Herr Schinkel, Sie sind lange zu jedem Heim- und Auswärtsspiel von Union gefahren. Warum heute nicht mehr?
Ich weiß nicht, wie die Situation heute ist, aber mir war es zum Schluss besonders auswärts einfach zu gewalttätig. Die ganze Stimmung war mir zu aggressiv. Bei Spielen gegen Magdeburg oder den BFC wusste man nicht mal mehr, ob man noch heil nach Hause kommt. Da habe ich mir irgendwann gesagt, jetzt reicht es, dass muss ich mir nicht mehr antun.
Wie kommt ein alter Unioner zu den Frauen von Turbine Potsdam?
Ich bin wegen meiner damaligen Lebensgefährtin nach Potsdam gezogen. Dann habe ich in der Presse immer von Turbine gehört und dachte mir aus Lokalpatriotismus, Mensch, da könnte ich doch mal hingehen und mir Frauenfußball angucken.
Die Frage, die ich natürlich stellen muss: Warum Frauenfußball?
Am Anfang hatte ich natürlich auch meine Bedenken, wollte erstmal sehen, wie die Frauen so spielen. Aber das war für mich toller, attraktiver Fußball, und auch die Stimmung im Stadion war sehr familiär, ganz anders als bei den Männern. Das fand ich toll, da hab ich mich sofort wohl gefühlt. Seitdem habe ich mich nicht mehr wirklich um Männerfußball gekümmert.
Der größte Unterschied zu früher?
Ich habe bei Bundesligaspielen noch nie einen Polizisten gesehen, weder vorm Stadion noch im Stadion. Nur beim UEFA-Cup schauen hin und wieder mal zwei Streifenpolizisten vorbei, die sich dann aber mehr um Dinge wie einparken kümmern. Im Normalfall reichen drei bis vier Ordner am Einlass, und es gibt keine Probleme. Wir sind mal in einer Raststätte, als wir von einem Auswärtsspiel wiederkamen, auf sehr aggressive Erfurt Fans getroffen, die unsere Schals gesehen haben, dann gleich auf uns zugekommen sind und gefragt haben, von welchem Verein wir denn sind. Da haben wir geantwortet, dass wir vom Frauenfußball sind, von Turbine Potsdam. Mit einem Mal waren sie sehr positiv eingestellt, prima Frauenfußball hieß es, Turbine Potsdam kennen wir. Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet.
Was sagen die alten Freunde zu Ihrer neuen Leidenschaft?
Die haben das gar nicht so mitbekommen, ich hab auch noch nie jemanden von Union hier gesehen. Ich dachte, wenigstens bei Spitzenspielen lässt sich der ein oder andere mal blicken, man kennt sich ja noch aber Fehlanzeige.
Welchen Vorurteilen sind Sie als männlicher Frauenfußballfan ausgesetzt?
Bis jetzt gar keinen! Es finden durchweg alle positiv und sind begeistert, auch unter den Arbeitskollegen. Mittlerweile steckt man sein Umfeld richtig an, Menschen, die sich noch nie für Männerfußball interessiert haben. schauen jetzt komischerweise Frauenfußball. Meine Mutter war schon mit im Stadion, verfolgt die großen Turniere und kennt sich richtig aus.
Seit wann sind Sie dabei?
2004 war ich das erste Mal im Karl-Liebknecht-Stadion. Ich bin zunächst unregelmäßig hingegangen, später dann immer häufiger.
Und heute?
Seit 2006 bin ich bei jedem Heimspiel dabei, und seit November 2007 habe ich gar kein Spiel mehr verpasst, egal ob Test‑, Meisterschafts- oder Pokalspiel. Ich bin praktisch jedes Wochenende unterwegs und fahre auch gerne mal 300 Kilometer, um ein Testspiel zu sehen,
Wie hoch sind Eintrittspreise für Frauenspiele?
Im Normalfall fünf, sechs Euro, das Teuerste, was ich mal für eine Karte bezahlt habe, waren zehn Euro für ein Pokalspiel, dann natürlich für einen Sitzplatz auf einer überdachten Tribüne. Solche Preise gibt es beim Männerfußball nicht mehr.
Mit wie vielen Anhängern unterstützt ihr euer Team bei Auswärtsspielen?
Selbst bei den weitesten Reisen wie nach Freiburg oder Saarbrücken sind wir immer mindestens 30 Fans. Zu den Spitzenspielen kommen dann schon mal über 100 mit.
In einem richtigen Gästeblock?
So was gibt es bei den Frauen nicht, aber man stellt sich natürlich im Block zusammen,
um Stimmung zu machen.
Unterscheidet sich Ihr Support von dem der, sagen wir, »normalen« Fußballfans?
Eigentlich gar nicht, man guckt sich ja auch viel ab. Wenn wir was Tolles sehen, texten wir es um und studieren das auch ein.
Unterstützen Sie auch die Nationalelf?
Zeitlich und finanziell schaffe ich es nicht immer ins Stadion, aber selbstverständlich verfolge ich die Spiele.
2011 steht die WM im eigenen Land an. Erwarten Sie ein ähnliches Kartenproblem wie bei den Männern 2006?
Also, ich gehe mittlerweile vom Schlimmsten aus. Es wird ein großer Hype um die Frauen entstehen, und es wird sehr schwierig werden, überhaupt an Karten zu kommen. Die Spiele werden alle ausverkauft sein, und ich bin mir sicher, es wird wieder Fanmeilen in Deutschland geben. Ich kann nur hoffen, dass die Fanclubs über den Verein an Karten kommen.