Die Geschichte ist unglaublich, aber wahr: Wie heute Fußball gespielt wird, geht auf die Ideen eines Brückenbauingenieurs zurück. Helmut Groß erfand das Spiel neu und wurde zum Mentor von Ralf Rangnick.
Der FC Liverpool macht es und der FC Chelsea, die Bayern sowieso. Aber auch der 1.FC Union Berlin oder der 1.FC Heidenheim. Wobei es fast sinnlos ist diese Aufzählung weiter fortzuführen, weil es heutzutage kaum Mannschaften gibt, die es anders machen. Im Detail mag es endlos viele Varianten geben, aber inzwischen verteidigt eigentlich jede Mannschaft „ballorientiert“. Es ist derart selbstverständlich, dass man sich kaum noch vorstellen kann, wie dereinst zehn Feldspieler auf dem Platz damit beschäftigt waren, jeweils auf ihren Gegenspieler aufzupassen. „Dem rennst du bis aufs Klo hinterher“, war eine beliebte Ansage der Trainer im Zeitalter der Manndeckung.
Heute kommt einem das ineffizient und bescheuert vor. Deshalb ist es auch kaum vorstellbar ist, dass sich erst einmal jemand eine Alternative zur Manndeckung ausdenken musste. Die zudem anfangs noch umstritten war und für wilde Debatten sorgte. Ebenfalls kaum vorstellbar: Entwickelt wurde das Konzept nicht an der Spitze des Weltfußballs, sondern in der schwäbischen Provinz. Dort, wo die Tüftler und Bastler zu Hause sind, die irgendwelche Spezialmuffen oder Kugellager entwickeln, die sie dann als Weltmarktführer um die ganze Welt verkaufen. Oder den „Deckungsschatten“.
Ohne Helmut Groß sähe der Fußball heute anders aus. Der große Unbekannte inspirierte Klopp und Tuchel. Für Rangnick wurde er zum Mentor und Freund. Hier erklärt er, wie er das Spiel veränderte.
Um das Konzept des „Deckungsschattens“ zu verstehen, muss man sich dort eine Lichtquelle vorstellen, wo der Ball ist. Der Verteidiger, der den Ball zu erobern versucht, wirft einen Schatten. In diesen Schattenbereich kann der Spieler am Ball nicht passen. Versuchen nun zwei oder drei Verteidiger den Ball zu erobern, ist ganz viel Schatten und kaum ein Weg für einen gefährlichen Pass. Wer so denkt, lässt seine Spieler ihren Gegnern nicht mehr aufs Klo hinterherrennen.
Ausgedacht hatte sich das der Brückenbauingenieur Helmut Groß. Seine Fußball-Ideen hat er von Geislingen an der Steige anschließend zwar nicht um die ganze Welt verkauft, aber sie sind von dort aus durchgesickert. Weltmarktführer wurden sie allerdings. Als Groß 1977 Trainer des Oberligisten SC Geislingen wurde, begann er das Konzept zu erproben. Ziemlich erfolgreich: Geislingen stieg in die dritte Liga auf und die gegnerischen Trainer fragten sich: Wie kickten die eigentlich?