Das absichtliche Gegentor von Leeds United war die Fair-Play-Aktion des Wochenendes. Ach was, des Jahres. Aber Marcelo Bielsa und Co. hatten auch große Vorbilder. Auch, wenn einer von ihnen schon mal als Faschist aufgefallen ist.
Weil Leeds Uniteds Mateusz Klich gegen Aston Villa ein Tor erzielte, das er nur erzielte, weil ein Spieler des Gegners am Boden lag und alle dachten, die Partie sei unterbrochen, brachen erst Tumulte und dann der Großmut aus. Denn Marcelo Bielsa, den sie auch „El Loco“ nennen, befahl seiner Mannschaft in der Folge, umgehend ein Gegentor zuzulassen. Am Ende sorgte das so enstandene 1:1 für den direkten Aufstieg von Leeds‘ direktem Konkurrenten Sheffield United. Doch nicht nur in Leeds weiß man noch, wie man Fair Play schreibt — nämlich groß.
1. Ján Popluhár
Am 6. März 2011 verstarb in Bernolakvo in der Slowakei ein einstiger Weltklasse-Verteidiger. Brasiliens Fußball-Ikone Pelé dürfte geschluckt haben, als er von der Nachricht des Todes Ján Popluhárs hörte, verband ihn mit dem slowakischen Fußballer des 20. Jahrhunderts doch eine ganz spezielle Beziehung. Bei der WM 1962 traf Brasilien in der Vorrunde auf die Tschechoslowakei, Pelé zog sich nach 20 Minuten eine Oberschenkelverletzung zu. Popluhár, damals Gegenspieler des Jahrhundert-Kickers, reagierte bemerkenswert: Anstatt einfach weiterzuspielen, machte er den Schiedsrichter, der die Verletzung nicht registriert hatte, vehement auf Pelés Pein aufmerksam. Das Spiel endete 0:0, und fünf Jahre später wanderte der Fifa-World-Fair-Play-Preis in Popluhárs Vitrine.
2. Włodzimierz Lubański
1972 war Lubańskis Jahr. Mit der polnischen Nationalmannschaft holte er bei den Olympischen Spielen in München die Goldmedaille, wurde zu „Polens Fußballer des Jahres“ erklärt und landete bei der Europafußballer-Wahl auf Platz sieben. Insgesamt bestritt Lubański 80 Länderspiele und schoss 50 Tore. Dass er 1977 freiwillig auf einen Treffer verzichtete, brachte ihm zusätzlich den Fair-Play-Preis der Unesco ein. Im WM-Qualifikationsspiel gegen Dänemark hatte der Stürmer das Tor vor Augen. Der dänische Schlussmann stürzte sich ihm entgegen. Lubanski erkannte, dass er den Kollegen verletzen könnte. Deshalb verzichtete der heute 65-Jährige darauf, volles Risiko zu gehen und zog seinen Fuß deshalb zurück.
3. Frank Ordenewitz
Der Ausspruch „Mach et, Otze“ für eine mit Absicht abgeholte Gelbe Karte gehört zu Frank Ordenewitz dazu wie der Geißbock Hennes zum 1. FC Köln. Den Fair-Play-Preis der FIFA erhielt der Mittelfeldspieler indes für eine andere Aktion. 1988 spielte Werder Bremen mit Ordenewitz in Köln. Der FC führte 1:0, als „Otze“ ein Handspiel im eigenen Strafraum unterlief. Schiedsrichter Manfred Neuner ahndete das Handspiel zunächst nicht, die Kölner protestierten jedoch so lange, bis der Referee den Täter zu der Situation befragte. Ordenewitz gestand die Regelwidrigkeit ein, die Kölner nutzten den folgenden Elfmeter, um den 2:0‑Endstand zu besiegeln. „Otze“ bereute sein Handeln später nicht: „Ich würde so etwas wieder machen. Fairplay gehört zum Sport.“ Da die Bremer zu diesem Zeitpunkt bereits als Meister feststanden, lief Ordenewitz allerdings ohnehin nicht Gefahr, in Verlegenheit zu geraten.
4. Alpay Özalan
Zutreten oder laufen lassen? Diese Frage bewegte den Türken Alpay Özalan bei der EM 1996 im Spiel gegen Kroatien. Sein Gegenspieler Goran Vlaovic war dem Verteidiger einen Schritt voraus. Zutreten oder laufen lassen? Alpay entschied sich dazu, Abstand zu wahren und Vlaovic nicht in die Parade zu fahren. Der Kroate versenkte den Ball nach einem Sprint über den halben Platz. Pazifisten aller Herren Länder jubelten, die türkische Presse hingegen schnaubte vor Wut. Alpay selbst stellte sich alsbald eine weitere Frage, die seinen späteren Karriereverlauf brandmarken sollte: Weiter fair spielen oder doch zutreten? Und diesmal verschlug es ihn auf die dunkle Seite der Macht. Unter anderem beim 1. FC Köln von 2005 bis 2008 tat der Türke alles dafür, um als Raubein der übelsten Sorte in Erinnerung zu bleiben. Der Fair-Play-Preis, den er für die noble Aktion anno ’96 von der UEFA erhalten hatte, schien da schon Lichtjahre entfernt.
