Koray Günter spielt für Hellas Verona die beste Saison seiner Karriere – bis sie wegen des Coronavirus abgebrochen wird. Ein Anruf in die Sperrzone.
Koray Günter, Hellas Verona hat bislang eine sehr gute Saison gespielt. Wie sehr schmerzt der Abbruch?
Wir belegen Platz acht, mit Blick auf die Europa-League-Plätze. Und das als Aufsteiger! Wir waren richtig gut drauf, neulich haben wir 2:1 gegen Juventus Turin gewonnen. Es ist wirklich bitter, dass die Liga unterbrochen wird. Aber es ist das einzig Richtige.
Sollte die Liga vorzeitig beendet werden?
Für uns Spieler wäre es vermutlich das Beste. Aber es geht nicht nur um uns. Man muss jetzt weiter denken. Viele kleine Vereine sind auf die Spiele angewiesen, die brauchen das Geld. Was ich sicher sagen kann: Spiele ohne Fans sind wirklich schlimm. Nach unserem einzigen Geisterspiel saßen wir in der Kabine, haben uns angeschaut und gefragt: „Was war das denn für eine Scheiße?!“ So will ich die Saison nicht zu Ende spielen. Als Spieler baust du in den Tagen und Stunden vor dem Spiel eine gewisse Grundspannung auf. Die verpufft aber zum Teil, wenn du in ein leeres Stadion einläufst.
Die Saison lief nicht nur für Hellas Verona gut, sondern auch für Sie. Warum haben Sie so lange für den Durchbruch gebraucht?
Zu Beginn meiner Karriere ging alles wahnsinnig schnell. Ich war der jüngste Spieler in der Jugendakademie von Borussia Dortmund, mit 18 Jahren holte mich Jürgen Klopp zu den Profis. Es war die Zeit, als der neue BVB geboren wurde, es war eine unglaubliche Energie und Dynamik im Verein. Und ich wollte unbedingt dabei sein. Ich wollte zeigen, dass ich es auch kann. Aber ich durfte es nicht.
Sie haben einmal gespielt.
Für zwei Minuten.
„Ich kenne viele Jungs, die in der Jugend alles rasiert haben, es aber nie zu den Profis geschafft haben.“
Die Presse nannte Sie damals den „neuen Götze“. War der Druck besonders?
Ich glaube einfach, dass der Schritt vom Jugend- zum Herrenbereich viel größer ist, als man vorher denkt.
Spieler wie Samed Yesil, der bei der U17-WM 2011 mit Ihnen Dritter wurde und zweitbester Torschütze des Turniers wurde, hält sich jetzt in der Oberliga beim TSV Meerbusch fit.
Bei dieser WM hatten alle Spieler die Tür zum Profifußball ein Stückchen geöffnet. Aber man durfte nicht glauben, dass man einfach so hindurchgehen konnte. Ich kenne so viele Jungs, die in der Jugend alles rasiert haben, es aber nie zu den Profis geschafft haben. Es ist viel Glück dabei. Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Verletzungsfrei bleiben. Einen Trainer haben, der an dich glaubt. Geduldig sein. Und dann kannst du irgendwann durch diese Tür gehen.
Waren Sie geduldig?
Heute denke ich manchmal, dass ich auch zu ungeduldig war. Ich hätte beim BVB vielleicht ein, zwei Jahre später meine Chance bekommen. Andererseits, wenn ein Trainer wie Roberto Mancini (damals Trainer von Galatasaray, d. Red.) immer wieder anruft, dann hört man sich an, was der zu sagen hat.
Wie bewerten Sie heute Ihre vier Jahre bei Galatasaray?
Wir hatten Erfolg (zweimal Meister, dreimal Pokalsieger, d. Red.), und anfangs lief es auch für mich gut. Dann zog ich mir einen Kreuzbandriss zu und Mancini wurde entlassen. Unter seinen Nachfolgern spielte ich kaum noch eine Rolle. Italien war für mich ein Neuanfang – und auch ein Test. Kann ich es noch? Bin ich gut genug für diese Liga?
Ist Italien noch das Land der Verteidiger?
Das Catenaccio-Klischee ist etwas überholt, dafür sind die Offensivreihen viel zu gut. Allerdings glaube ich schon, dass die Ausbildung und das Training für Verteidiger hier viel detaillierter und intensiver sind als anderswo.
Ihre Gegenspieler heißen Cristiano Ronaldo, Romelu Lukaku oder Gonzalo Higuain. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Das sind Topspieler, klar. Der Beste war übrigens Juves Paulo Dybala, der gegen uns spät reinkam. Ich dachte nur: Wenn der von Anfang gespielt hätte, weiß ich nicht, ob wir gewonnen hätten. Aber wenn du diese Spielernamen in den Kaderlisten liest, weißt du schon vor dem Anpfiff, dass das ein heftiges Spiel wird. Was schwieriger ist: Wenn du plötzlich einen guten Gegenspieler hast, den du gar nicht so auf dem Zettel hattest. Sassuolos Domenico Berardi zum Beispiel. Oder Marcelo Brozovic von Inter Mailand. Bei der WM habe ich ein paar Spiele mit ihm gesehen, ein solider, guter Spieler, dachte ich. Im Spiel gegen uns war der dann ein krasser Ballmagnet, der hat so viel gearbeitet und Räume erkämpft. So viele Ideen. Da merkt man wieder: Im Fernsehen siehst du die vielen Details und Besonderheiten gar nicht.