Wer Drama sucht, sollte das Finale gucken. Fans des schönen Fußballs schauen dann allerdings in die Röhre. Ihnen bleibt nur das Spiel um Platz drei.
Entsprechend sollte das Publikum jedoch damit rechnen, dass für die Franzosen im Finale das Nicht-Verlieren erst recht an erster Stelle steht. Schließlich droht die zweite Endspielpleite in Folge nach dem Finale der EM 2016. Schon damals hatte sich eine Mannschaft, von der viele Experten geglaubt hatten, sie könne es eigentlich besser, mit zynischem Pragmatismus zum Titel gemauert.
Verhinderungsfußball
Es scheint, als hätte sich die Équipe Tricolore stilistisch vom Verhinderungsfußball der Portugiesen inspirieren lassen. Lediglich eines von sieben EM-Spielen hatte Portugal in der regulären Spielzeit gewinnen können – das Halbfinale gegen Wales. Immerhin sind das „nur“ zwei Siege weniger, als der andere Teilnehmer dieses WM-Finals in 90 Minuten auf sich vereint. Hatte Kroatien in der Vorrunde noch mit einer weißen Weste geglänzt, so mussten nach der Vorrunde zwei Elfmeterschießen und eine Verlängerung herhalten. Die Kroaten fremdelten gegen Dänemark, Russland und England lange Zeit mit ihrer Favoritenrolle und taten sich schwer, spielerische Lösungen zu finden. Der Finaleinzug von Mandzukic & Co. ist vor allem ein Triumph der Moral. In allen drei K.o.-Spielen geriet Kroatien in Rückstand. Bloß stehen die Vorzeichen für ein spielerisch hochwertiges Endspiel im Moskauer Luschniki-Stadion statistisch gesehen eben nicht sonderlich gut. Überhaupt fielen in den letzten drei WM-Finals gerade einmal zwei Tore in der regulären Spielzeit. Beide beim 1:1 zwischen Frankreich und Italien im Sommer 2006. 2010 und 2014 ging es jeweils torlos in die Verlängerung.
Ganz anders dagegen die Spiele um Platz drei: Zwölf Tore waren es allein in den letzten drei Partien um WM-Bronze. Losgelöst von der Fallhöhe und dem Versagensdruck eines Endspiels, können die Verlierer der beiden Halbfinals – im Wissen um die eigentliche Nichtigkeit des dritten Platzes – unbeschwert aufspielen. Die Partie muss sich nicht dem höheren Zweck des Titelgewinns unterwerfen, sondern ist einzig und allein sich selbst verpflichtet. L’art pour l’art, Fußball um des Fußballs willen. In einem Sport, in dem der Leistungsgedanke immer weiter ausgereizt wird, bietet das „kleine Finale“ eine willkommene Chance zur Rückbesinnung auf die Tugend des schönen Spiels.
Nichts zu verlieren
Dem haben sich vor allem die Belgier mit einer bewundernswerten Kompromisslosigkeit verschrieben, die beim 2:1‑Viertelfinalsieg gegen Brasilien in den besten 90 Minuten dieses Turniers kulminierte. Wird diese Art des Spielens auch nicht mit dem Titel belohnt, so hat sie doch zumindest heute Abend die Aufmerksamkeit des Zuschauers verdient. Kann er sich davon freimachen, am Ende eines Spiels einen (ekstatischen) Gewinner und einen (untröstlichen) Verlierer haben zu müssen, darf er sich auf eine Begegnung der beiden erfolgreichsten Offensiven der WM freuen, die in erster Linie das verspricht, was den Fußball sehenswert macht: Tore.