Österreichs Nationaltorhüter Robert Almer stand im Sommer vor einem Wechsel in die Premier League – doch er entschied sich für Energie Cottbus. Auch wegen Rudi Bommer. Wir sprachen mit ihm wenige Stunden vor der Entlassung des Trainers.
Robert Almer, was haben Ihre Nationalmannschaftskollegen im Sommer gesagt, als sie von Ihrem Wechsel zu Energie Cottbus erfuhren?
Der häufigste Satz: „Endlich kannst du wieder Spielpraxis sammeln“. Hätte ich weiter auf der Bank gesessen, wäre es auf Dauer schwierig geworden in der Nationalmannschaft zu spielen. Energie hat sich sehr um mich bemüht und von vornherein gesagt, ich sei die klare Nummer eins. Das war mir wichtig.
Haben Sie lange überlegt, ob Cottbus für Sie der richtige Klub ist?
Die Entscheidung ist mir relativ leicht gefallen. Bei den anderen Interessenten hätte es unter Umständen ähnlich laufen können wie in Düsseldorf. Und das wollte ich natürlich unbedingt vermeiden. Denn was würde es mir bringen, bei einem Bundesligaklub auf der Bank zu sitzen?
Stimmt es, dass Sie beinahe bei einem Klub aus der Premier League unterschrieben hätten?
Gerüchte stimmen – manchmal (lacht). Im Ernst: Es gab Interessenten aus England. Mit der Rolle als Backup konnte ich mich aber nicht anfreunden.
Rudi Bommer hat vor der Saison im 11FREUNDE-Interview von Ihnen geschwärmt. Hat er am Ende den Ausschlag gegeben?
Auf alle Fälle. Wir haben sehr gute Gespräche geführt, die Chemie hat von Anfang an gestimmt. Mein damaliger Torwarttrainer Manni Gloger hat mir nur Gutes über ihn erzählt – beide kennen sich schon seit langem.
Rudi Bommer muss nach vier sieglosen Spielen in Folge um seinen Job bangen – hat die Mannschaft eigentlich ein schlechtes Gewissen? (das Interview wurde wenige Stunden vor Bommers Entlassung geführt, d. Red.)
Im Fußball sind Sentimentalitäten fehl am Platz. Aber der Trainer ist sicher nicht allein Schuld an der aktuellen Misere. Wenn er in Frage gestellt wird, dann wegen der jüngsten Misserfolge. Also wegen unserer unzureichenden Leistung. Das ist immer auch ein schlechtes Zeugnis für uns Spieler.
Sie haben vor Ihrer Vertragsunterzeichnung gesagt, die sportliche Perspektive sei entscheidend. Welche Perspektive hat der FC Energie?
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich Ihnen jetzt nicht erzähle, wo ich Energie in zwei Jahren sehe. Das wäre in der derzeitigen Situation unangebracht. Für die Strategie sind andere verantwortlich. Zurzeit sieht es nicht so toll aus. Wir befinden uns in einer extrem schwierigen Phase. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir das Blatt schon bald wieder wenden werden. Wir haben einen guten Kader, der zuletzt weit unter seinen Möglichkeiten gespielt hat. Das müssen wir schleunigst korrigieren. Alles andere ist erst mal zweitrangig.
Mit welchen Emotionen haben Sie am vorletzten Spieltag die Ausschreitungen einiger Cottbuser in Dresden beobachtet?
Mit Verärgerung. Diese Chaoten schaden dem Fußball. Solche Aktionen sind weder cool noch lustig. Eigentlich ist jedes Wort überflüssig. Die Bilder stehen für sich.
Wie groß ist aus Ihrer Sicht der Imageschaden?
Im Endeffekt drehen wir uns bei diesem Thema im Kreis. Es ist kein neues Phänomen, sondern ein Problem, das immer wieder auf der Tagesordnung landet. Schade auch für die vielen echten Fans, die mal wieder blöd dastehen. Das haben sie nicht verdient. Es ist aber nicht meine Aufgabe, mögliche Lösungen zu benennen. Dafür sind andere Leute zuständig.
Ihr Klub hat mittlerweile Konsequenzen gezogen: Für die bevorstehende Partie beim FC St. Pauli werden die Tickets personalisiert. Energie verkauft nur noch eine Karte pro Person gegen Vorlage des Personalausweises. Ist das ein Gesprächsthema in der Mannschaft?
Darüber ist kurz diskutiert worden, klar. Dass der Verein nun handelt, ist keine Überraschung. Wir Spieler haben zurzeit aber genug mit uns selbst zu tun, wir haben andere Baustellen.
Robert Almer, Sie haben mal gesagt, ein Torhüter benötige keine sonderlich starken Nerven, er müsse aber lernen, Fehler schnell abzuhaken. Kann man aus Fehlern lernen, wenn man sie schnell beiseite schiebt?
