Erik ten Hag will Manchester United mit Disziplin zu alter Stärke führen. Seine Art erinnert sogar ein wenig an Sir Alex Ferguson. Kann der Holländer die großen Fußstapfen ausfüllen?
Als Erik ten Hag im Juli 2013 zum ersten Mal auf der Trainerbank seines neuen Arbeitgebers Platz nahm, führte ihn sein erstes Spiel in den Sportpark Heimstätten in Kirchheim bei München. Gerade hatte er die zweite Mannschaft des FC Bayern in der Regionalliga mit Spielern wie Tobias Schweinsteiger, Benno Schmitz oder Leopold Zingerle übernommen. Seine Mannschaft siegte mit 6:0 bei Heimstätten vor rund 1.800 Fans, die meisten unter ihnen Anhänger der Bayern. Ten Hags Fazit nach dieser Machtdemonstration durch seine Spieler fiel dennoch ernüchternd aus: „Es war gut, aber nicht gut genug. Da sind noch viele Sachen, die wir verbessern müssen.“ Diese Aussage ist ein Zeugnis der Akribie, die bereits damals im Niederländer steckte. Genauigkeit und Disziplin, das sind noch heute Grundpfeiler seiner Arbeit.
Neun Jahre sind seitdem vergangen, ten Haag ist zu einem der gefragtesten Trainer Europas geworden. Die auf die Regionalliga Bayern folgenden Stationen beim FC Utrecht in der niederländischen Eredivisie und vor allem bei Ajax Amsterdam machten ten Hag bekannt. Besonders die märchenhafte Amsterdamer Saison 2018/19 in der Champions League weckten Begehrlichkeiten vieler Topklubs Europas. Häufig wurde sein Name gehandelt, wenn irgendwo ein Trainerstuhl frei wurde, bis er in diesem Sommer Ajax verließ. Manchester United soll rund 2 Millionen Euro Ablöse gezahlt haben.
Von ihm erhoffen sich die Verantwortlichen im Nordwesten Englands, endlich wieder zur Spitze der Premier League aufzuschließen. Und dabei vertraut der neue Coach auf die gleiche Gewissenhaftigkeit wie einst bei Bayern II und Ajax. Denn im Starensemble um Cristiano Ronaldo, dessen Zukunft weiter ungewiss ist, setzt ten Hag auf strenge Regeln: Alkoholverbot in Wochen mit Spielen (und somit praktisch in der ganzen Saison), Geldstrafen bei Verspätungen oder regelmäßiges Wiegen. Laut englischen Medienberichten empfiehlt er seinen Spielern sogar, nur noch die vereinseigenen Köche statt der privaten Küchenchefs in Anspruch zu nehmen. Ten Hag möchte für den Weg zurück an Englands Spitze nichts dem Zufall überlassen.
Dabei stieß seine penible Art bei früheren Stationen auf Widerstand. Als ten Hag Ende 2017 Trainer bei Ajax wurde, störten sich viele an seiner übertrieben erschienenen Genauigkeit. Anekdoten von Heftern und Mappen mit auf Wochen bis ins kleinste Detail vorbereiteten Trainingsplänen hefteten schon vorher an ihm. Im kosmopolitischen Amsterdam störten sich Kritiker außerdem an seinem ländlichen Akzent, ten Hag stammt aus der Region um Enschede nahe der deutschen Grenze. Nach der vorentscheidenden Niederlage in der Meisterschaft bei Eindhoven (0:3) im April 2018 stürzten sich niederländische Medien auf den Trainer. „Ten Hags obsessive Arbeitsweise bringt keine Fortschritte“, schrieb das Algemeen Dagblad. Der Sportkommentator Jack van Gelder vertrat auf Twitter die Meinung: „Dieser Mann ist vollkommen ungeeignet für Ajax.“
Fast genau ein Jahr danach befand sich ten Hag auf dem Höhepunkt seines Schaffens in Amsterdam. Ajax trotzte den Bayern in der Champions League zwei Unentschieden ab, knockte erst Real, dann Juve aus. In der selben Saison holte der Klub mit dem Double aus Meisterschaft und Pokal die ersten Titel seit fünf Jahren. Trophäen erhoffen sie sich auch in Manchester endlich wieder. Die wichtigste, den Meisterpokal, holte noch der große Sir Alex Ferguson, da war ten Haag noch nichtmal Trainer bei Bayern II. Moyes, van Gaal, Mourinho, Solskjaer – für sie alle waren die Fußstapfen Fergusons zu groß. Und für ten Haag?
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