Inmitten einer sportpolitischen Diskussion um das Startrecht von trans*, inter* und nicht-binären Sportlern hat der DFB eine neue Regelung verabschiedet. Sie könnte wegweisend sein.
Lia Thomas ist 22 Jahre alt, sie ist Schwimmerin und sie hat einen Traum. „Ich will bei den Olympischen Trials antreten.“ Die Vorausscheidungen im US-Sport ermitteln die Teilnehmer des Landes für die Olympischen Spiele und Lia Thomas will 2024 in Paris dabei sein. Das Problem: Sie wird es nicht. Jedenfalls nicht als Schwimmerin. Denn Lia Thomas gehört zwar in ihrer Disziplin zu den Besten, doch sie ist transsexuell. Und der Schwimm-Weltverband Fina hat am Sonntag beschlossen, dass trans Athletinnen ausgeschlossen werden, sollten sie ihre Geschlechtsangleichung nach dem zwölften Lebensjahr begonnen und somit die männliche Pubertät durchlaufen haben.
Der Fall von Lia Thomas gehört zu den kompliziertesten Fällen des Weltsports, weil die US-Amerikanerin nun einmal zu den erfolgreichsten Sportlerinnen ihres Landes gehört. Weil sie, wie die meisten trans Personen, ihre Geschlechtsangleichung aber in einem weitaus späteren Lebensalter vornehmen ließ, wird sie nicht als Frau bei offiziellen Wettbewerb starten dürfen. Das neue Reglement des Verbands kommt auch deshalb für viele Experten einem Ausschluss gleich. Weshalb in dieser Woche auch der DFB eine Regelung für trans Fußballer*innen getroffen hat – der gegensätzlicher kaum sein könnte.
„Jeder Mensch sollte diskriminierungsfrei Fußball spielen können“
Geht es nach dem Deutschen Fußball-Verband sollen ab der kommenden Saison 2022/23 alle trans*, inter* und nicht-binären Personen selbst entscheiden, ob sie eine Spielberechtigung für den Frauen- oder Männerfußball erhalten. „Mit der Regelung des Spielrechts schaffen wir weitere wichtige Voraussetzungen, um auch Spieler*innen unterschiedlichster Geschlechteridentitäten das Spielen zu ermöglichen“, sagt Thomas Hitzlsperger, DFB-Botschafter für Vielfalt.
Dabei reagiert der Verband auf die seit 2018 bestehende Möglichkeit, sich im Personenstandseintrag für „divers“ oder „keine Angabe“ zu entscheiden. Bisher war das eingetragene Geschlecht, also „männlich“ oder „weiblich“, dafür verantwortlich, in welcher Mannschaft die Person spielt. Bereits 2019 hatte der Berliner Fußballverband eine Regel umgesetzt, um auf die neue Situation reagieren zu können. Nun zog der DFB nach. Die Regel soll für alle Teams im Amateur- und Jugendbereich sowie im Futsal gelten.
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„Damit unterstreicht der DFB seine Bemühungen um Akzeptanz und Teilhabe von LSBTIQ im Fußball“, sagte der Queer-Beauftragter der Bundesregierung Sven Lehmann der dpa,. „Mit der neuen Regelung kann der Fußball seine Vorbildfunktion unter Beweis stellen. Jeder Mensch sollte diskriminierungsfrei Fußball spielen können.“
Die Entscheidung des DFB könnte durchaus richtungsweisend sein. Aktuell, so heißt es, überprüfen auch die FIFA und der englische Fußballverband ihre Regelungen für trans Athlet*innen. Laut der englischen Zeitung The Times würden sich Beobachter der FIFA „die neuen Regeln der Fina sehr genau ansehen“. Bereits jetzt wird der neue Weg, den der Schwimmverband eingeht und zu dem auch die umstrittene, weil ungenaue Geschlechtsprüfung durch Chromosomentests zählt, von vielen kritisiert. Auch Klagen gegen die Entscheidungen sind denkbar. Für Lia Thomas, die im Vergleich mit männlichen Schwimmern zu den 500 Besten zählte, bei Wettbewerben gegen Frauen aber sogleich an die nationale Spitze schwamm, dürfte der Traum von Olympia vorerst beendet sein.