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Horst Ehrm­an­traut wurde am 11. Dezember 1955 geboren und spielte in seiner Kar­riere unter anderem für Hertha BSC und den FC 08 Hom­burg. Als Trainer arbei­tete er unter anderem fünf Jahre in Meppen. Dieses Inter­view erschien erst­mals im März 2014 in 11FREUNDE #148.

Horst Ehrm­an­traut, am besten wir bringen die Sache mit dem Gar­ten­stuhl gleich hinter uns. Haben Sie damals geahnt, was der für eine Kar­riere machen würde?
Das nicht, aber ich habe mir schon etwas dabei gedacht. Damals spielte Ein­tracht Frank­furt, dieser stolze Verein, nur in der zweiten Liga. Frank­furt ist ja die deut­sche Ban­ken­me­tro­pole, und in dieser Branche sind Men­schen tätig, die anders denken und han­deln als das gemeine Volk. Da ging es mir darum, einen Kon­tra­punkt zu setzen: Schluss mit Ban­ker­stadt und Den­ker­stadt, statt­dessen hart arbeiten.

Also …

bat ich unseren Lizenz­spiel­leiter, in den Bau­markt zu gehen und mir den güns­tigsten Stuhl zu besorgen, den es dort gab. Mit dem habe ich mich bei den Spielen an den Spiel­feld­rand gesetzt. Es hat nicht lange gedauert, bis das Ding in aller Munde war.

Heute steht der Stuhl im Ein­tracht-Museum.
Darauf bin ich im Nach­hinein stolz. Damals war mir nicht bewusst, was solch ein Stuhl aus dem Bau­markt bewirken kann. Der hatte noch andere Vor­teile: Man konnte ihn als Trainer richtig schön quälen. Er wurde getreten und weg­ge­worfen, aber auch geliebt, gestrei­chelt und geküsst.

Sie stammen aus Einöd, einem win­zigen Ort im Saar­land.
Mein Weg in den Fuß­ball war ziem­lich unge­wöhn­lich. Noch in der D‑Jugend hatte ich es nicht mal in die D1 meines Hei­mat­ver­eins geschafft. Und als ich mit 19 für ein Grund­ge­halt von 300 Mark brutto im Monat zum ört­li­chen Zweit­li­gisten FC Hom­burg wech­selte, hatte ich bis dahin nur Kreis­klasse gespielt.

Wie kamen Sie in Hom­burg zurecht?
Ich schmales Kerl­chen war rein kör­per­lich nicht der gebo­rene Pro­fi­fuß­baller. Als Stürmer hatte ich anfangs keine Chance, bis sich der linke Ver­tei­diger in einem Spiel gegen Röch­ling Völk­lingen das Schien­bein brach. Trainer Uwe Kli­ma­schewski hat mich auf dieser Posi­tion gebracht, es hat funk­tio­niert, und damit war ich ers­tens Stamm­spieler und zwei­tens für den Rest meines Lebens linker Ver­tei­diger. Irgend­etwas muss Klima damals in mir gesehen haben.

Hat er es nicht erklärt?
Nein, das war nicht so ein­fach. Klima war ja ein ker­niger Kerl, der nicht ganz leicht zu hän­deln war.

Es heißt, er habe mal den Platz­wart zum Tor­schuss­trai­ning an den Pfosten gebunden.
Oh ja, ich war dabei. Heute lacht man dar­über. Klima hat damals noch ganz andere Sachen gemacht. Wenn Gast­spieler zum Pro­be­trai­ning da waren, hat er sie mit der beton­schweren Hand­walze um den Platz rennen lassen und die Zeit gestoppt. Oder die Pro­be­spieler mussten unter der Dusche bei erschwerten Bedin­gungen mit dem Ball jon­glieren. Die haben natür­lich alles mit­ge­macht, weil sie unbe­dingt einen Ver­trag wollten.

Mit 23 Jahren heu­erten Sie bei Ein­tracht Frank­furt an.
Die 160 Kilo­meter von Hom­burg nach Frank­furt waren für mich wie der Schritt in eine andere Welt. Gra­bowski. Pezzey. Körbel. Nickel. Höl­zen­bein. Bum Kun Cha. Ronnie Bor­chers. Nor­bert Nacht­weih. Leider kam ich anfangs über­haupt nicht zurecht.

Warum nicht?
Trainer Friedel Rausch und Manager Udo Klug hatten mich geholt, trotzdem habe ich vom ersten Tag an Ableh­nung gespürt. Heute kann ich es viel­leicht ein biss­chen erklären. Mög­li­cher­weise lag es daran, dass ich das Trai­ning nicht richtig ver­standen habe. In Hom­burg haben wir sehr ein­fach trai­niert, und nun ging es auf einmal um Taktik und moderne Trai­nings­in­halte. Allein das ganze Stret­ching hatte ich bis dahin nicht gekannt. Wenn man nur mal den Bum Kun Cha nahm: ein Ästhet vor dem Herrn. Ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich gar nicht dehnte, son­dern Bum Kun Cha dabei zusah. Der hatte eine Mus­ku­latur und ein Dehn­ver­halten, das war ein Genuss! Wie auch immer: Ich war ein eta­blierter Zweit­li­ga­spieler und habe im ersten halben Jahr ein ein­ziges Mal auf der Bank gesessen und ansonsten auf der Tri­büne.

Das hat sich in der Rück­runde schlag­artig geän­dert.
Ich habe trai­niert, als ob jeder Tag für mich ein End­spiel wäre. Damals sahen bei jedem Ein­tracht-Trai­ning 100 oder 200 Rentner zu, und die machten irgend­wann Sprüche in Rich­tung Rausch: Friedel, jetzt musst du aber mal den Ehrm­an­traut bringen!“ In der Rück­runde habe ich fast alle Bun­des­li­ga­spiele und die Euro­pa­po­kal­spiele absol­viert, inklu­sive der End­spiele gegen Mön­chen­glad­bach.

War der Tri­umph im UEFA-Cup bereits Ihr Kar­rie­re­hö­he­punkt?
Im Grunde ja. Aber ich habe dann eines gemacht: Obwohl ich einen Zwei­jah­res­ver­trag hatte, sagte ich mit dem für mich bril­lanten halben Jahr im Rücken: Liebe Leute, ich will den Verein ver­lassen!“ Weil ich immer noch sauer war, dass ich zuerst so ver­kannt wurde.

Warum sind Sie aus­ge­rechnet zu einem Zweit­li­gisten gegangen?
Heute klingt es ver­rückt, aber damals war es für mich nach­voll­ziehbar, weil Hertha BSC wie auch Ein­tracht Frank­furt ein Tra­di­ti­ons­verein war. Dass Hertha Zweit­li­gist war, hat mir nichts aus­ge­macht. Eher hab ich gedacht: In einer Stadt wie Berlin mit solch einem Verein den Auf­stieg zu schaffen, muss gigan­tisch sein.