Steffen Baumgart übernahm den SC Paderborn im Frühjahr 2017. Damals stand der Verein am Abgrund – jetzt ist er Bundesligist. Wie ist die komplette Kehrtwende möglich?
Sie hatten Erfolg, sammelten elf Punkte aus den letzten fünf Spielen.
Mhm.
Und waren am Ende trotzdem abgestiegen. Wie waren die Tage danach?
Wir haben uns geschüttelt und gesagt: „Weiter geht’s.“ Wirklich wahr. Wir hatten noch das Finale im Westfalenpokal zu bestreiten. Es ging um den Einzug in den DFB-Pokal, um 100.000 Euro und damit für einen zukünftigen Viertligisten um sehr viel Geld. Wie kriege ich also eine Mannschaft, die gerade nahezu alles verloren hat, so weit, dass sie das Pokalfinale vernünftig spielt? Dass wir nach diesem Nackenschlag trotzdem gewonnen haben, war die größte Leistung dieser Mannschaft.
Es muss doch trotzdem eine seltsame Situation gewesen sein: Pokalsieg und die Mannschaft ist im Begriff auseinanderzufallen.
Wir hatten tags darauf noch zwei Spieler unter Vertrag.
Wo waren Sie, als die Nachricht kam, dass 1860 München keine Zulassung für die 3. Liga erhalten würde?
Oh, das weiß ich nicht mehr. Es gab ja vorher schon Entwicklungen, andere Vereine bangten um die Zulassung, deshalb war es keine allzu große Überraschung. Wir hatten vorher schon zweigleisig geplant.
Ist Ihnen in der Rückschau eigentlich klar geworden, wie sie aus diesem nahezu toten Verein einen Aufsteiger gemacht haben?
Das war kein toter Verein. Es gibt natürlich Phasen, in denen läuft es mal nicht, da greift nichts ineinander. Aber dieser Verein war für mich nie tot. Auch nach dem Abstieg: Ob es Markus Krösche als Sportlicher Leiter oder Bodo, unser Zeugwart war – alle waren immer mit dem Herzen dabei. Na klar, niemand wusste, in welche Richtung es nun geht. Aber tot war hier keiner.
Und trotzdem: Als nomineller Absteiger galten Sie vor der Drittligasaison nicht gerade als Aufstiegskandidat.
Ne, ganz sicher nicht.
Wann haben Sie also gemerkt, dass mehr möglich ist?
Direkt im ersten Saisonspiel gegen Halle. Da war erkennbar, was für eine Power in der Truppe steckt. Wir haben in der ersten Minute einen Elfmeter gegen uns bekommen. 1. Spieltag, 1. Minute, 1. Gegentor. Mieser geht’s nicht. Da habe ich mich umgedreht zur Trainerbank und gesagt: „In 15 Minuten führen wir hier 2:1.“ Da haben sie mich alle ausgelacht. Hat auch nicht gestimmt, wir haben 17 Minuten gebraucht. Am Ende stand es 4:4. Die Art und Weise stimmte. Power und Mut im Spiel nach vorne.
Ist es Ihnen wichtig Spektakel abzuliefern?
Am liebsten würde ich immer 4:0 gewinnen. Aber die vielen Gegentore sind auch dem Umstand geschuldet, dass die Jungs immer nach vorne marschieren wollen.
Manch einer bezeichnet ihr Spiel als sowohl verrückt, als auch ganz wunderbar.
Wir wollen jedenfalls keine Mannschaft sein, die nur clever spielt. Es kommt nicht immer darauf an, ob du die bessere Mannschaft bist, sondern dass du einen Plan hast, dass du Leute begeistern willst. Es muss andere Arten Fußball geben als den Verschiebebahnhof ab der Mittellinie – und man muss mit dieser Andersartigkeit auch Erfolg haben können. Unser Ziel ist immer: Toreschießen. Und das sieht man uns auch noch an, wenn wir 4:1 führen. Dass wir weiter nach vorne spielen – und am Ende schlimmstenfalls das 4:4 kassieren.