Jadon Sancho wird 20 Jahre alt. Zeit, ihm für all die versüßten Wochenenden zu danken.
Sich beim Torjubel auf das Vereinswappen zu klopfen, ist ein symbolischer, ja fast heiliger Akt im Fußball. Weil sich wenige Zentimeter unter der Polyesterschicht das menschliche Herz befindet. Für den Fan ist das Wappenklopfen gleichbedeutend mit einem Versprechen, das der Spieler abgibt. Ein Versprechen von Loyalität und Liebe. Für den Spieler hingegen ist es häufig bloß eine reflexhafte Geste, die in Sekundenbruchteilen, von Emotionen übermannt, einfach so geschieht. Ein wenig bedeutungsvoller, x‑beliebiger Jubel.
Jadon Sancho jubelt häufig so. Und sind wir mal ehrlich: Borussia Dortmund wird am Ende für ihn nicht das sein, was für Francesco Totti die Roma, für Paolo Maldini Milan und für Steven Gerrard Liverpool war. Sein Wechsel ins Ausland ist wohl nur noch eine Zeit-Geld-Frage. Was Sancho aber von anderen Spielern unterscheidet: Er darf auf diese Weise jubeln, ohne dass es ihm irgendjemand krumm nimmt. Denn wenn er weiterhin Dinge mit der Murmel anstellt wie in den vergangenen eineinhalb Jahren, dann sei ihm alles verziehen. Auch, dass er Borussia Dortmund und die Bundesliga wahrscheinlich nur als Sprungbrett sieht. Wir sollten viel eher dankbar sein, Jadon Sancho (abgesehen von Corona bedingten Absagen) regelmäßig spielen sehen zu können.
Es gibt Spieler, die dürfen mehr als andere. Bei denen drückt man einmal öfter ein Auge zu. Zlatan Ibrahimovic zum Beispiel. Seine Klubvergangenheit ist an Söldnerei ja gar kaum zu übertrumpfen. Doch obwohl er für Milan, Inter und Juve gespielt hat, sie lieben ihn überall. Und sie lieben ihn nicht nur in Italien, sondern auch in Manchester, Paris, Los Angeles und in Amsterdam. Nur in Malmö, da lieben sie ihn nicht. Da vergöttern sie ihn. (Wenn er nicht gerade damit kokettiert, zu einem verhassten Rivalen von Malmö zu wechseln.)
So weit ist es bei Jadon Sancho noch nicht. Aber: Sancho ist genau wie Ibrahimovic einer von diesen Fußballern, denen man vieles durchgehen lässt. Soll er sich doch Friseure einfliegen, goldene Steaks servieren und von anderen Klubs anflirten lassen. Einer, der uns – und damit sind nicht nur Dortmund-Fans gemeint – so regelmäßig die Wochenenden versüßt, soll halt machen, was er für dringlich hält.
Als dieser schmächtige, schüchtern dreinblickende Brite 2017 erstmals in Frankfurt auf dem Platz stand, dünne Arme, dünne Beine, da wirkte das alles noch ein bisschen groß für ihn. Ihm gegenüber standen Prince Boateng und David Abraham, die nur drauf warteten, dass er zum Dribbling ansetzen würde. Um ihm dann herzlich zum Debüt gratulieren zu können. Mit einem Ellbogen in die Rippen.
Aber auch wenn ihn die Gegner in den Monaten danach quer übers Feld jagten, Sancho war das egal. Und das ist es ihm bis heute. Er schert sich nicht um die Attacken und den Druck, er spielt, so abgedroschen das klingen mag, mit beeindruckender Unbekümmertheit. Wer ihn beobachtet, spürt: Dieser Junge liebt dieses Spiel. Ob früher im Käfig mit seinen Kumpels im Londoner Stadtteil Kennington oder heute auf dem Rasen der Bundesliga. Er hat ganz einfach Bock zu kicken.
Heute ist Sancho 20 Jahre alt und was auf den Plätzen der Bundesrepublik passiert, wenn er sich das schwarzgelbe Trikot überstreift, ist History in the Making. Das klingt dramatisch hochgegriffen. Aber mal ehrlich: Wann hat die Bundesliga zuletzt so einen Spieler gesehen?
In wenigen Jahren, vielleicht schon in ein paar Monaten (wenn denn irgendwann wieder gespielt werden darf), sehen wir den Engländer womöglich beim FC Barcelona oder Real Madrid, in Liverpool oder bei Manchester United. Und erinnern uns an die Zeiten, in denen Sancho im Breisgau und in Augsburg zauberte.