Dariusz Wosz trug in seinem Leben drei verschiedene Nationalitäten, zwei Mal wurde er Nationalspieler. Sein zu Hause fand er schließlich in Bochum. Weshalb es dort nur eine einzige echte „Zaubermaus“ gibt. Bis heute.
Ungewissheit war das vorherrschende Gefühl, als die Nationalmannschaft der DDR am 12. September 1990 in Brüssel auf Belgien traf. Die Deutsche Demokratische Republik befand sich in der Auflösung. Dass die Einheit nur drei Wochen später mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik besiegelt sein würde, konnte dennoch niemand vorhersehen. Denn die Zukunft des Ostens erschien in vielen Bereichen nach wie vor ungeklärt. Auch im Fußball.
Obwohl Nationaltrainer Ede Geyer 33 Spieler zum Freundschaftsspiel eingeladen hatte, das bis zur Abmeldung der DDR-Nationalmannschaft von der EM-Quali eigentlich als Pflichtspiel angesetzt worden war, kamen nur 14. Matthias Sammer führte die Mannschaft als Kapitän aufs Feld. Dariusz Wosz machte mit 21 Jahren sein siebtes und letztes Länderspiel für die DDR. Es wurde überhaupt das letzte der ostdeutschen Nationalmannschaft.
Nach dem Spiel versuchten Vertreter westdeutscher Vereine die letzten verbliebenen DDR-Nationalspieler abzufangen und sie mit Angeboten in den Westen zu locken, wie Wosz im 11FREUNDE-Interview erzählte. Aber die Beschatter durch die Staatssicherheit waren ebenfalls noch aktiv. Wie es mit dem ostdeutschen Fußball weitergehen würde? Das wusste zu diesem Zeitpunkt niemand.
Die Zaubermaus wirbelt durch Europa
Drei Wochen später war die Einheit hergestellt und Dariusz Wosz hatte zum zweiten Mal die Nationalität gewechselt. 1980 war er mit seiner Familie von Polen in die DDR übergesiedelt, wodurch sie die polnische Staatsangehörigkeit verloren hatten. Jetzt war er kein DDR-Bürger mehr, sondern einer der Bundesrepublik.
Die fußballerische Wiedervereinigung zog sich noch bis zum November 1990, als der ehemalige Deutsche Fußballverband als Nordostdeutscher Fußballverband dem DFB beitrat. Wosz spielte mit dem Halleschen FC, der bis 1991 noch HFC Chemie hieß, noch ein halbes Jahr in der vereinten 2. Bundesliga, ehe er in der Winterpause zum VfL Bochum in die Bundesliga wechselte. 1993 folgte der erste Abstieg des Klubs, den die eigenen Fans nur kurz zuvor „Die Unabsteigbaren“ getauft hatten. Doch nach dem erneuten Wiederaufstieg 1995 definierte die „Zaubermaus“ als Kapitän und Mittelfeldchef von Klaus Toppmöller die erfolgreichste Zeit der Bochumer Vereinsgeschichte, trug grellbunte Farber-Trikots, spielte im UEFA-Cup – und wurde erneut zum Nationalspieler. Fast sieben Jahre nach dem letzten Spiel der DDR-Mannschaft debütierte Wosz 1997 für den DFB in Tel Aviv gegen Israel. Die persönliche fußballerische Einheit war vollzogen.
Ein Jahr später wechselte Wosz zu Hertha BSC und verzauberte die Champions League. Doch am schönsten ist es immer noch zu Hause. Und da „zu Hause“ in einem Leben wie dem von Dariusz Wosz nicht leicht zu verorten ist, wurde es nach Bochum verlegt. Dahin, wo er nach dem dreijährigen Hertha-Intermezzo zurückkehrte, um den VfL mit seiner Magie erneut in den UEFA-Pokal zu führen. Mit 37 Jahren und nach weit über 300 Spielen für den Verein verabschiedete ihn der VfL Bochum 2007 in den Ruhestand. Als erstem Bochumer Spieler wurde Wosz die Ehre eines offiziellen Abschiedsspiels zuteil. Was ist zwölf Jahre später vom Legendenstatus erhalten geblieben?