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Fabian Schleu­sener: Wie schwer ist so eine Jubel­traube eigent­lich für den Spieler, der ganz unten liegt?
Sehr schwer. (Lacht.) Wobei die erste, direkt nach meinem Tor, noch ging. Schlimmer war die zweite, also die nach dem Schluss­pfiff. Da waren ja wirk­lich alle dabei, und da wurde es für mich kurz­zeitig ziem­lich been­gend. Zum Glück hat unser zweiter Tor­wart Felix Dor­ne­busch das mit­be­kommen, er lag bei mir in der Nähe und hat dann mit einer beherzten Lie­ge­stütz-Bewe­gung mal eben 12, 13 Mann von mir weg­ge­drückt. Des­wegen auch an dieser Stelle noch mal: Vielen Dank an dich, Felix!

Sie haben dem 1. FC Nürn­berg am Samstag mit ihrem Tor zum 1:3 gegen Ingol­stadt in der Nach­spiel­zeit den Klas­sen­er­halt gesi­chert. Was haben Sie von der 96. Minute noch im Kopf?
Ich will den langen Ball von unserem Keeper Chris­tian Mathenia ver­län­gern, köpfe aber in die völlig fal­sche Rich­tung. Dann sehe ich, dass Patrick Erras den zweiten Ball irgendwie in den Sech­zehner bringt. Seine Bogen­lampe wird länger und länger, gleich­zeitig bekomme ich das Gefühl, dass ich ihn errei­chen kann. Ich schaue kurz zum Tor­wart hoch und sehe, dass es eigent­lich nur eine Mög­lich­keit gibt: Ich muss den Ball irgendwie rechts an ihm vorbei spit­zeln. Dann erwi­sche ich den Ball tat­säch­lich so, wie ich es geplant hatte – und plötz­lich bleibt die Zeit stehen. Die Sekunden danach kamen mir vor wie eine halbe Ewig­keit.

Erzählen Sie.
Der Ball ver­lässt meine Fuß­spitze, geht am Keeper vorbei, rollt ins lange Eck, ein Gegen­spieler ver­sucht noch, ihn per Grät­sche zu erwi­schen und erst dann zap­pelt er end­lich im Netz. Danach sind von jetzt auf gleich alle Dämme gebro­chen. Völ­liges Gefühls­chaos. Ich schreie irgendwas, meine Mit­spieler brüllen mit, sprinten mir hin­terher, andere kommen von der Bank aus ange­rannt. Wenn ich mir die Bilder vom Samstag auf Video anschaue, bekomme ich jedes Mal aufs Neue Gän­se­haut. Ich schätze mal, das wird auch immer so bleiben.

Bleiben einem als Spieler von sol­chen Momenten kon­krete Sätze und Bilder im Kopf oder eher ein ver­schwom­mener Brei an Szenen?
Ein wilder Mix. Das Tor habe ich ja gerade sehr genau mit kon­kreten Bil­dern beschrieben. Beim Jubel ist es dann wie­derum ganz anders, das fühlte sich an wie in Trance. Ich dachte zum Bei­spiel nach dem Spiel, ich hätte mir das Trikot beim Jubeln aus­ge­zogen. Aber auf den Bil­dern sieht man, dass ich nur bis zur Hälfte komme und Robin Hack mich dann auf­hält. Außerdem habe ich in all dem Trubel nicht mal mit­be­kommen, dass das Tor noch vom VAR über­prüft wurde. Im Nach­hinein bin ich dar­über aber auch extrem froh. Ich weiß nicht, ob ich das emo­tional aus­ge­halten hätte.

Das war mit Abstand der emo­tio­nalste Moment meiner Kar­riere“

Haben Sie in Ihrer Kar­riere mal etwas Ver­gleich­bares erlebt?
Nein. Das war mit Abstand der emo­tio­nalste Moment meiner Kar­riere. Sie müssen wissen: In dem glei­chen Sta­dion hatte ich mir ein Jahr zuvor das Schien­bein gebro­chen. Zwar nicht im glei­chen Straf­raum, aber trotzdem. Damals spielte ich mit Sand­hausen dort, im Sommer hat Nürn­berg mich dann trotz der schweren Ver­let­zung ver­pflichtet. Und die Ver­ant­wort­li­chen haben in der langen Lei­dens­zeit immer an mich geglaubt. Spe­ziell unser Sport­vor­stand Robert Pali­kuca, der vor der Rele­ga­tion sogar zu mir gesagt hat, dass ich garan­tiert in Ingol­stadt treffen würde. Inso­fern hat sich in der 96. Minute für mich ein Kreis geschlossen. Ich bin erleich­tert und unglaub­lich dankbar, dass ich dieses Tor machen durfte, dass ich etwas zurück­zu­geben konnte. Seit Samstag glaube ich an den Fuß­ball­gott. Zu 100 Pro­zent.

Als Sie ein­ge­wech­selt wurden, stand es 0:3, Ihre Mann­schaft brauchte unbe­dingt ein Tor. Was hat Ihr Trainer Michael Wie­singer zu Ihnen am Spiel­feld­rand gesagt? Zeig der Welt, dass du besser bist als Stefan Kutschke!“?
Nein. (Lacht.) Im End­ef­fekt war es bei der Ein­wechs­lung wie sonst auch. Dir wird Mut zu gespro­chen, es gibt noch ein paar Anwei­sungen und dann stehst du auch schon auf dem Platz und bist im Tunnel.

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