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Das Spiel war nicht mal 24 Stunden alt, da wurden die Mythen geboren. Die ita­lie­ni­sche Repubblica“ titelte Post­karte aus der Hölle“, ein Jour­na­list schrieb Gott ist ein Scouser“, und unser Tor­wart Jerzy Dudek wid­mete den Sieg sogar dem Papst. Und so ging es weiter. Bis heute. Jeder Aspekt des Spiels wurde ein kleines biss­chen über­höht. Die Leute berich­teten von Rafael Benitez’ Halb­zeit­an­sprache, als seien sie selbst dabei gewesen. Er habe vor uns die Taktik seines Lebens aus­ge­breitet, andere glaubten, in der Kabine herrschte pures Chaos. 2009 ent­stand sogar der Kurz­film 15 Minutes That Shook the World“, in dem die Kabi­nen­si­tua­tion mit Benitez, mir und einigen Spie­lern nach­ge­stellt wurde. Benitez sagt in diesem Film: What is Hamann? What has he got? He smokes, he drinks, he uses pot! But he will shine, he’ll close our ranks!“ Danach schickt er mich, seinen Kraut, in die Schlacht. Der gute alte bri­ti­sche Humor.

Eine Kurve ganz in Rot

All die Geschichten sind zwar schön anzu­hören, aber letzt­end­lich kam es nur auf eine Sache an: Wir brauchten ein ver­dammtes Tor, um zurück ins Spiel zu kommen. Sie finden, das klingt ein­fach? Viel­leicht! Doch der Weg dahin war steinig.

Ich hatte mich wochen­lang auf das Finale gefreut, ich malte mir den Gang in das mit 70.000 Zuschauern gefüllte Ata­türk-Sta­dion aus. Eine Kurve ganz in Rot, 30.000 Fans aus Liver­pool, die Wahn­sin­nigen, die uns überall hin folgten. Wir würden frei auf­spielen, denn wir gingen ohne Druck in das Spiel, wir waren gegen den AC Milan klarer Außen­seiter.

Doch der größte Tag meines Fuß­bal­ler­le­bens begann mit der größten Ent­täu­schung: Benitez erklärte mir, dass er mit Harry Kewell statt mir beginnen würde. Gerade nach dem Halb­fi­nale gegen Chelsea, in dem ich eine gute Figur gemacht hatte, über­raschte mich das. Doch wie heißt es: Mund abwi­schen, wei­ter­ma­chen. In dem Fall: Trai­nings­jacke anziehen, Ersatz­bank. Von dort aus sah ich die grau­samsten 45 Fuß­ball­mi­nuten seit langem. Es ging alles schief. Der Minu­ten­an­zeiger hatte noch keine ganze Umdre­hung hin­ge­legt, da machte Paolo Mal­dini das 1:0 für Milan, und Hernan Crespo erhöhte mit einem Dop­pel­pack vor der Pause auf 3:0. Was war denn hier los? Würden wir als die Deppen mit der höchsten Final­nie­der­lage in die Geschichte der Cham­pions League ein­gehen?

Trainer, bei mir geht nichts mehr.“

Mit gesenkten Köpfen ging es in die Kabine. Rafael Benitez, dieser coole Typ, stand da und malte auf der Tak­tik­tafel herum. Er nahm Djimi Traore aus der Elf, der sofort im Dusch­raum ver­schwand. Doch dann mel­dete sich Steve Finnan: Trainer, bei mir geht nichts mehr.“ Traore, mitt­ler­weile nackt, wurde zurück­ge­rufen und streifte sein ver­schwitztes Jersey wieder über. Irgendwie herrschte nun doch kurz Chaos. Auf einmal standen zehn, dann zwölf Spieler auf der Tak­tik­tafel. Was danach geschah – keine Ahnung. Benitez schickte mich zum Warm­ma­chen. Ich joggte aufs Feld und fragte mich noch: Bin ich sein Spieler für die Scha­dens­be­gren­zung?