Am Freitag um Mitternacht endet die Transferperiode – und beginnt der Brexit. Er wird auf beiden Seiten des Ärmelkanals Auswirkungen auf den Fußball haben.
Vor fünf Tagen prophezeite die englische Zeitung „The Sun“: „Am Deadline Day wird sich der Transfermarkt für immer verändern.“ Das war ausnahmsweise keine der reißerischen Übertreibungen, für die das Boulevardblatt berüchtigt ist, sondern durchaus zutreffend. Denn am Freitag schließt um Mitternacht ja nicht nur das Transferfenster. Er ist auch der Moment, in dem der Brexit zur Realität wird. Und der hat Auswirkungen auf den Fußball – beiderseits des Ärmelkanals.
Wie genau diese Auswirkungen aussehen werden, lässt sich noch nicht mit letzter Sicherheit sagen, weil bis zum Ende des Jahres eine Übergangsphase vereinbart wurde, in der Details geklärt werden. Dazu gehört die Frage, ob Großbritannien nach dem Austritt aus der EU trotzdem Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) werden kann. Die britische Regierung verneint das allerdings, so hat Theresa May in ihrer Grundsatzrede vom März 2018 deutlich gesagt, dass für die Anhänger des Brexit kein Freihandelsvertrag in Frage kommt, keine Zollunion und eben auch kein Beitritt zum EWR.
Warum ist das nun wichtig, sowohl für britische Vereine als auch für europäische? Um dies aufzudröseln, muss man sich die Transferbestimmungen der FIFA anschauen, vor allem den Artikel 19, der schon für so viel Ärger gesorgt hat. Er trägt den Titel „Schutz Minderjähriger“ und stellt ganz lapidar fest: „Ein Spieler darf nur international transferiert werden, wenn er mindestens 18 Jahre alt ist.“ Die FIFA lässt bloß drei Ausnahmen zu. Eine von ihnen betrifft Spieler, die in einem Grenzgebiet wohnen und deshalb für einen ausländischen Klub spielen könnten, ohne von ihrer Familie getrennt zu werden. Eine zweite gilt für Spieler, deren Eltern „aus Gründen, die nichts mit dem Fußballsport zu tun haben, Wohnsitz im Land des neuen Vereins“ nehmen.
Schließlich lässt die FIFA noch eine dritte Ausnahme gelten, nämlich für den Fall, dass der Vereinswechsel „innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) stattfindet und das Alter des Spielers zwischen 16 und 18 Jahren liegt“. Diese dritte Ausnahme hat damit zu tun, dass Fußballverbände gelernt haben, was ihnen drohen kann, wenn sie sich mit dem EU-Recht anlegen. Schließlich war es der Europäische Gerichtshof, der einst das komplette Transfersystem zum Einsturz brachte, weil es einem EU-Bürger namens Jean-Marc Bosman die freie Wahl seines Arbeitsplatzes erschwerte.
Mit anderen Worten: Obwohl die Klubs immer jüngere Spieler scouten und Fußballer in immer jüngeren Jahren zu Profis werden, ist es für minderjährige Talente heute sehr schwierig, sich einem ausländischen Klub anzuschließen. Es sei denn, sie haben das Glück, Bürger der EU zu sein. Der Amerikaner Christian Pulisic durfte nur deswegen mit 16 Jahren zu Borussia Dortmund wechseln, weil er dank eines Großvaters aus Kroatien die Staatsbürgerschaft dieses Landes annehmen konnte und damit im Besitz eines EU-Passes war.
Diese Möglichkeit fällt nach dem Brexit mit hoher Wahrscheinlichkeit weg, wann immer britische Bürger oder Vereine beteiligt sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass es für den BVB keinen zweiten Jadon Sancho geben wird. Der Engländer konnte im Sommer 2017 mit 17 Jahren einen Profivertrag in Dortmund bekommen, weil er da noch EU-Bürger war. Nach dem Brexit ist ein solcher Wechsel nicht mehr ohne weiteres möglich. Und das gilt natürlich auch für die andere Richtung: Der erst 16-jährige Paul Pogba durfte im Oktober 2009 nur deswegen zu Manchester United wechseln, weil das damals ein Transfer innerhalb der EU war.