Alex Feuerherdt, welche Motivation steht hinter der „Aktion Libero – Sportblogs gegen Homophobie im Fußball“?
Alex Feuerherdt: Wir sind der Ansicht, dass die Problematik der Homosexuellenfeindlichkeit weiterhin aktuell ist. In den vergangenen Monaten hat es ganz konkrete Anlässe gegeben, die uns dazu bewogen haben, aktiv zu werden. Profispieler wie Philipp Lahm oder Arne Friedrich waren der Ansicht, sich offensiv dazu bekennen zu müssen, nicht schwul zu sein. Oliver Bierhoff fühlte sich durch den in einem „Tatort“ geäußerten Satz „Die halbe Nationalmannschaft ist angeblich schwul, das ist doch schon so eine Art Volkssport, das zu verbreiten“ provoziert und erwiderte darauf, er empfinde solche Äußerungen als Angriff auf seine Familie. Und DFB-Präsident Theo Zwanziger hat in der Affäre um Manfred Amerell ein sehr unglückliches Krisenmanagement gefahren, denn plötzlich stand das Thema Homosexualität im Mittelpunkt und nicht der mögliche Machtmissbrauch eines Chefs gegenüber seinem „Untergebenen“.
Hat sich denn in den letzten Jahren gar nichts zum Besseren gewendet?
Alex Feuerherdt: Der DFB ist seit einigen Jahren dabei, offensive Kampagnen gegen Homophobie durchzuführen. Doch die Belastungsproben dieser Kampagnen fallen immer wieder negativ aus. Die Affäre Amerell ist dafür ein gutes Beispiel. Einerseits gibt es schöne Worte, aber wann immer es eng wird, bleibt nicht mehr viel davon übrig.
Wie sieht es auf Seiten der Fans aus. Gibt es wenigstens dort Fortschritte?
Alex Feuerherdt: Der Einsatz des Wortes „schwul“ in beleidigender Absicht ist zwar zurückgegangen, denn es gibt einzelne Initiativen, die sich gegen Homophobie einsetzen, und es haben sich in den ersten beiden Ligen etwa 20 schwul-lesbische Fanclubs gegründet. Doch es ist immer noch so, dass sich kein Profifußballer in Deutschland geoutet hat, nicht zuletzt in der Befürchtung, er könnte von den Fans, besonders der gegnerischen Mannschaft, verhöhnt und durch die Medien gezogen werden. Wir sind also noch weit davon entfernt, dass Homosexualität als etwas Selbstverständliches angesehen wird, so wie es aus unserer Sicht eigentlich sein sollte.
Was würde mit einem Spieler passieren, der sich outet?
Alex Feuerherdt: Das ist ungewiss und es gibt auch aus der Innenansicht des Fußballs unterschiedliche Meinungen dazu. Philipp Lahm hat gesagt: „Ich würde es keinem raten, es zu tun.“ Andererseits hat Mario Gomez erwidert: „Ich glaube schon, dass es eine gute Idee ist, denn dann würde von dem Spieler eine Last abfallen und er könnte befreiter aufspielen.“ Doch die bereits angesprochenen Rückschläge lassen uns daran zweifeln, dass es bereits die Möglichkeit gibt, im Profifußball mit seiner Homosexualität offen zu leben. Ein weiteres Indiz sind die Recherchen für das Buch „Das Schweigen der Männer“. Die Autoren haben alle Profivereine angeschrieben und gefragt, ob und wie sie mit den Themen Homosexualität und Homophobie umgehen. Nur zwölf haben überhaupt reagiert, davon lediglich vier in einer Form, die über eine reine Verlautbarung hinausging.
Warum bezieht sich die Aktion nur auf das Thema Homophobie und nicht auch auf andere problematische Erscheinungen wie Rassismus oder Antisemitismus?
Alex Feuerherdt: Weil es zu diesen Themen schon Faninitiativen gibt, die durchaus Erfolg hatten. Zum Thema Rassismus wird seit Jahren gearbeitet und die Situation hier hat sich zumindest in den Profiligen erkennbar verbessert. Auch der DFB ist hier mittlerweile sehr engagiert. Es gibt also ein Bewusstsein dafür. Beim Thema Homophobie sieht es noch deutlich anders aus. Die Bezeichnung eines Spielers als „schwul“ wird noch lange nicht so streng geahndet wie eine rassistische Äußerung. Ich erinnere an die Debatte, ob Roman Weidenfeller Gerald Asamoah als „schwarzes“ oder „schwules Schwein“ bezeichnet hat. Irgendwann wurde sich auf „schwules Schwein“ festgelegt und Weidenfeller ist mit einer vergleichsweise geringen Strafe davon gekommen. Das bedeutet, dass eine homophobe Beleidigung als weniger schlimm eingeschätzt wird als eine rassistische Äußerung.
Wie begegnen Sie der Argumentation, dass solche Beleidigungen zum Fußball dazu gehören?
Alex Feuerherdt: Diese Form von Argumentation hat es lange Zeit auch im Bereich des Rassismus gegeben. Es hieß, dass es normal sei, wenn man Affenlaute macht. Dagegen ist etwas unternommen worden und deswegen ist das heute nicht mehr selbstverständlich. Wir wollen deutlich machen, dass wir auch den Gebrauch des Wortes „schwul“ in beleidigender Absicht überhaupt nicht normal finden. Im Gegenteil, normal wäre, wenn jeder seine Homosexualität genauso offen leben könnte wie seine Heterosexualität. So wie das auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zunehmend der Fall ist. Der Fußball hinkt der Entwicklung noch meilenweit hinterher. Es gibt Politiker und Schauspieler, die offen schwul leben, nur im Fußball ist das offensichtlich nicht möglich. Da wird so getan, als würde Homophobie als klassisches Männerritual dazugehören. Dabei muss man sich vor Augen führen, dass es natürlich schwule Fußballer gibt. Was mag in denen vorgehen, wenn die Tribüne „Schwule, Schwule“ schreit?
Momentan ist die „Aktion Libero“ auf der Ebene von Internetblogs angesiedelt. Ist es geplant, sie auch in die Stadien zu tragen?
Alex Feuerherdt: Zunächst einmal haben wir mit unseren bescheidenen Mitteln versucht, die Kampagne überhaupt zu initiieren. Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir davon ausgehen, dass auch im virtuellen Raum eine große Aufmerksamkeit herrscht. Viele Menschen lesen die beteiligten Sportblogs. Bei 60 Blogs, die sich uns angeschlossen haben, kommen pro Tag ein paar zehntausend Menschen zusammen, die wir erreichen. Unmittelbar haben wir keine Aktionen in den Stadien geplant. Wir lassen uns aber gerne überraschen von Reaktionen, die es möglicherweise von Fanclubs oder Vereinen geben wird. Dann wären wir auch gerne bereit, die Initiative über die Blogs hinaus zu tragen.