Albert Streit war der meistgehasste Profi der Bundesliga. Heute wird er 40 Jahre alt. Für unsere große Reportage in 11FREUNDE #158 trafen wir ihn zum Interview. Ein Gespräch über sein Image und seine Hintergründe.
Trotz des Eklats im Waldhof-Match spielten Sie weiter bei den Schalker Amateuren.
Ich hatte mich damit abgefunden, nie mehr im Profibereich zu spielen. Ich wollte einfach nur kicken – und mir keine Gedanken mehr machen. Aber dann kamen neue Nackenschläge. Der U23-Trainer Michael Boris, der mich zum Kapitän machen wollte, verließ den Verein. Sein Nachfolger nahm mich trotz guter Leistungen aus der Mannschaft – er hatte wohl Anweisungen von oben – und es gab einige unschöne Aktionen.
Was meinen Sie?
Während die Mannschaft auf dem Platz trainierte, wurde ich auf die Aschenbahn zum Laufen geschickt. Ein anderes Mal hieß es, ich solle meine Laufschuhe anziehen und als ich darin ankam, wurde ich angemault, warum ich keine Fußballschuhe tragen würde.
Am Ende sollen Sie zu Boris’ Nachfolger Bernhard Trares gesagt haben: „Fick Dich“.
Das habe ich nie gesagt, diese Aussage wurde auch vor Gericht verhandelt. Keiner der befragten Zeugen konnte das bestätigen.
Aber sowas wird doch nicht erfunden?
In meiner Erinnerung habe ich mit einem Mitspieler nach der Einheit ein Tor vom Platz getragen – und einige junge Kollegen darauf hingewiesen, dass ich es in Ordnung fände, wenn sie uns helfen würden. Die waren auch sofort einverstanden. Da war der Trainer gar nicht dabei. Am nächsten Tag hieß es: „Albert, du sollst zu Horst Heldt kommen.“. Ich dachte, es ginge vielleicht um ein neues Angebot. Aber Heldt teilte mir nur mit, dass ich freigestellt sei.
Darauf hatten Sie doch spekuliert. Eine Freistellung garantiert schließlich die Fortzahlung des Lohns.
Als mein Berater sich die Freistellung schriftlich geben lassen wollte, hieß es, ich hätte etwas falsch verstanden: Ich sei nicht freigestellt, sondern fristlos gekündigt. Danach kam die Sache vor Gericht.
Eine traumatische Erfahrung, oder?
Ich habe es als sehr ungerecht empfunden. Am Ende war ich froh, als wir den Vergleich geschlossen hatten. Ich war psychisch ziemlich angeschlagen.
Sie wurden die Seuche nicht los. Friedhelm Funkel holte Sie zu Alemannia Aachen in die zweiten Liga…
wo ich eine wunderbare Zeit erlebte, weil die Leute sich dort nicht beirren ließen. Sie haben mich von Beginn an nach Leistung beurteilt.
Am Ende der Saison 2011/12 aber stieg die Alemannia ab und war bald darauf insolvent. Auch Ihre Zeit bei Viktoria Köln ab Januar 2013 in der vierten Liga war von Missgeschicken begleitet. Bei einem Match gegen die U23 des VfL Bochum wurden Sie im Kabinengang in der Halbzeit vom Platz gestellt, weil Sie angeblich Fabian Götze eine Ohrfeige verpasst hatten. Das Sportgericht sperrte Sie für vier Monate.
Ich kann nur sagen: Ich habe ihm keine gelangt!
Wie war es denn?
Es gab ein Gerangel, aber ich habe ihm keine gelangt. Ich gebe zu, dass ich die vierte Liga unterschätzt habe.
Spielerisch?
Nein, nicht fußballerisch, sondern die Umgangsformen. Schon in Aachen gab es wesentlich mehr auf die Socken in der Bundesliga. Manchmal kam es mir vor, als würden die Spieler – vielleicht auch wegen meines Rufs – regelrecht Jagd auf mich machen. Ich wurde da von den Schiedsrichtern wenig geschützt. In der Regionalliga wurde es noch unangenehmer. Was ich mir da teilweise von 18-jährigen Gegenspielern anhören musste, war unglaublich.
War das der Auslöser?
Gegen den VfL Bochum lagen wir zur Halbzeit schon mit 0:2 hinten, was nicht unbedingt zu guter Laune bei mir beitrug. Auf dem Weg in die Kabine kamen weitere Sprüche von einem Jungspund, da habe ich dem natürlich Kontra gegeben. Götze hat sich dann eingemischt und mich angefasst. Dann gab es ein Gerangel – aber nochmal: Geschlagen habe ich ihn nicht.
Am Ende wurden Sie bei Viktoria entlassen, weil Sie nicht mit Pelé Wollitz zurecht gekommen sind.
