Mit seinen Auftritten als Disco-Besitzer Helmut in „Manta, Manta“ und Kommissar Jupp Schatz in „SK Kölsch“ hat sich Uwe Fellensiek unsterblich gemacht. Für 11FREUNDE erzählt der begeisterte Fußball-Nerd ab sofort seine schönsten Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten Fandasein. Den Anfang von „Groundhopping mit Uwe Fellensiek“ macht ein denkwürdiger Trip nach Schottland.
Am 7. Juni 2003 reiste ich nach Schottland. Genauer gesagt: Nach Glasgow, um die dortige Partie des Gastgebers gegen Deutschland im Zuge der EM-Qualifikation zu sehen. Zu der Zeit spielte ich bereits im sechsten Jahr für die damalige Sat.1 Serie „SK Kölsch“ den Kommissar Jupp Schatz. Anders als in meiner Rolle bin ich nicht Fan des 1.FC Köln, sondern des VfL Bochum, doch das spielte bei einem Länderspiel der Deutschen Nationalmannschaft keine Rolle. Aber dass ich als Schauspieler in einer wöchentlichen Prime-Time-Serie beim normalen, fußballinteressierten Bürger zu einer ziemlich prominenten Person geworden war, hatte ich bis zu diesem Ausflug gar nicht richtig realisiert. Das brachte mich letztlich in eine bemerkenswerte Situation.
„Ey, guckt mal Leute, das ist der Typ aus´m Fersehn!“
Zusammen mit zwei Freuden war ich mit dem Flugzeug angereist und hatte mich in einem Hotel in der Innenstadt einquartiert. Schon am Kölner Flughafen wurde ich am frühen Morgen von bereits angetrunkenen Fans erkannt. Mit einer Salve FC-Schlachtgesänge wurde ich wie selbstverständlich Teil der abgesoffenen Gemeinde. Die paar Autogrammkarten, die ich in meiner Jackentasche dabei hatte, mussten bis auf einen kleinen Rest unterschrieben und verteilt werden, der Spuk hatte erst ein Ende, als wir endlich im Flieger Platz genommen hatten.
In Glasgow angekommen ging der Rummel weiter. Am Gepäckband, am Taxistand – es brauchte nur einen, der sich an mein Gesicht erinnerte, und das Lauffeuer wurde in Gang gesetzt: „Das sind Sie doch, oder? Sie sind doch der eine da, aus´m Fersehn, ne? Ey, guckt mal Leute, das ist der Typ aus´m Fersehn, ey, super!“ Ständig war ich umringt von Menschen, die mich wie einen alten Kumpel behandelten und mich um Autogramme auf Trikots, Hemden, Jacken, Armen und Beinen sowie um gemeinsame Fotos baten. Was ich natürlich freundlich und bereitwillig erledigte. Nachdem wir in unserem Hotel eingecheckt hatten, statteten wir zusammen mit Arne Friedrichs Freundin Lynn, mit der wir uns verabredet hatten, dem Mannschaftshotel der Deutschen einen Besuch ab. Wir trafen uns mit meinem Kumpel Slavo „Paule“ Freier, der damals, wie auch heute wieder, Spieler meines VfL und im Aufgebot für dieses Spiel war, machten Fotos und quatschten ein wenig mit Arne und Marco Rehmer, der uns die Karten für das Spiel gegen die Truppe von Berti Vogts besorgt hatte. Auch für die wartenden Fußballfans außerhalb des Hotels war ich überraschenderweise ein bevorzugtes Objekt der Begierde, was mir in unmittelbarer Nähe von Ballack, Klose und Co. doch recht imponierte.
„Mensch Uwe, du bist ja bekannt wie´n bunter Hund. Und das in Schottland!“
Anschließend warfen wir einen Blick auf Glasgow, tranken ein paar Bier und ließen uns zurück zu unserer Bleibe kutschieren. Dass ich dabei immer wieder um Autogramme gebeten wurde und sich dies dann im Hotel und besonders auf dem Weg zum Stadion außergewöhnlich häufte, überraschte und beunruhigte mich dann doch ein wenig. Wahnsinn, wie so eine Dauerpräsenz im Fernsehen die Wahrnehmung bei den Menschen beflügeln kann, dachte ich. Nie zuvor hatte ich das in solchem Ausmaß erlebt. Auch meine beiden Freunde konnten sich ein Staunen über diese unwirkliche Situation nicht verkneifen: „Mensch Uwe, du bist ja bekannt wie´n bunter Hund. Und das in Schottland!“
Das schmeichelte mir zwar, konnte aber so nicht weiter gehen. Ich brauchte eine Tarnung. Also steuerte ich eine Bude mit Devotionalien an, und kaufte für meine Jungs und mich eine Art Schottenmaske: Karierte Schottenmützen mit seitlich angeklebten roten Haaren. Dazu setzte ich meine dunkle „Nicholson“ Ray Ban Sonnenbrille auf und beendete den Spuk.