Nein, darum geht es nicht. Es ist in der Tat wichtig, Fehler zu analysieren. Während des Spiels allerdings sollte man sie so schnell wie möglich verdrängen. Denn tut man das nicht, ist der nächste Patzer bereits programmiert.
Sie standen im September in der Kritik, nachdem Sie gegen Aue, Köln und im DFB-Pokal gegen Hoffenheim gepatzt hatten. Hat Sie die teils heftige Kritik verletzt?
Nein. Damit kann ich umgehen. Gegen Köln habe ich einen schlechten Tag erwischt, mein Fehler hat prompt zu einem Gegentor geführt. Die Hoffenheim-Partie würde ich dagegen nicht zu dieser Kategorie zählen. Ich konnte zwei, drei schwere Bälle entschärfen, wir haben die Null bis in die Verlängerung gehalten. Dass mir am Ende ein derart folgenschwerer Fehler unterlief, ist natürlich bitter. Bringt man gute Leistungen, erwarten Fans und Medien, dass es automatisch so weitergeht. Die Fallhöhe ist groß, wenn man einen super Start hinlegt. Ich sage nur Fortuna Düsseldorf…
Gegen Ihren Ex-Klub haben Sie gleich im ersten Saisonspiel Ihre bislang beste Saisonleistung abgeliefert. Zufall?
(lacht) Ich habe die Messlatte extrem hoch gehängt, das stimmt. Das war so eine Partie, in der sich ein Torhüter auszeichnen kann. Ich habe an diesem Tag sehr gut gehalten, aber „bestes Spiel“? Das weiß ich nicht. Auch wenn es komisch klingt: Ich habe sogar in der Analyse dieser Partie ein paar Aktionen gesehen, die ich hätte besser lösen können.
Zum Beispiel?
Das Stellungsspiel. Solche Kleinigkeiten erkennt man oft im Nachhinein. Das ist ja das Schöne an diesem Job, man strebt immer nach dem Perfekten, denn jeder weiß: Kleinigkeiten können Spiele entscheiden.
Während Ihrer Negativ-Phase erklärte Rudi Bommer öffentlich, er werde nun eingreifen, denn er verstehe nicht, weshalb Sie keine Sicherheit ausstrahlten. Hat Sie diese Aussage damals überrascht?
Ach, solche Sätze nehmen die Medien dankend auf, um sie dann ordentlich aufzubauschen. Dazu nur so viel: Wir haben ein Trainer-Spieler-Gespräch geführt, wie es üblich ist. Konstruktiv und angenehm. Das ist überhaupt kein Problem gewesen.
Konnten Sie Ihrem Trainer denn Gründe nennen?
Das bleibt intern (lächelt). Fakt ist: Mir hat die Spielpraxis gefehlt. Vieles ist eine Frage des Rhythmus. Wer täglich hart trainiert, aber am Wochenende auf der Bank sitzt, dem fehlt einfach etwas. Das kann man sich auch nicht schönreden. Der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung ist entscheidend. Inzwischen habe ich meinen Rhythmus gefunden.
In jungen Jahren ging es für Sie stets in eine Richtung: nach oben. In Düsseldorf dagegen ist Ihre Karriere zum ersten Mal ein wenig ins Stocken geraten. Was haben Sie zu jener Zeit gelernt?
Dass es nicht selbstverständlich ist, an jedem Wochenende im Tor zu stehen. Ich habe um meinen Platz gekämpft, mich nie hängen lassen, dennoch hat sich der Trainer gegen mich entschieden. Das war natürlich bitter. Nach zwei Jahren harter Arbeit habe ich meine Konsequenzen gezogen.
Zum Abschluss darf ein Thema nicht fehlen: Haben Sie die verpasste WM-Qualifikation mittlerweile verdaut?
Daran werden wir noch eine Weile zu knabbern haben. Man sollte aber auch realistisch bleiben: Wären wir Gruppenzweiter geworden, träfen wir in den Playoffs auf Portugal. Wer würde in diesen Partien auf Österreich setzen? Es wird sicherlich Wehmut aufkommen, wenn ich mir die Playoffs im Fernsehen anschaue. Unser Traum ist nicht Erfüllung gegangen. Das ist sehr schade. Aber keine Sorge, wir greifen wieder an.
Haben Sie damit gerechnet, dass Marcel Koller Nationaltrainer Österreichs bleibt?
Ich habe mich riesig gefreut. Diese Nachricht haben sich alle Spieler erhofft.Wer die Möglichkeit hat, Teamchef seines Heimatlandes zu werden und dennoch sein bisheriges Projekt fortführen will, hat Respekt verdient. Marcel Koller hat in Österreich etwas aufgebaut, er hat die Mannschaft nach vorne und die Fans auf unsere Seite gebracht. Dass er sich die nötige Zeit genommen hat, um über alles nachzudenken, ist legitim.