Morgen startet in Ägypten der Afrika Cup. Damit ihr beim Smalltalk nicht aus dem Mustopf kommt, haben wir das beste Angeber-Wissen ausgebuddelt. Winnie Schäfer, übernehmen Sie!
1.
Der erste Afrika Cup fand 1957 mit ganzen drei Teilnehmern statt: Ägypten, Äthiopien und Gastgeber Sudan. Südafrika wollte ebenfalls antreten, wurde aber aufgrund der Politik der Apartheid vom Turnier ausgeschlossen. So qualifizierte sich Äthiopien direkt für das Finale. Dort unterlag die Mannschaft Ägypten mit 0:4. Alle vier Tore schoss Mohamed Ad-Diba, der später zum Spieler des Turniers gewählt wurde. Noch später schlug er die für einen Profifußaller ungewöhnliche Karriere eines Schiedsrichters ein und leitete 1968 das Finale des Afrika Cups zwischen Kongo und Ghana.
2.
In der Geschichte des Afrika Cups standen zahlreiche deutsche Trainer an den Seitenlinien. So etwa der Mündener Peter Schnittger, ein Fußball-Globetrotter wie er im Buche steht. Bis heute arbeitete er unter anderem in der Elfenbeinküste, Thailand, Benin, Madagaskar oder Algerien. Im März 1972 erreichte er mit der kamerunischen Nationalelf das Afrika-Cup-Halbfinale im eigenen Land. Vor 50.000 Zuschauern im Nationalstadion von Yaoundé lag Kamerun gegen den Kongo schnell 0:1 hinten, die Funktionäre kochten vor Wut. Als Schnittger zur Halbzeit in den Katakomben verschwand, stellte sich mit einem Mal ein Mann in seinen Weg und forderte eine neue Taktik sowie diverse Spielerwechsel. Schnittger reagierte empört, er wollte sich „von einem Laien nichts sagen lassen“. Blöd nur, dass jener Laie was zu sagen hatte. Es war der Kultusminister des Landes und im Auftrag von Staatspräsident Ahmadou Ahidjo gekommen. Es nützte alles nichts, Schnittger hielt an seiner Taktik fest, Kamerun schied aus. Danach trugen Berater von Ahidjo die Idee vor, Schnittger in Haft zu nehmen. Zum Glück für Schnittger lehnte Ahidjo ab. Allerdings nicht aus Güte, sondern weil er Rücksicht auf die Sportpolitik nehmen musste.
3.
Besser lief es für Winnie Schäfer, der 2002 mit Kamerun den Afrika Cup gewann. Im Finale siegten seine Löwen nach Elfmeterschießen gegen den Senegal. Ein entspannter Cup war es für Schäfer allerdings nicht, ihm machte vor allem die Hitze in Mali zu schaffen: 45 Grad im Schatten und keine Klimanlage in den Hotels. Besonders schlimm sollen die Mahlzeiten gewesen sein. Schäfer erinnerte sich später: „Uns wurde Fleisch serviert, das seit Tagen in der Küche auf dem Boden lag und auf dem sich ein Teppich voller Fliegen ausgebreitet hatte, 1000, 10.000 Fliegen. Ich habe in den drei Wochen über sieben Kilo abgenommen. Meine Frau sagte, ich hätte da ruhig nochmal hinfahren können.“
4.
Kaiserslauterns Spieler Hany Ramzy nahm mit Ägypten ebenfalls am Turnier in Mali teil. Er kehrte mit Tuberkulose heim. Die „Bild“ wusste sofort Bescheid: „Er hat sich in Afrika angesteckt!“ Für Ramzy ging es direkt vom Frankfurter Flughafen in ein Krankenhaus, wo er einige Zeit in Quarantäne lag. Der Weltenbummler-Trainer Otto Pfister konnte die Aufregung damals nicht verstehen. Sein Fazit: „Organisatorisch muss sich der Afrika Cup hinter keiner Europa- oder Südamerikameisterschaft verstecken.“
5.
Ein bisschen Statistik: Bei 16 Afrika Cups gewannen Mannschaften, die von Europäern oder Südamerikanern trainiert wurden. Der erfolgreichste Trainer ist allerdings der Ägypter Hassan Shehata. Er gewann mit seinem Team 2006, 2008 und 2010 den Afrika-Cup. 2010 kündigte er an, dass er fortan nur noch Spieler einsetzen wollte, die regelmäßig zu Allah beten: „Ohne gottesfürchtiges Verhalten werde ich nie einen Spieler aufstellen, unabhängig von seinem Potenzial.“ 2011 trat er zurück, Ägypten war in der Qualifikation zum Afrika Cup gescheitert. Hatte da jemand nicht gebetet?
6.
Noch ein bisschen mehr Statistik: Laut transfermarkt.de ist Moh Salah mit einem Marktwert von 150 Millionen Euro der wertvollste Spieler beim diesjährigen Afrika Cup. Morgen trifft er mit seiner Mannschaft Ägypten zum Eröffnungsspiel des Turniers auf Simbabwe. Der Marktwert des gesamten Simbabw-Kaders beträgt 21,1 Millionen Euro.
