann wird darüber gesprochen. Wo das am Ende hinführt, werden wir sehen.“
Der Außerirdische in Kopenhagen
Ja, wo es hinführen soll, was dieser Bendtner eigentlich vorhat in den drei, vier Jahren, in denen er noch auf hohem Niveau Fußball spielen könnte, wenn er denn wollte, darüber hätte man gern mit ihm gesprochen. Eine Anfrage beim Verein, ob ein Interview möglich sei, wurde mit einem kurzen „Leider nein“ beschieden. Auch die Kontaktaufnahme mit seinem Berater Ivan Benes verlief im Sande. Am in Aussicht gestellten Termin, der ohne Begründung doch nicht zustande kam, postete der Berater ein Foto bei Facebook: Er und Bendtner in einem Kopenhagener Restaurant namens „Pluto“. Der Außerirdische geht auf einem fernen Planeten italienisch essen.
Unter das Foto schrieb ein Bewunderer: „Coole Schuhe, Nicklas!“