Heute Abend treffen Dnjepr Dnjepropetrowsk und der FC Sevilla im Europa League-Finale aufeinander. Juande Ramos hat beide Teams schon trainiert. Wir sprachen mit ihm.
Juande Ramos, Sie haben bis Mai 2014 vier Jahre lang Dnjepr Dnjepropetrowsk trainiert. Mit dem FC Sevilla haben Sie 2006 und 2007 den Uefa Pokal gewonnen. Für wen schlägt Ihr Herz am Mittwoch beim Europa League Finale?
Ich werde das Spiel als Fan ansehen. Ganz neutral, zu Hause. Ohne große Emotionen.
Schwer zu glauben.
Das dürfen Sie ruhig. In Sevilla war ich vor langer Zeit, ein großartiger Klub. Ich habe tolle Erinnerungen an damals. Aber die Mannschaft ist mittlerweile eine komplett andere, was auch normal ist nach so vielen Jahren.
Dnjepr’s Team ist noch ziemlich genau das gleiche wie bei Ihrem Abschied vor einem Jahr. Es ist doch eigentlich Ihre Mannschaft, die da im Finale steht, oder nicht?
Das stimmt, die Spieler sind nahezu noch dieselben. Ich fühle mich schon ein bisschen verantwortlich für den Erfolg und freue mich für die Jungs. Ich denke, mein Trainerstab und ich haben eine gute Grundlage hinterlassen.
Was zeichnet die Mannschaft aus?
Ihre Kompaktheit. Und ihre Disziplin. Alle sind taktisch gut geschult und können im Verbund hervorragend verteidigen. Es ist nicht einfach, gegen Dnjepr ein Tor zu schießen.
Das musste zuletzt der SSC Neapel erfahren. Auch Brügge, Ajax Amsterdam oder Olympiakos Piräus wurden von Dnjepr ausgeschaltet.
Alles Mannschaften, die auf dem Papier als stärker galten! Aber das lässt sich durch Geschlossenheit ausgleichen. Bei Dnjepr weiß jeder Spieler, was er zu tun hat. Keiner ist sich zu schade, um defensiv auszuhelfen. Alle rennen und kämpfen, bis das Spiel zu Ende ist.
Ragen aus dem Kollektiv auch einzelne Spieler heraus?
Ja, Even Konoplyanka ist internationale Klasse, der kann auch in einer der großen Ligen im Ausland spielen, da bin ich mir sicher. Auch Torhüter Denis Boyko ist gerade in überragender Form. Ansonsten steht aber die Mannschaft im Vordergrund, alle ordnen sich dem Teamgedanken unter.
Klingt doch nach paradiesischen Zuständen für Trainer wie Sie.
Die Arbeit mit der Mannschaft dort war in der Tat sehr angenehm. Die Spieler in Osteuropa bringen von Hause aus sehr viel Disziplin mit, das hat es mir leicht gemacht. Außerdem waren Sie sehr lernwillig, nicht nur was fußballerische Dinge anging, sondern auch das ganze Drumherum. Nach und nach haben wir die Spieler davon überzeugt, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern und stärker auf ihre Regeneration zu achten. Alle haben da mitgezogen.
Gab es trotzdem Dinge, die für Sie ungewohnt waren? Als Spanier in der Ukraine, das klingt erst einmal nach Kulturschock.
Nein, da gab es eigentlich nichts. Gut, gerade im Winter war es schon ziemlich kalt. Eine vernünftige Vorbereitung war da nicht möglich, also sind wir immer ins Trainingslager gefahren. Nach Spanien zum Beispiel (lacht).
Dnjepr wird von dem Oligarchen Igor Kolomojskij geführt, einem der reichsten Männer der Ukraine. War die Zusammenarbeit mit ihm kompliziert?
Überhaupt nicht. Er hat sich nie in sportliche Dinge eingemischt. Ich glaube, er konnte unsere Situation ganz gut einschätzen.
Wie meinen Sie das?
Dnjepr ist ein kleiner Verein, der immer im Schatten von Dynamo Kiew oder jetzt Schachtjor Donezk stand. Die Möglichkeiten dort sind größer. Als wir ankamen, hat der Verein fast nie international gespielt. Erst in den vergangenen Jahren ist Dnjepr gewachsen, unsere Ergebnisse wurden immer besser, auch im Umfeld hat sich viel getan. Alles andere als Platz drei hinter den zwei Großen wäre zu meiner Zeit aber unrealistisch gewesen.
Dabei sollte doch genug Geld vorhanden sein, um größere Ziele anzugehen.
Im Vergleich zu Donezk etwa spielen bei Dnjepr nur wenige Ausländer. Es gibt Brasilianer, einen Portugiesen, Tschechen oder Rumänen, aber die meisten sind Einheimische. Spieler aus der Region oder anderen Teilen der Ukraine. Das macht die Mannschaft speziell. Das Zusammenhörigkeitsgefühl ist sehr ausgeprägt.
Reicht das gegen Titelverteidiger Sevilla aus, um zu bestehen?
Sevilla ist der klare Favorit. Sie haben die besseren Individualisten und sind die stärkere Mannschaft. Ihr Stil ist ein völlig anderer, sie greifen an, sind offensiv ausgerichtet. Aber man weiß ja, in einem Spiel kann viel passieren. Der Bessere gewinnt nicht automatisch.
Señor Ramos, diese Frage muss erlaubt sein: Warum haben Sie bei Dnjepr aufgehört?
Aufgrund der politischen Situation, die sich im Laufe des vergangenen Jahres immer mehr verschlechtert hatte. Meine Frau lebte mit mir all die Zeit in Dnjepropetrowsk, aber wir haben dann gespürt, dass es besser ist, nach Hause zurückzukehren. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Es war eine familiäre Entscheidung.