Beim 1. FC Nürnberg geht es drunter und drüber: Verpatzter Saisonstart, Fanproteste und Torwart-Rauswurf. Heute steht der Club bei der Mitgliederversammlung vor einer Zerreißprobe. Alexander Endl von „Clubfans United“ mit einer Bestandsaufnahme.
Jener Martin Bader ist Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen – nicht nur unter den Anhängern. Er ist es, der polarisiert, sein Name teilt die Gemeinde in Anhänger und Opposition. Selbst Personalien wie Ismael sind hier längst nebensächlich, über einen Finanzvorstand Ralf Woy verliert kaum einer ein Wort. Vor zehn Jahren kam Bader als Sportdirektor aus Berlin und heute ist Bader inzwischen das, was früher Michael A. Roth war, wenn auch mit anderer Visitenkarten-Bedruckung: De facto ist Bader uneingeschränkter „Club-Boss“.
Wie aus dem Angestellten der Chef wurde, ist zum einen sicher schlicht mit dem Ablauf der Zeit beantwortet: Bader trieb auf einem Strom, den Roth einst selbst eröffnete, indem er den Weg in Richtung professioneller Vereinsführung freigab. Und Martin Bader schwamm auf dem Strom und sorgte dafür, dass das Boot nicht kenterte. Geholfen haben ihm da die unbenommenen sportlichen wie finanziellen Erfolge (Pokalsieg, Entschuldung), aber er schaffte es kluge Allianzen im Verein und gerade auch mit den organisierten Fans zu schmieden.
Bader gilt vielen als Hauptschuldiger
Heute ist aus dem Sportdirektor längst ein Sportvorstand geworden und in dieser Funktion gilt er vielen Fans nun als Hauptverantwortlicher für den sportlichen Niedergang des FCN. Angekreidet wird ihm zweierlei: seine Transfer- und Personalpolitik.
Dass der Verein einst dringend Transfererlöse brauchte, als die Konsolidierung oberste Priorität hatte, war noch verständlich. Dennoch war da bereits vielen ein Dorn im Auge, dass Spieler, sobald Gewinne zu erzielen waren, stets umgehend verkauft wurden, das eingenommene Geld aber nur selten direkt in die Mannschaft reinvestiert wurde. 27 Ex-FCN-Spieler tummeln sich so heute in der Bundesliga, der Verein aber spielt zweitklassig – sicher keine belastbare Argumentation, den Fans aber ist das ein Ärgernis.
Alle vier Trainer zündeten nicht
Der zweite Angriffspunkt ist Baders Personalpolitik in Sachen Trainer. Nach dem Weggang von Dieter Hecking nach Wolfsburg, ermöglicht durch eine vereinbarte Ausstiegsklausel, setzte Bader mit Wiesinger, Verbeek, Prinzen und Ismael gleich viermal in Folge auf Trainer, die damit ihre erste Station im deutschen Profifußball hatten. Ein riskantes Unterfangen und alle Entscheidungen trug Bader auch im Pathos der vollen Verantwortung – nur zündeten eben alle vier nicht.
Natürlich war Bader mindestens an der letzten Trainersuche nicht alleine beschäftigt, denn seit diesem Sommer hat der FCN ja so etwas wie einen Sportdirektor zurück. Man nennt es offiziell „Abteilungsleiter Fußball“ und es ist ein alter Bekannter in Nürnberg: Wolfgang Wolf. Geholt wurde er mehr oder minder auf Druck von außen nach dem Abstieg, um Bader zur Seite zu stehen und mit sportlichem Know-How zu unterstützen, so hieß es, denn Bader fehle – so die Kritiker – mangels eigener Fußball-Karriere das nötige Fußballwissen.
Wie sich das genau ausdrückt, kann allerdings kaum einer festmachen, und worin sich nun die Aufgaben des Sportvorstands und des Abteilungsleiters genau unterscheiden oder überschneiden, ist in den Wochen seit der Verpflichtung Wolfs auch nicht so ganz klar geworden. Und so ist in der Außenwirkung jeder offenbar irgendwie für alles zuständig. Entsprechend kommt auch die Kommunikation beim Empfänger an.
Der Alleingang von Günther Koch
Öffentliche Streitigkeiten zwischen (amtierenden) Aufsichtsräten wie Günther Koch, immerhin zugleich Stellvertreter des Aufsichtsratschefs, und Klaus Schramm, der Aufsichtsratschef, tun da ihr Übriges. Als Schramm und Bader hinter verschlossenen Türen Kriegsrat hielten, inszenierte vor dem Gebäude Koch eine Pressekonferenz in eigener Sache. Er legte nonchalant den Rücktritt Baders nahe, während Trainer Ismael bleiben müsse, denn „Bauernopfer“ gäbe es schon zu viele.
Allerdings dürfte „die Stimme Frankens“, eigentlich ein Medien-Profi, bei seinem Auftritt in Jogging-Anzug und Sonnenbrille weder sich noch der Sache einen Gefallen getan haben dürfen. Das Schramm-Badersche Krisengespräch ergab im Übrigen kein Ergebnis. „Weitermachen“ hieß die Devise – bis die Zeit die Wunden heilt und den Spielfluss bringt. Oder eben bis der Showdown kommt.
Es sind diese Faktoren im Schatten einer anstehenden Hauptversammlung die, gepaart mit den Debakeln auf dem Feld, bei denen nicht nur die Ergebnisse fehlten, sondern auch jede Spielidee vermisst wurde, vermitteln, dass beim FCN nun das Chaos ausgebrochen scheint. Doch faktisch ist eben bis heute nicht mehr passiert als ein verpatzter Saisonstart mit den üblichen Nebenwirkungen. Was allerdings die Gemengelage nach dem Dienstag angeht, darüber wird heute keiner eine Prognose abgeben.
Alexander Endl schreibt für das Fan-Magazin „Clubfans United“ und ist dort auch im Podcast zu hören. Der Text wurde vor dem Spiel des FCN gegen den 1. FC Kaiserslautern produziert.