Im Sommer sagte Amine Harit dem FC Bayern ab, S04-Coach Tedesco bekam seinen Wunschspieler. In Schalkes schöner neuer Ballbesitzwelt macht der 20-jährige jetzt vieles sehr gut – und andere noch besser.
Im leicht abgewandelten 3−5−2 agiert Schalke vor dem alleinigen Sechser Max Meyer mit einer Doppelacht, die gegen Hertha und Mainz Harit und sein kongenialer Partner Leon Goretzka besetzten. Durch das bewegliche Kombinationsspiel von Sechser, Doppelacht und Doppelspitze öffnen sich immer wieder Räume für die Mittelfeldspieler, die Schalke mit steilen Pässen oder Solos in Richtung gegnerischen Strafraum nutzt.
In der schönen neuen Ballbesitzwelt von S04 spielt Harit eine für ihn ungewohnte Rolle, die seine Stärken jedoch umso mehr betont. Seine Dynamik ging gegen tiefstehende Gegner häufig verloren, sobald er sich im engmaschigen Abwehrnetz verhedderte. Jetzt kann er die tiefen Wege gehen, weil die gegnerische Defensive durch das geduldige Schalker Spiel auseinandergezogen wird.
Vor der Saison sagte der Nationalspieler, der mittlerweile für das Geburtsland seiner Eltern Marokko aufläuft, der Bild: „Ich bin ein Eins-gegen-Eins-Spieler. Ich liebe das Dribbeln, erziele Tore und agiere furchtlos. Ich liebe die Show.“ Wo er zu Saisonbeginn noch zaubern durfte, muss er in der neuen Ausrichtung die Show zurückschrauben, seriöser spielen. Mit Erfolg: Eine Zweikampfquote von 63 Prozent bei 67 Kilogramm auf 1,79 Meter Körpergröße ist ein absoluter Spitzenwert, fünf begangenen Fouls stehen 32 erlittene gegenüber. Schon in seiner Zeit beim FC Nantes zählte er zu den meistgefoulten Spielern der Liga.
Mangelnde Torgefahr? Vielleicht besser so.
Während er sich in Nantes allerdings auch mal bei den Mitspielern für einen Diskobesuch vor dem Spieltag entschuldigen musste, präsentiert sich Harit auf Schalke diszipliniert, fleißig und effektiv. Verliert er den Ball vorne, sprintet er bis an den eigenen Sechzehner und holt ihn zurück. Sein konsequentes Spiel verbessert auch die Mitspieler.
Max Meyer zum Beispiel, der vergangene Saison unter Markus Weinzierl häufig etwas planlos auf der Zehn unterging, bekommt als Sechser durch Harits Läufe Optionen für Zuspiele, die die Bezeichnung „Traumpass“ absolut verdient haben. Durch sein kluges Stellungsspiel und Defensivverhalten sichert er zusätzlich Meyers Solos in die Spitze ab.
Auch sein Partner auf der Acht, Leon Goretzka – an und für sich schon ein Topspieler – zeigt neue Qualitäten, namentlich die Torgefahr. Weil Harit ihn klug bedient, Räume öffnet oder hinter ihm absichert, kommt er bislang auf vier Treffer und 21 Torschüsse.
Umgekehrt ist die mangelnde Torgefahr womöglich Harits einzige wirkliche Schwäche: Nach neun Spielen stehen nur acht Torschüsse auf den Statistikblättern. Manager Heidel sagt: „Wenn er nun noch lernt, den Ball selbst ins Netz zu schießen, hätte er den nächsten Entwicklungsschritt gemacht.“ Vielleicht gelingt ihm das ja schon gegen Wolfsburg.
Doch die Gefahr besteht, dass im nächsten Sommer dann Harit selbst der absolute Hit auf dem Transfermarkt wird.