7.
Ein paar Spitznamen der Teilnehmerländer:
Black Stars (Ghana)
Die Elefanten (Elfenbeinküste)
Die Adler von Karthago (Tunesien)
8.
Eigentlich sollte das Turnier 2015 in Marokko stattfinden, doch der marokkanische Fußballverband erklärte Ende 2014, das Turnier wegen der Ebolafieber-Epidemie in Westafrika nicht im Januar 2015 autragen zu wollen. Der afrikanische Fußballverband brauchte also rasch einen neuen Gastgeber: Die Wahl fiel auf Äquatorialguinea, wo die Meisterschaften bereits 2012 stattfanden. Die Fußball-Erfolge dieses Landes (etwa so groß wie Brandenburg) sind überschaubar: Null Teilnahmen bei Weltmeisterschaften, eine Teilnahme beim Afrika Cup 2012 (damals ebenfalls als Gastgeber). Immerhin gewann die äquatorialische Nationalmannschaft 2006 den CEMAC-Cup, ein Turnier, bei dem die Nationen Mitglieder der CEMAC (Communauté économique monétaire de l’Afrique Centrale) sein müssen. Das heißt: Hier treffen Mannschaften aus Tschad, Kongo, Gabun und Zentralafrika aufeinander. Gelegentlich spielt auch Kamerun mit. Gegen die gewann Äquatorialguinea auch das Finale von 2006 im Elfmeterschießen. Kleiner Schönheitsfehler: Der kamerunische Verband hatte zu diesem Turnier eine Amateur-Auswahl geschickt.
9.
Mannschaften, die es wirklich gibt:
King Faisal Babies FC Kumasi, Ghana
10.
Eine der lustigsten Figuren in der Geschichte des afrikanischen Fußballs ist der Togolese Tchanilé Bana. 2002 betreute er Togos Nationalteam, allerdings war sein Engagement nicht von Erfolg gekrönt, beim Afrika Cup in Mali schied Togo bereits in der Vorrunde aus. Doch Bana durfte im Amt bleiben. Erst 2009 wurde er entlassen, nachdem er zu einem Turnier in Kairo eine togolesische Nationalmannschaft anmeldete, die allerdings ausschließlich aus Spielern seines privaten Ausbildungszentrums bestand. Grotesk wurde es im September 2010. Bei der FIFA wurde ein Länderspiel zwischen Bahrain und Togo angemeldet, das staatliche Fernsehen übertrug die Partie. Togo unterlag bei diesem Auswärtsspiel 0:3, und Bahrains Trainer Josef Hickersberger unkte: „Die waren physisch so schwach, die konnten kaum 90 Minuten auf den Beinen stehen.“ Nachforschungen ergaben bald, dass der togolesische Verband nie eine Mannschaft nach Bahrain geschickt hatte. „Die Spieler, die an diesem Match teilgenommen haben, waren nicht echt. Das waren Hobbyspieler“, sagte Interimspräsident Seyi Memene. Bana, der diesen Zirkus inszeniert und dafür 150.000 Dollar Antrittsprämie erhalten hatte, wurde vom nationalen Fußballverband für drei Jahre gesperrt.
11.
Ein Bundesligaspieler wurde 1992 zur tragischen Figur im Elfmeterschießen zwischen Ghana und der Elfenbeinküste. Im dramatischsten Finale in der Turniergeschichte verschoss Anthony Baffoe (u.a. Fortuna Düsseldorf) beim Stand von 10:11 den letzten Elfmeter. Später sagte er: „My soul was empty! Es war ein minutenlanges Gefühl der Leere, das mich überfiel. Ich habe mir dann aber überlegt, dass es besser war, dass ich verschossen habe, als irgendein junger Spieler. Und der Fehlschuss hat mich in Afrika wohl sogar noch bekannter gemacht als vorher. Ich habe aber auch danach weiter Elfmeter geschossen – und verschossen.“ Später wurde Baffoe Manager der Black Stars und Verantwortlicher für internationale Beziehungen. Die „Welt“ nannte ihn den „Oliver Bierhoff von Ghana“.
12.
Top-Google-Vorschläge:
Anthony Yeboah… Badesalz
JayJay.… Knüppel Klopp
Jonathan Akpoborie… Sklavenschiff
Winnie Schäfer… Tauchen
Volker Finke… Strandkorb
13.
1996 ging in Südafrika alles drunter und drüber. Die Spiele waren hart und ruppig wie selten zuvor. In 29 Partien gab es allerdings nur vier Mal die Rote Karte. „In Europa wären es dreißig Platzverweise gewesen“, polterte Kalusha Bwalya (Sambia) nach dem Turnier. Bundesligaprofi Abedi Pele (Ghana) wurde in der Vorrunde und im Viertelfinale so heftig von seinen Gegenspielern bearbeitet, dass er im Halbfinale gegen Südafrika nicht auflaufen konnte. Pele bestimmte daraufhin, dass sein Bruder Kwane Ayew seinen Platz gegen Südafrika einnahm. Als Anthony Yeboah daraufhin den brasilianischen Trainer Ismael Kurtz fragte, warum Pele die Aufstellung mache, antwortete dieser: „Weil Pele es so will.“ Ghana verlor 0:3. Der anwesende deutsche Bundestrainer Berti Vogts bemerkte fachkundig: „Ayew führte nur seine Rastalocken spazieren.“
14.
