Heute Abend will BFC Dynamo den FC Schalke im DFB-Pokal ärgern. Gefordert ist Dynamo-Trainer Réne Rydlewicz, der uns tiefe Einblicke in das Seelenleben eines Fußballtrainers geliefert hat.
Obwohl die Zeit im Osten oft langsamer dahintropft und mein altes Internatszimmer immer noch hinter dem gleichen grauen Putz existiert, hat sich beim BFC Dynamo vieles getan mit den Jahren. Der Klub ist von einem kühlen Verein der Elite, in dem die Fußballer die größte Klappe hatten, zu einem integrativen Breitensportverein geworden, in dem die Fußballer immer noch die größte Klappe haben. Ich sehe täglich hunderte Kinder und Jugendliche, alle mit diesem einen Traum in den Köpfen: Fußballstar werden.
Als Trainer und Vorbild ist es mein Job, diese Wünsche zu fördern, aber auch zu warnen: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Profis werden, ist verschwindend klein. Ich vermittle selbst meinen Viertligaspielern, den Beinahe-Profis, dass Fußball mehr ist als die Bundesliga. Er findet Freunde, schafft schnell ein Umfeld, wenn man in eine neue Stadt ziehen muss, er kann neben dem Beruf ein Zuverdienst sein. Das ist mehr als die meisten Sportler haben. Und ich kann ihnen nur empfehlen: Seid wie Jari Litmanen.
„So. Um neun. Gute Nacht.“
In Rostock war ich der Zimmerkollege dieses Weltstars und er mein Vorbild. Im Training konnte er nur Vollgas. Auch wenn er ruhig spielen sollte, damit die anderen in die Übung reinkommen konnten, rasierten seine Pässe den Rasen. Abseits des Platzes war er die personifizierte Disziplin. Abends auf dem Zimmer sagte er: „So. Um neun. Gute Nacht.“ Der Finne schob sich die Schlafbrille ins Gesicht und pennte. Nur eines konnte ich Jari beibringen: Backgammon.
Er spielte es mit kindlicher Unbeschwertheit, er war süchtig danach. Wenn ich sage, seid wie Jari, meine ich: immer alles geben, diszipliniert sein – aber sich vor allem die kleinen Freuden des Lebens bewahren. Zwischen Hohenschönhausen und Litmanen wird niemand automatisch Profi, die meisten aber zu glücklichen Menschen.
Gelegentlich werde ich gefragt, was mich in meiner Karriere glücklich gemacht hat. Ich weiß es nicht. Manchmal spüre ich eine Leere, wenn ich an meine Profijahre zurückdenke.
Für dieses Gefühl bin ich Trainer geworden
Um meinem Sohn, er ist 5, zu zeigen, was der Papa früher gemacht hat, habe ich eine DVD mit meinen Toren zusammengeschnitten. Doch die Szenen berühren mich kaum. Als sähe ich einem Fremden zu. Vielleicht ist es ein Schutzreflex des Gehirns, der verhindert, dass Leute wie ich sich morgens die Strümpfe bis zu den Knien hochziehen und auf dem Weg zum Briefkasten die Hände über dem Kopf zusammenklatschen. Vielleicht war der Profifußball ein Abenteuer, für mich aber nicht die beste Sache der Welt.
Wenn mir ein Moment einfällt, der annähend perfekt war, dann war es eine Einwechslung in Rostock, die ich als Manager erlebte. Ein erfolgloses Kapitel mit vielen Fehlern. Doch ein Augenblick hat sich positiv eingebrannt. Tobi Jänicke, damals keine 20 Jahre alt, machte sein erstes Spiel für seinen Heimatverein. Ich stand auf und es schüttelte mich. Ich hatte Gänsehaut.
So muss sich auch ein Erzieher fühlen, der ein Kind nach vielen gemeinsamen Beulen und Schrammen mit dem großen Ranzen auf dem Rücken in das Leben stolpern sieht. Für dieses Gefühl bin ich Fußballtrainer geworden.