Strely Mamba wuchs in einem Container-Wohnheim auf und musste am eigenen Leib erfahren, dass Alltagsrassismus nicht nur in den USA ein großes Problem ist. Der Paderborn-Stürmer über seinen Weg in die Bundesliga, Geldsorgen in der Kindheit und rassistische Sprüche im Supermarkt.
Strely Mamba ist 25 Jahre alt und spielt seit diesem Sommer für den SC Paderborn. In seiner Bundesligakarriere kommt er bisher auf 21 Spiele, fünf Tore und zwei Assists. Für Energie Cottbus hatte er zuvor in 110 Spielen 44 Tore erzielt.
Vorneweg: Strely oder Streli Mamba?
Eigentlich Strely, so steht es in der Geburtsurkunde. Aber da sich das „Y“ wie ein „I“ spricht, wurde ich irgendwann einfach immer Streli geschrieben. So haben es die Behörden in meinen ersten Ausweis gedruckt, so steht es dementsprechend auch in meinem Spielerpass. Jetzt ist es wohl zu spät, daran noch zu rütteln. Obwohl mir die Schreibweise meiner Eltern eigentlich lieber ist.
Dann können ja zumindest wir uns daran halten. Also, Strely Mamba: Warum sind Sie kein Leichtathlet geworden?
Sie meinen, weil ich schnell bin?
Sie sind nicht schnell, Sie sind irre schnell.
Stimmt schon. Ich gehöre, glaube ich, zu den schnelleren Spielern der Bundesliga.
Wissen Sie, was Sie auf 100 Meter laufen?
Nein, das habe ich noch nie gemessen. Aber diese Distanz ist für den Fußball ja auch egal. Wichtiger sind die ersten 20, 30 Meter, die kurzen Sprints, mit denen man den Gegnern entwischen kann. Aber zur Ausgangsfrage: Einfach nur rennen ist mir im Vergleich zum Fußball zu einseitig.
Haben Sie als Kind denn mal etwas anderes ausprobiert als Fußball?
Klar, als ich acht, neun Jahre alt war, habe ich auch anderen Sport gemacht. Ich habe Tischtennis gespielt, Handball und Basketball. Aber speziell für den Basketball fehlte mir die Größe – und das Talent. Obwohl die meisten Leute immer dachten, ich würde total abgehen. Da waren die Erwartungen stets: Ein dunkelhäutiger Junge? Der muss doch Basketball zocken können! Aber das war bei mir nicht der Fall. Und unterm Strich hat der Fußball schon in meiner Kindheit alles überstrahlt.
In was für Verhältnissen sind Sie groß geworden?
Ich bin in Göppingen geboren und habe später vor allem im Stuttgarter Raum gelebt. Die ersten Jahre meines Lebens bin ich aber in einem Ort namens Kuchen aufgewachsen.
Klingt gemütlich.
Klingt zwar so, aber gemütlich war es zumindest für meine Familie eher nicht. Im Gegenteil, die Verhältnisse waren ziemlich schwierig. Meine Eltern sind aus dem Kongo nach Deutschland geflohen und haben hier Asyl beantragt. Bis ich sieben Jahre alt war, lebten wir gemeinsam mit meiner Schwester in einer Container-Unterkunft. Wir hatten zwei kleine Räume für uns vier, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Küche, Toilette und Badezimmer haben wir uns mit anderen Menschen geteilt.
Wie haben Sie diese Jahre in Erinnerung?
Ach, ganz gut eigentlich. Ich persönlich habe meine Kindheit als sehr schön in Erinnerung, ich kannte es ja nicht anders. Deswegen war ich immer mit dem zufrieden, was wir hatten. Auch wenn es nicht viel war – beziehungsweise eigentlich fast gar nichts. Bei uns zu Hause wurde viel improvisiert.
„Meine Eltern hatten nicht das Geld, um mir einen Fußball zu kaufen“
Was bedeutet das, improvisiert?
Meine Eltern hatten zum Beispiel nicht das Geld, um mir einen Fußball zu kaufen. Aber eines Tages war im Nahkauf ein Basketball im Sonderangebot – da haben sie dann zugeschlagen. Von da an habe ich halt mit einem Basketball gekickt. Ähnlich lief es mit dem Fahrrad. Für ein eigenes war das Geld zu knapp, also habe ich mir eins mit meiner Schwester geteilt. Auch was die Sprache anging, mussten wir kreativ werden. Als ich klein war, sprachen meine Eltern nur gebrochen Deutsch. Sie haben zwar immer versucht, sich zu verständigen und mit der Zeit wurde es auch besser. Aber zu Beginn musste ich manchmal bei Elterngesprächen in der Schule für sie übersetzen. Was aber auch von Vorteil sein konnte. Wenn es Ärger gab, konnte ich ein bisschen tricksen…
Wie waren Sie denn als kleiner Junge drauf? Eher ein Träumer? Oder eher eine Stressbacke?
Weder noch. Ich war einfach gechillt. (Lacht.) Ich war ein ganz normaler Junge, habe in den Tag hinein gelebt, nicht an Morgen gedacht. Ich bin in die Schule gegangen, wieder nach Hause gedackelt, habe mich bisweilen vor den Hausaufgaben gedrückt und bin lieber auf den Bolzplatz gerannt.
Hat Ihnen das Ärger eingebrockt?
Indirekt schon – weil ich oft die Zeit vergessen habe und dann viel zu spät wieder nach Hause kam. Ich war mit den anderen Jungs draußen kicken, aber keiner von uns kleinen Scheißern besaß eine Uhr oder ein Handy. Ich konnte also selber gar nicht gucken, wie spät es war. Und bis mir mal in den Sinn kam, einen älteren Jungen nach der Uhrzeit zu fragen, war es meistens schon zu spät. Vor allem im Sommer war es tückisch. Ich weiß noch genau: Damals musste ich immer um 18 Uhr zu Hause sein und um 20 Uhr ins Bett – aber im Sommer ist es um 18 Uhr noch übertrieben hell. Das fühlte sich an wie mitten am Tag. Dementsprechend spät kam ich manchmal heim. Dann habe ich mich an die Wohnungstür geschlichen und erstmal versucht, von außen zu horchen. Wer befindet sich gerade wo? Ist jemand im Wohnzimmer? Ich wollte den perfekten Moment abpassen, um heimlich durch den Flur in mein Zimmer zu flitzen.
Und? Hat das funktioniert?
Natürlich nicht. (Lacht.) Meine Eltern wussten ja ganz genau: Der Kleine müsste jetzt irgendwann kommen. Speziell meine Mutter hat aus diesen Situationen dann richtige Spielchen gemacht. Sie ließ mich eine Stunde lang glauben, dass mein Plan aufgegangen sei und alles cool wäre. Und dann hörte ich plötzlich den Ruf: „Streeely!“ Ich dachte nur: „Ach du Scheiße…“ Es folgte eine Standpauke und Hausarrest. Aber ein paar Tage später war ich natürlich trotzdem wieder bolzen.