Dachte ich.
Nachdem wir im Hampton Park Einlass gefunden hatten, suchten wir unsere Plätze auf der Haupttribüne. Halbe Höhe Mittellinie, vom Feinsten. Besser ging es nicht. Etwa eine Viertelstunde vor Spielbeginn nahm ich aus dem Augenwinkel Fotografen wahr, die sich vom Tribüneneinlass hinauf zu uns orientierten. Nur wenige Meter vor unseren Plätzen bauten sie sich auf und begannen zu fotografieren. Die Menge wurde immer größer, aus Platzmangel fingen sie schließlich an, um die besten Positionen zu rangeln und zu raufen. Ich konnte das nicht begreifen. Ich trug noch immer die Schottenmaske und die schwarze Sonnenbrille. Wie konnte es möglich sein, dass man mich mit dieser extremen Maskierung erkannte? Meine Freunde links und rechts neben mir verstanden die Welt nicht mehr und begannen ob des Unglaublichen verlegen zu kichern. Mein Freund Mats aus Schweden, mit dem ich seit Jahren zu vielen großen Fußballspielen überall in Europa reise, schaute mich bewundernd an, nahm scheinbar entlarvt seine Maske ab und flüsterte mir etwas übertrieben pathetisch zu: „Ouwä, du hast es gäschafft.“
„Fuck off, asshole and sit down, you cunt!“
Den Satz ließ ich ein wenig wirken. Dann stand ich ergriffen auf, bedankte mich mehrsprachig und höflich bei der immer noch wild fotografierenden Meute, reckte die Daumen in die Luft, machte lächelnd das Victory-Zeichen und bat schließlich freundlich darum, den Platz nun doch endlich freizugeben, damit die anderen zahlenden Zuschauer ihr Recht zur freien Sicht auf das Spielfeld wahrnehmen könnten, wo bereits die Kapelle für die Nationalhymnen Aufstellung genommen hatte. Dabei entdeckte ich ein paar Sitze neben mir meinen Kumpel Wolfgang Niedecken und warf ihm, ob der mir etwas peinlichen Situation, Achseln zuckend entschuldigende Blicke zu. Ich war vollends verwirrt, als einige der Fotografen mich in barschem Ton nun ihrerseits aufforderten mich hinzusetzen, oder verdammt noch mal aus dem Bild zu gehen: „Fuck off, asshole and sit down, you cunt!“ So was in der Art.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich mich schließlich verunsichert zunächst rechts und links umschaute und mich dann, einigen bösen Blicken folgend, nach hinten umdrehte. Der Mann, der da im anthrazitgrauen Armani-Anzug hinter mir stand und lässig posierte, kam mir irgendwie bekannt vor. „Yes Rod, great Rod, you´re fantastic, Roddy!“ Klar doch. Seine Frisur war unverkennbar. Der Mann war Rod Stewart.
„Show your ass, if you hate England“
Epilog:
Es war nur ein Aspekt dieses grotesken Erlebnisses, dass mein Kumpel Mats Mr. Stewart in der Halbzeitpause ehrfürchtig um ein Autogramm bat. Da Herr Stewart nichts zu schreiben dabei hatte, hielt ihm Mats schnell einen Stift und die Rückseite eine meiner letzten Autogrammkarten hin, auf die der große Mann des Pop-Rock dann seinen Namen kritzelte. Das Spiel endete übrigens 1:1. Ein Grund zum Feiern für die schottischen Fans. „Show your ass, if you hate England“, schallte es aus den Pubs und und immer wieder hoben sie ihre karierten Röcke und zeigten ihre nackten, weißen Hinterteile. Die deutschen Fans und auch wir sangen mit. Aus reiner Solidarität, versteht sich. Irgendwann, einige Pubs später, tief in der Nacht, fragte mich Mats nach der Autogrammkarte, die er mir angeblich zurückgegeben hatte. Als ich sie nicht fand, wurde ihm klar, das jetzt ein anderer deutscher Fan mein Foto mit Rod Stewarts Unterschrift in der Tasche durch Glasgow spazieren trug.