Kein Trainer hat mehr exotische Geschichten zu erzählen, als Rudi Gutendorf. Heute erinnert sich der Globetrotter an sein kurzes Engagement in Nepal. Fußball-Wunder und Bestechungsversuche inklusive.
Rund um den Globus habe ich ja schon einiges erschnuppert, was verdächtig nach Bestechung roch. Aber einen Trainer zu bestechen, das war sogar für mich neu. Können Trainer doch das Spiel am wenigsten beeinflussen, wenn es erst einmal angepfiffen ist. Ich sollte eines Besseren belehrt werden, zumindest was das Bestechungsangebot angeht.
Keine Taktik, dafür groteske Szenen
1981 komme ich als sportlicher Entwicklungshelfer des Auswärtigen Amtes nach Nepal. Die Asian Games 1982 stehen kurz vor der Turnier und der nationale Fußball sucht Unterstützung. Zwei Trainer haben seit 18 Monaten die Nationalmannschaft auf das so wichtige Turnier vorbereitet, ein Chinese und ein Inder. Sie haben die Spieler konditionell in eine recht ordentliche Verfassung gebracht. Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich ihnen den Rang als Cheftrainer streitig machen könnte. Also sage ich mir: „Halte dich zurück! Versetze dich in ihrer Lage. Wie würdest du reagieren, wenn nach anderthalbjähriger Vorbereitungsarbeit ein Kollege von irgendwo her käme und plötzlich die erste Geige spielen will? Ich würde ihm in den Hintern treten!“
Dann aber geschieht etwas, was alles verändert. Nepals Nationalmannschaft trägt gegen die Polizei-Auswahl von Kathmandu ein Testspiel aus und erreicht nur ein mageres Remis, was sich natürlich wie eine Niederlage anfühlt. Diesem Spiel fehlt jegliche taktische Konzeption, es ereignen sich geradezu groteske Szenen. Kein System ist zu erkennen, keine erkennbar Marschroute.
Abends kommt der Präsident des nepalesischen Fußballverbandes Sharad Sahah zu mir ins Hotel. Er ist verzweifelt, er sagt einige Minuten gar nichts, schaut mich nur an. Er befürchtet die Blamage im Eröffnungsspiel der Asian Games, und das im Angesicht des Königs. Ich sage ihm: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Machen Sie weiter wie bisher, oder die Mannschaft muss taktisch anders eingestellt werden. Das ist aber ein Risiko, die Zeit ist zu knapp.“ „Herr Gutendorf“, antwortet er mir, „Sie sind Profitrainer, Sie haben mit Spielern wie Kevin Keegan zusammengearbeitet, ich vertraue Ihnen. Ich bitte Sie, werden Sie unser Trainer!“ „Ok“, sage ich.
Sie erwarten hohe Niederlagen
Anderntags kommen die beiden bisherigen Coaches zu mir und bieten mir volle Unterstützung an. Ich bin verblüfft. Eine derartige Loyalität ist sehr selten. Ich nehme also an. Die beiden Kollegen aus Kalkutta und Peking sind prächtige Kerle. Ich merke aber auch, dass sie erleichtert sind, die Bürde der Verantwortung nicht mehr tragen zu müssen. Sie erwarten hohe Niederlagen gegen die arabischen Nationen.
Ich krempele um, lehre die willigen Spieler einige einfache taktische Spielzüge, die immer wieder im Training, oft stundenlang, gebüffelt werden. Dann spielen die Burschen eine Woche später erneut gegen die Polizei-Auswahl. Diesmal gewinnen Sie mit 11:0.