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Seite 2: Warum Dortmunds Problem Jürgen Klopp ist

Lucien Favre ist kein Freund der Selbst­in­sze­nie­rung. Er mag keine Pres­se­kon­fe­renzen und Inter­views erst recht nicht, Jour­na­listen bekommen im Umgang mit ihm schon mal das Gefühl, dass er ihre Kom­pe­tenz für aus­bau­fähig hält. Das bringt ihm in Zeiten sport­li­chen Erfolgs eher wider­wil­ligen Zuspruch ein und im Falle des Miss­erfolgs gna­den­lose Häme. Favre ist, nicht ganz zu Unrecht, eine ver­fehlte Auf­stel­lung in Mün­chen vor­ge­halten worden. Kri­tiker reiben sich am ball­ori­en­tierten Ver­tei­digen bei Stan­dards, die Aus­rich­tung des Spiels ist ihnen wech­sel­weise zu defensiv oder zu offensiv. Vor allem aber wird ihm vor­ge­worfen, dass er Lucien Favre ist. Ein Trainer mit eher ana­ly­ti­schem denn moti­va­to­ri­schem Ansatz. Einer, der seinen Spie­lern erklärt, wel­chen Fuß sie beim Dribb­ling nach innen zu halten haben. Wer Favre kennt, weiß, dass er nicht der Trainer ist, der mit dem Messer zwi­schen den Zähnen dazu auf­ruft, alles raus­zu­hauen, jeden Bluts­tropfen zu ver­gießen, so lange rech­ne­risch alles mög­lich ist“, heißt es bei Spiegel Online“.

Sehn­sucht nach Klopp

Lucien Favres Pro­blem ist, dass sie genau so einen mal in Dort­mund hatten. Einen, der nicht auf der Bank geschmäck­le­risch die Lippen schürzte, son­dern mit aus­ge­streckter Faust die Sei­ten­linie her­un­ter­rannte. Einen, der nicht jede zweite Frage mit Es ist schwierig“ beant­wor­tete, son­dern öfter mal ein geil!“ ein­streute. Die Sehn­sucht nach Jürgen Klopp ist auch vier Jahre nach dessen Abschied nicht abge­klungen. Im Gegen­teil, sie ist größer denn je, seit Klopp am Dienstag mit dem FC Liver­pool den großen FC Bar­ce­lona aus dem Halb­fi­nale der Cham­pions League geke­gelt hat. Nicht mit ele­gantem Zau­ber­fuß­ball, son­dern mit der Kraft des reinen Wil­lens. Das Portal Ruhr 24“ schwärmte nach Liver­pools 4:0 über Barça, dass Fans von Borussia Dort­mund sich bei diesem Anblick nost­al­gisch in jene Ära des Voll­gas­fuß­balls zurück­ver­setzt fühlen“.

Das Pro­blem mit Jürgen Klopp ist, dass er sich nicht klonen lässt. Es gibt ihn nur einmal und nir­gends sonst, nicht mal in Madrid, wo Atlé­ticos Ein­peit­scher Diego Simeone nach einem 2:0‑Sieg über Juventus Turin mit seinen Cojones prahlte, wofür er beim 0:3 im Rück­spiel böse abge­straft wurde.

Aus der Liver­pooler Distanz ließ Klopp im ver­gan­genen Sommer aus­richten: Lucien ist ein groß­ar­tiger Fach­mann und Trainer. Was er aus­strahlt, ist Ruhe – und das ist wahr­schein­lich genau das, was Borussia gerade braucht.“ Er selbst hat die Zeit bekommen, eine Mann­schaft zu ent­wi­ckeln, in der Pre­mier League wie in der Bun­des­liga. In Dort­mund wurde der Kader nach seinem Dienst­an­tritt suk­zes­sive ver­stärkt. Mit Neven Subotic, Nuri Sahin, Marcel Schmelzer und Mats Hum­mels (2008), Lucas Bar­rios und Sven Bender (2009), Robert Lewan­dowski, Shinji Kagawa, Lukasz Piszczek und Mario Götze (2010). Dann war der BVB, nach Platz sechs im ersten Jahr und viel Auf­bau­ar­beit, reif für die Meis­ter­schaft. Für das Da capo im fol­genden Jahr gab’s noch Ilkay Gün­dogan und Ivan Perisic dazu.

Wie wäre Klopp diese Saison aus­ge­legt worden?

Sein erstes Jahr in Liver­pool wickelte Klopp auf Platz acht ab. Seitdem sind an der Anfield Road geschätzt 430 Mil­lionen Euro an Ablöse inves­tiert worden, in Spieler wie Mohamed Salah, Sadio Mané, Virgel van Dijk, Alex Oxlade-Cham­ber­lain, Naby Keita, Xherdan Shaqiri oder Ali­sson Becker. Ohne dass es zu einer Meis­ter­schaft gereicht hätte. Nie­mand hat Jürgen Klopp vor­ge­worfen, dass er einen zum Jah­res­ende 2018 ange­häuften Vor­sprung von sieben Punkten auf Man­chester City ver­spielt, dass er eine wohl nicht so schnell wie­der­keh­rende Schwäche des mit ara­bi­schem Geld gepam­perten Kon­kur­renten nicht aus­ge­nutzt hat. Sieben Nie­der­lagen hat City in dieser Saison kas­siert, nur eine weniger als in Pep Guar­diolas ersten beiden Jahren zusammen. Und doch dürfte es wieder zum Titel rei­chen und für Liver­pool nur zu Platz zwei.

Völlig zu Recht werden sie Klopp an der Anfield Road feiern für diese gran­diose Saison, gar­niert mit dem Einzug ins Cham­pions-League-Finale. In Dort­mund han­delt das Zen­tral­organ mit den großen Buch­staben Platz zwei als Ent­las­sungs­grund für Lucien Favre. Als er nach der Derby-Nie­der­lage und zwei Roten Karten gegen Schalke aus­sprach, was alle dachten, dass näm­lich der Titel ver­spielt ist“, wurde ihm vom Bou­le­vard bis zum seriösen Fach die Fähig­keit zum Führen einer Mann­schaft abge­spro­chen. Klopp wäre das­selbe wahr­schein­lich als groß­ar­tiger psy­cho­lo­gi­scher Kniff aus­ge­legt worden, als Ablen­kungs­ma­növer, um die Kon­kur­renz in Sicher­heit zu wiegen. Hat funk­tio­niert. Am nächsten Tag quälten sich die Bayern zu einem 1:1 beim Abstiegs­kan­di­daten Nürn­berg.

Erst Zau­berer, dann Zau­derer. Trainer Lucien Favre wird in Dort­mund vom Bou­le­vard schon ange­zählt. Dabei war kaum davon aus­zu­gehen, dass die Dort­munder um Paco Alcacer den starken Bayern einen so harten Kampf um den Titel lie­fern würden.