5. Arsene Wenger
Im Jahr 1999 lebte der Trainer des FC Arsenal London Fairness vor, nachdem die „Gunners“ im FA-Cup-Spiel gegen Sheffield United ein Tor erzielt hatten, das ihnen als unfaires Spiel ausgelegt wurden. Nach einer Behandlungspause eines Sheffielder Spielers hätte Arsenals Nwanku Kanu den Ball in der 80. Minute eigentlich zum Gegner zurückspielen müssen, da dieser zuvor für die Unterbrechung gesorgt hatte. Der erst kurz zuvor eingewechselte Nigerianer hatte davon jedoch nichts mitbekommen, lief an den verdutzten Gegenspielern vorbei, passte zu Marc Overmars, der den Angriff vollendete. 2:1. Sieg für Arsenal. Wenger wollte das so jedoch nicht stehen lassen und bot dem Gegner ein Wiederholungsspiel an. Somit trafen sich beide Teams zehn Tage später wieder. Die Londoner gewannen – diesmal ohne Ungereimtheiten – abermals mit 2:1.
6. Paolo di Canio
Paolo di Canio, einst Jahre lang bei Lazio Rom am Ball, wirkt furchteinflößend. Parolen faschistischer Natur entsprechen seinem Habitus. Die Laziali legen ihm dafür zu Füßen, Fußball-Europa schüttelt derweil angewidert den Kopf. Fair-Play-Qualitäten hätte man daher eher einem gezinkten Würfel als dem Italiener zugeschrieben. Doch tatsächlich, als der Stürmer noch in der Premier League bei West Ham United kickte (zwischen 1999 und 2003), gab er sich einmal ganz nobel. Im Spiel gegen den FC Everton verzichtete di Canio freiwillig auf einen Treffer, obwohl der Ball nur noch darauf wartete, über die Linie gedrückt zu werden. Evertons Torhüter Paul Gerrard hatte jedoch kauernd auf dem Boden gelegen, der Stürmer fing aus diesem Grund den Ball nach einer Flanke ab und rannte auf Gerrard zu, um sich nach seinem Zustand zu erkundigen. Das Lob für diese Aktion ging di Canio einerseits runter wie der feinste Lambrusco aus Modena. Als ihm aber die Frage, ob er auch in einem Derby gegen den AS Rom so gehandelt hätte, zugetragen wurde, verlor sich di Canio in besorgniserregender Metaphorik: „Im Derby gegen die Roma würde ich mir eher die Hand abhacken lassen, als den Ball aufzuheben.“
7. Miroslav Klose
Saison 2004/05, 31. Spieltag, Elfmeter für Werder Bremen. Oder doch nicht? Miroslav Klose war von Matthias Hain im Strafraum bedrängt worden. Unfair hatte der Torsteher der Bielefelder Arminia den deutschen Nationalstürmer nicht zu Fall gebracht, die Gelbe Karte für Hain und der von Referee Herbert Fandel ausgesprochene Strafstoß entbehrten jeglicher Grundlage. Klose wusste das und schwieg nicht. Nach seinem Geständnis an Fandel nahm dieser nicht nur den Elfer, sondern auch die Verwarnung für Hain zurück. Dass es zu diesem Zeitpunkt noch 0:0 gestanden hatte (Endstand: 3:0 für Werder), rückte die Aktion noch weiter in den Mittelpunkt der positiven Rezeption. Klose erhielt für seine Ehrlichkeit zwei Auszeichnungen: die Fair-Play-Plakette des deutschen Sports von der Deutschen Olympischen Gesellschaft sowie die Fairplay-Trophäe vom Verband Deutscher Sportjournalisten.
8. Franco di Greci
Auch im Amateurfußball werden hier und da faire Gesten registriert: In der Saison 2010/11 gab es im Kreis Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) beim Kreisligaspiel zwischen dem TuS Gutenberg und dem FV Hochstätten Elfmeter für den FV. Das kuriose an der Sache: Die beiden zu Fall gekommenen Hochstätter waren nicht von Gutenberger Spielern berührt worden. Sie hatten sich selbst über den Haufen gerannt. Als Franco di Greci, seines Zeichens Torjäger beim FV, zum Elfmeter antrat, verzichtete er freiwillig auf einen möglichen Treffer: Er schoss den Ball an die Eckfahne.
9. Bastian Schweinsteiger
Als der deutsche Vorzeigekicker in der Saison 2010/11 im DFB-Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart (Endstand: 3:6) von Khalid Boulahrouz gelegt wurde, kannte Schiedsrichter Florian Meyer kein Erbarmen: Freistoß Bayern, Gelb-Rot für den Niederländer. Schweinsteiger ging kurz in sich und kam zu dem Entschluss, dass das Vergehen des Stuttgarters gar nicht so schlimm gewesen war. „Es war ein Foul, aber keine Gelbe Karte“, redete die Nummer 31 der Bayern deswegen auf Meyer ein, um dessen Entscheidung zu revidieren. Der Unparteiische blieb hart. Nach dem Spiel gab’s für den Münchner warme Worte von VfB-Coach Bruno Labbadia: „Er ist nicht nur ein guter, sondern ein ganz großer Spieler. Ein Riesenkompliment für ihn, das verdient Hochachtung.“
10. „Der Gegenspieler des Tages“
Warum die SG Olympia/Leoni den wählt, lest ihr hier »>