Sofian Chahed, früher bei Hertha BSC und Hannover 96, könnte mit 32 Jahren immer noch Profi-Fußballer sein – stattdessen ist er aber lieber Co-Trainer bei Viktoria 89.
Chahed ist natürlich kein Top-Coach, er ist Berufsanfänger. Beim Berliner Regionalligisten Viktoria 89 hat er gerade mit 32 Jahren den ersten Job nach seiner Karriere als Fußballprofi angetreten. Er ist jetzt Co-Trainer von Robert Jaspert. Für die Öffentlichkeit sind Co-Trainer dafür verantwortlich, dass die Hütchen beim Training an den richtigen Stellen liegen. Weil Jaspert aber offiziell noch bis zum 30. Juni beim 1. FC Union angestellt war, hat in der ersten Woche der Vorbereitung nicht der Chef das Training geleitet, sondern Sofian Chahed, der Berufsanfänger.
„Er hat das sehr gut bewältigt“, sagt Jaspert, 55, über seinen Stellvertreter. Natürlich haben sie die Inhalte vorher abgesprochen, viele Übungen aber hat Chahed selbst eingebracht. „Er hat sich sehr gut vorbereitet“, sagt Jaspert. „Seine Ansprache ist sehr gut, er hat eine klare Linie im Kopf, und er ist in der Lage, ein gutes, strukturiertes Training zu machen.“
Sofian Chahed kommt aus der Trainerkabine – einem ausrangierten Wohnwagen
Anfang dieser Woche, später Nachmittag. 16 Spieler haben sich auf dem Trainingsplatz in Lichterfelde versammelt. Nebenan, direkt am Teltowkanal, laufen die Jogger vorbei. Jaspert steht in Zivil neben dem Platz und schaut schweigend zu. Chahed kommt aus der Trainerkabine, einem ausrangierten Wohnwagen mit Spitzengardinen an den Fenstern.
Als die Mannschaft sich warm läuft, verteilt er Hütchen übers Feld, rammt Stangen in den Boden, dann tritt er die Bälle an die vorgesehenen Positionen. Chahed trägt eine Trainingshose mit der Nummer 19, als wäre er selbst noch Spieler.
Es habe ihm nichts ausgemacht, allein vor der Mannschaft zu stehen, sagt Chahed. „Was man als Trainer haben muss, ist ein Plan – ich hatte einen sehr guten Plan.“ Vor dem ersten Training hat er sich eine Liste mit den Spielern ausgedruckt und erst einmal ihre Namen gelernt. Und wenn eine Übung nicht so funktioniert wie geplant, holt er einen Zettel aus der Tasche und macht sich Notizen. Chaheds Anweisungen sind klar, die Stimme ist fest. „Noch Fragen?“, fragt er. Keine Fragen.
Chahed: „Ich könnte immer noch Fußball spielen“
In zehn Jahren als Profi hat Chahed 152 Bundesligaspiele für Hertha BSC und Hannover 96 bestritten, dazu sechs Länderspiele für Tunesien, die Heimat seines Vaters. Er ist Jahrgang 1983, wie Philipp Lahm, er ist fit und gesund. „Ich bin so selbstbewusst, dass ich sage: Ich könnte immer noch Fußball spielen.“
Zweite oder Dritte Liga würde er sich noch zutrauen. Stattdessen trainiert er jetzt einen Viertligisten. Im Zweifel müsste Chahed bei Viktoria also noch locker mithalten können. Aber Jaspert hat bei ihm das Gefühl gewonnen, „dass er jetzt Lehrer sein will“.