Strely Mamba wuchs in einem Container-Wohnheim auf und musste am eigenen Leib erfahren, dass Alltagsrassismus nicht nur in den USA ein großes Problem ist. Der Paderborn-Stürmer über seinen Weg in die Bundesliga, Geldsorgen in der Kindheit und rassistische Sprüche im Supermarkt.
Haben Sie denn groß getönt, dass Sie noch Profi werden würden?
Brauchte ich gar nicht, das spricht sich auch so rum. Du redest mit Mitspielern, Gegenspielern, Vereinsverantwortlichen oder Fans, die fragen nach deiner Zukunft, du sagst: „Profifußball.“ Und dann weiß das ein paar Wochen später die halbe Oberliga. Und dann wird natürlich auch gelästert. Aber ich sage mal so: Ich bin im Gegensatz zu einigen dieser Typen, die sich damals das Maul zerrissen haben, heute nicht arbeitslos.
Arbeitslos waren Sie auch damals nicht – Sie haben ja in einem Fitnessstudio gejobbt.
Ich hatte keine andere Wahl, ich brauchte das Geld. Zum Glück kannte ich den Chef ganz gut und konnte mir die Schichten so legen, dass ich es abends trotzdem zum Training geschafft habe. Auch wenn das bedeutete, dass ich um 06:00 Uhr loslegen musste. Ging halt nicht anders.
Richtig Fahrt nahm ihre Karriere erst auf, als Sie zum ersten Mal im Leben den Südwesten des Landes verließen und nach Cottbus wechselten. Wie sind Sie in der Lausitz gelandet?
Ich spielte zu der Zeit für Sandhausen II in der Oberliga, schoss in der Saison zehn Tore und zeigte gute Leistungen. Aber der Trainer der ersten Mannschaft meinte, dass der Sprung zur 1. Mannschaft in die 2. Bundesliga zu groß für mich wäre. Weil ich unbedingt höher spielen wollte und das Angebot von Pele Wollitz auf dem Tisch lag, bin ich nach Cottbus in die Regionalliga gegangen.
In einem Interview mit Spox haben Sie mal gesagt, Cottbus sei zunächst ein „Kulturschock“ gewesen. Wieso?
Ich bin damals mit dem Zug nach Cottbus gefahren, am Hauptbahnhof ausgestiegen und dachte nur: „Wo bin ich hier denn gelandet?“ Jede Stadt versprüht ja eine Atmosphäre, und egal wo man hinkommt, man entwickelt immer recht schnell ein Gefühl für den Vibe einer Stadt. Und in Cottbus war dieser Vibe für mich zunächst nicht sonderlich einladend: Die Leute guckten mich komisch an, es war grau, im Vergleich zum Südwesten wirkte alles etwas verkrampft. Aber ich dachte mir: „Scheiß drauf.“
Und dann wurde es besser?
Auf jeden Fall. Ich habe mit der Zeit tolle Menschen kennengelernt, und die Stadt selber, mit dem historischen Marktplatz und der Altstadt, ist nicht nur grau, im Gegenteil, es gibt tolle Ecken. Aber Fakt ist auch: Wenn die Leute mich als dunkelhäutigen Menschen in einem schicken Auto gesehen haben, haben sie komisch geguckt. Genauso, wenn ich mit etwas teureren Klamotten durch die Stadt gelaufen bin. Es gab komische Blicke – oder dumme Bemerkungen.
Was für Bemerkungen?
Ich wurde auch rassistisch beleidigt. Einmal wartete ich am Bürgersteig auf einen Freund, der mich mit dem Auto abholen wollte. Dann kam gleich ein Typ an: „Gehen Sie sofort von meinem Grundstück!“ Ich meinte nur: „Hä? Ich stehe doch auf dem Bürgersteig und warte nur kurz.“ Dann wurde es gleich ernst: „Gehen Sie hier weg. Hauen Sie ab. Gehen Sie dahin, wo Sie herkommen.“ Da meinte ich nur, dass ich aus Deutschland käme und wo ich seiner Meinung nach denn hingehen solle. Aber das war ein älterer Mann. Noch schlimmer empfinde ich rassistisches Denken, wenn es von jungen Leuten kommt. Einmal war ich im Supermarkt, hinter mir stand ein junger Kerl. Ich hatte meine Einkäufe auf das Band gelegt, aber Kaugummis vergessen, und musste deshalb noch mal kurz nach hinten in der Schlange, um welche zu holen. Ich ging also für einen Augenblick weg, und sofort rutschte der Kerl vor mich. Also sagte ich: „Entschuldigung, können Sie mich bitte vorbei lassen.“ Er reagierte nicht. Er dachte, die Stimme könnte auf keinen Fall meine sein, weil es ja deutsche Worte waren. Dann habe ich ihn angetippt. Er drehte sich um, guckte mich an und sagte: „Du kannst ja deutsch…?“ Ich dachte nur: Ist das sein Ernst? Sehe ich aus, als käme ich vom Mars?
Was macht das mit Ihnen?
Einerseits denke ich bei rassistischen Beleidigungen, wenn einer zum Beispiel „Scheiß Neger“ brüllt: Das sind schwache Menschen, die können sich nicht anders helfen und gehen deswegen auf die Hautfarbe. Weil sie sich davon erhoffen, mich wirklich zu treffen. Andererseits denke ich: Das sind teilweise die gleichen Leute, die mir dann am Wochenende im Stadion zujubeln. Und dann regt es mich natürlich auf. Zurzeit häufen sich die rassistischen Beleidigungen in Stadien ja auch wieder, in Italien, in England. Und ich wäre der erste, der vom Platz gehen würde, wenn so etwas bei einem Spiel von mir passieren würde. Egal, wie es steht oder was das für Konsequenzen hätte. Man darf Rassismus nicht tolerieren. Ich bin fest davon überzeugt: Alle Menschen sind gleich. Wir atmen die gleiche Luft, egal ob schwarz, weiß, gelb oder rot. Ich bin nicht anders als Sie.