Anthony Yeboah wurde 1988 beim Afrika Cup von einem ehemaligen Streifenpolizisten aus Hessen entdeckt. Er wechselte daraufhin vom ghanaischen Erstligisten Okwawu United zum 1. FC Saarbrücken. Später ging er zu Eintracht Frankfurt. „Er ist der einzige Schwarze, der mir sympathisch ist“, schenkelklopfte Oskar Lafontaine einmal. Yeboah gab derweil erfrischende Interviews. In seinem ersten Interview sprach er über Frauen („Alle deutschen Frauen mögen mich, ich weiß auch nicht wieso“) und seine Lieblingsfernsehsendung („Neben der Sportschau mag ich vor allem Alf“). 1992 sagte er dann den Satz, der heute zum Standard aller 39.485 Fußball-Sprüchebücher zählt. Auf die Frage eines Spiegel-Reporters, ob er sich mit einem BMW, Reihenhaus und Vorgarten wie ein deutscher Musterbürger fühle, antwortete Yeboah: „Soll ich ein Lagerfeuer im Wohnzimmer machen?“
15.
Und noch ein Ex-Bundesligaspieler: JayJay Okocha gewann mit Nigeria den Afrika-Cup 1994. Zehn Jahre später, 2004, wurden die Super Eagles Dritter. Okocha wurde mit vier Treffern Torschützenkönig und zum besten Spieler des Turniers gewählt. Im selben Jahr wurde er von der FIFA in die Liste mit den 125 besten lebenden Fußballspielern aufgenommen. Vor ein paar Jahren sagte Okocha in einem Interview: „Ich bin mir sicher, dass es da draußen einen neuen JayJay gibt, der uns wieder zu einem Titel führt.“ 2013 hatten sie ihn gefunden. Sein Name: Sunday Mba. Er schoss das goldene Tor im Finale gegen Burkina Faso.
16.
Der Afrika Cup 2004 stand im Zeichen einer Völkervereinigung. Ruanda hatte sich erstmals für das Turnier qualifiziert, und so standen mit einem Mal Hutu und Tutsi gemeinsam auf dem Fußballplatz, jene Volksgruppen, die wenige Jahre zuvor einen blutigen Bürgerkrieg erlebt hatten. Die Hutu-Regierung ließ zwischen Anfang April und Mitte Juli 1994 über 800.000 Tutsi ermorden. Dazu noch 200.000 moderate Hutu, die sich an dem Völkermord nicht beteiligen wollten. Ruanda schied beim Afrika Cup 2004 in der Vorrunde aus. Im Team stand unter anderem der in Deutschland lebende Michel Kamanzi. Der damals 29-jährige war weit weg vom Fußballprofitum. Er kickte damals für die SG Betzdorf, Rheinlandliga, Westerwald.
17.
Der Weg zum Afrika Cup war für Ruanda alles andere als ein Zuckerschlecken. Als 119. der FIFA-Weltrangliste startete man in die Qualifikationsspiele. Bei einem Spiel gegen Uganda hielt Torwart Mohammed Mossi so gut, dass ihm die Ugander vorwarfen, er habe geheime Zauberkräfte, Juju, benutzt. Endlose Diskussionen folgten. Mossi, ein entspannter Zeitgenosse, merkte spätestens da, welche Wirkkraft das Wort „Juju“ hat. Beim Rückspiel stellte er sich also vor den versammelten Journalisten und Gegenspielern auf und trompetete: „Heute benutze ich elektrisches Juju, das ist so stark, dass es für alle unsichtbar ist.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, gingen die Teams aufeinander los. Mittendrin: Polizisten, Ordner, Funktionäre, Fans. Irgendwann beruhigte sich die Lage wieder und es konnte doch noch gespielt werden. Jimmy Gatete erzielte den 1:0‑Siegtreffer für die „Wespen“. Ruanda war zum ersten Mal für ein internationales Turnier qualifiziert.
18.
Zum Abschluss, für den Halbzeitsmalltalk beim Afrika Cup, ein paar gut abgehangene Sprüche:
„Der Dettmar Cramer hat doch nur den Schwarzen im Senegal beigebracht, wie man Kakteen umdribbelt.“ (Max Merkel)
„Ich will nicht parteiisch sein, aber: Lauft, meine kleinen schwarzen Freunde, lauft.“ (Marcel Reif)
„Die Spieler von Ghana erkennen Sie an den gelben Stutzen.“ (Marcel Reif beim Länderspiel Deutschland-Ghana)
„Mann, wir Schwatten müssen doch zusammenhalten!“ (Anthony Baffoe zum Schiedsrichter)
19.
Und da wir uns wünschen, das Turnier würde immer noch bei Eurosport übertragen werden, verabschieden wir uns mit einem gut gelaunten:
„Tschüss und bye bye, ihr Wolfgang Ley.“ (Wolfgang Ley)