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Seite 2: „Olli war nie ein Lautsprecher“

Olli konnte sich auf den Punkt kon­zen­trieren, alle Neben­säch­lich­keiten aus­blenden und auf sich kon­zen­trieren. Das führte dazu, dass sich zwi­schen uns nicht unbe­dingt eine Meister-Lehr­ling-Bezie­hung ein­stellte. Aber von jeder Trai­nings­ein­heit mit ihm konnte ich lernen. Alles unter­zu­ordnen, immer pro­fes­sio­nell zu sein, von Jetzt auf Gleich Leis­tung zu bringen. Was ich gelernt hatte, sollte ich kurze Zeit später bei meinem ersten Spiel gegen die Glasgow Ran­gers unter Beweis stellen. Olli und Bernd Dreher hatten sich am Wochen­ende gegen Frank­furt nach­ein­ander ver­letzt. Nun war ich also in der Cham­pions League gefor­dert – wir spielten 1:1.

Die Nie­der­lage in Bar­ce­lona wird Olli ver­än­dert haben. Danach hat sich sein Wille uner­mess­lich gestei­gert. Er wollte diesen Cham­pions-League-Pokal um jeden Preis. Vor unserem nächsten großen Finale 2001 hatte ich mich an der Fing­ersehne ver­letzt, gehörte im Anzug gekleidet zwar zum Tross, aber ver­folgte das Spiel gegen Valencia von einem Platz nahe der Aus­wech­sel­bank. Nor­ma­ler­weise ach­tete ich als Aus­wech­sel­spieler immer darauf, was Olli tat. In diesem Spiel, bei diesen Emo­tionen, war das kaum mög­lich. Und doch: Olli holte den Titel. Drei Elf­meter wehrte er ab, auch wenn er sonst nicht als Elf­me­ter­killer galt. Aber diesen Pokal, den wollte er nach 1999 unbe­dingt. 

Die letzten Sekunden in Ham­burg

Aber eine andere Szene aus dieser Saison ist mir in Erin­ne­rung, die seine Unbän­dig­keit am besten beschreibt. Es waren die Schluss­mi­nuten in Ham­burg, 34. Spieltag. Gerade hatten wir das 0:1 kas­siert, das uns eigent­lich die Meis­ter­schaft kosten sollte, wäh­rend die Men­schen in Gel­sen­kir­chen schon zu Feiern begannen. In diesem Moment riss Olli die Emo­tionen an sich. Er ras­tete aus – im posi­tiven Sinne. Jeden ein­zelnen Vor­der­mann trieb er nach vorne. Weiter, weiter. Und als wir den indi­rekten Frei­stoß in Ham­burgs Sech­zehner bekamen, lief auch Olli nach vorne, wir­belte alles durch­ein­ander. Er pro­vo­zierte das Irgendwie. Stefan Effen­berg musste ihn regel­recht beru­higen. Aber Olli wollte alles tun, damit dieser Ball sein Ziel finden würde. Wenige Sekunden später waren wir Meister. 

Dabei war Olli nie ein Laut­spre­cher. In der Kabine kon­zen­trierte er sich oft auf sich selbst. Natür­lich, er konnte eine Mann­schaft not­falls wach­rüt­teln. Doch seinen Füh­rungs­an­spruch hatte er sich auf dem Platz erar­beitet. Dazu nutzte unser Trainer Ottmar Hitz­feld einen kleinen Kniff. Ich habe es nie erlebt, dass Olli – völlig gleich, wie schwer sein Patzer war – vor der Mann­schaft explizit kri­ti­siert wurde. Im Ein­zel­ge­spräch, viel­leicht mit Sepp Maier, da wurde es ihm bestimmt gesagt. Aber nicht vor den anderen. Das sorgte dafür, dass Olli immer sicher war. Er wurde nie ange­gangen, nie in Frage gestellt. Für die Ent­wick­lung eines Tor­warts ist das ideal. 

Extra­schichten am Morgen

Denn dass Olli sich zurück­ge­lehnt hätte, kam sowieso nicht vor. Er wusste schon, wenn ihm ein Fehler unter­laufen war. Und die Folgen bekam ich nicht selten zu spüren. Nach einem schlechten Spiel erhielt ich oft Abends noch eine Nach­richt, am nächsten Morgen etwas früher an der Säbener zu sein. Dann legte Olli mit uns Extra­schichten ein. Bis er die Sicher­heit zurück­er­langte hatte. Sein altes Credo: Auf Dis­zi­plin folgt Erfolg. 

Und was für Erfolge: Acht­fa­cher Deut­scher Meister, Cham­pions-League-Sieger, Euro­pa­meister, Vize-Welt­meister, sechs­fa­cher DFB-Pokal-Sieger, Welt­po­kal­sieger, drei­fa­cher Welt­tor­hüter, bester Spieler einer Welt­meis­ter­schaft. Sein ganzes Leben Welt­klasse. Seit 50 Jahren – herz­li­chen Glück­wunsch, lieber Olli.