Auch das stimmt so nicht. Wollitz hat mir mehrfach gesagt, dass er nicht verstehen könne, dass ein Spieler mit meinen Qualitäten nicht wenigstens einen Klub in der zweiten Liga findet. Eines Tages aber hatten wir ein Trainingsspiel, in der Schlussphase flog der Ball aufs Tor, es sah aus, als wenn er reingehen würde. Doch genau in dem Moment pfiff Wollitz das Spiel ab. Hätte er zwei Sekunden länger spielen lassen, hätte unser Team das Match gewonnen. Da habe ich wortlos abgewunken. Mehr nicht. Aber Wollitz ging sofort hoch: „Was denkst Du Dir? Du glaubst wohl, Du bist hier der große Star.“ Und wieder konnte ich meinen Mund nicht halten und antwortete: „Ich glaube, du denkst, Du bist hier der Star.“ Das war’s. Eine Lappalie. Am nächsten Tag wurde mir mitgeteilt, dass ich gehen könne.
Albert Streit, wieso geht es immer wieder daneben?
Ich weiß es nicht, wahrscheinlich ziehe ich den Ärger auch an. Klar, dass die Medien auch diese Aktion wieder hochspielten, ohne hinter die Details zu recherchieren. Ich kann nur sagen: Der Satz auf Schalke damals, der war unbedacht. Aber in allen anderen Fällen habe ich mir nichts vorzuwerfen.
Waren Sie schon in der Jugend ein komplizierter Fall für Ihre Trainer?
Nein, damals war ich eher ein Einzelgänger. Alles drehte sich um Fußball für mich. Nachdem wir zwei Mal mit dem VfB Stuttgart Deutscher Jugendmeister geworden waren, ging es mir nur um eins: Ich wollte den Sprung zu den Profis schaffen.
Dafür entschieden Sie sich schon als 17-Jähriger für einen Vereinswechsel.
Ich war mir immer bewusst, dass die Karriere schnell zu Ende sein kann. Als das Angebot der Eintracht kam, habe ich sofort zugegriffen, weil ich nicht wusste, ob es immer so weitergeht.
Dort machten Sie neben dem Fußball eine Ausbildung in der Henninger Brauerei zum Industriekaufmann.
Meiner Mutter war es sehr wichtig, dass ich mehrgleisig fahre und nach der Mittleren Reife auch einen normalen Beruf lerne. Aber ganz ehrlich: Den Schein habe ich mit Ach und Krach bekommen. Die Prüfer haben mehr als ein Auge zugedrückt. (Lacht.)
Sie sagten damals, Sie hätten anfangs nicht verstanden, dass Profitum harte Arbeit bedeutet.
In der A‑Jugend war ich technisch so stark, dass mir vieles, was andere durch Einsatz erreichten, zufiel. Ich dachte anfangs, dass es für einen Profi ausreicht, wenn er gut Fußball spielen kann. Aber es braucht viel mehr.
Nämlich?
Man braucht Biss, man braucht Fitness und Einsatzwillen.
Hat es Ihnen in dieser Hinsicht an etwas gemangelt?
Nein. Zugegeben, ich hatte in den ersten Trainingseinheiten bei den Profis der Eintracht meine Startschwierigkeiten. Aber dann war mir klar, dass es nie mehr so einfach wie in der Jugend werden würde. Wenn ich das nicht kapiert hätte, wäre ich doch nie auf 118 Erstligaspiele gekommen.
In Frankfurt spielten Sie gemeinsam mit Jermaine Jones, der bis heute von Eintracht-Fans sehr kritisch gesehen wird.
Jermaine hat einen Fehler gemacht: Er hat den Fans versprochen, bei Eintracht zu bleiben, was sich im Nachhinein als Unwahrheit herausstellte. Das habe ich nie gemacht. Ich habe am Saisonende klipp und klar gesagt, dass ich die Eintracht verlassen werde und zu Schalke 04 wechsle. Ich fand es auch korrekt, in Köln bekanntzugeben, dass ich im Falle eines Abstiegs den FC verlassen würde. Andere haben damit lange hinterm Berg gehalten, aber am Ende war trotzdem ich derjenige, der auf die Fresse bekam.
Zählt im Fußball die Wahrheit nichts?
Schwer zu sagen. Aber wenn ich „Sky“ schaue, weiß ich schon während des Spiels, was Spieler und Trainer nach dem Spiel erzählen. Da sagt keiner mehr die Wahrheit. Profis erzählen, dass ihr Herz an einem Klub hängt, aber kommt ein anderer, der besser bezahlt, zählt das alles nichts. Wie passt das zusammen?
Über Geld spricht man in Deutschland eben nicht.
Aber jeder weiß, welche Rolle die Finanzen gerade im Fußball spielen.