Vor 50 Jahren eskalierte nach einem WM-Qualifikationsspiel der schwelende Konflikt zwischen El Salvador und Honduras. Der sogenannte Fußballkrieg kostete Tausende das Leben, der Fußball wurde schamlos für politische Zwecke missbraucht.
Bulnes – der Landesverteidiger. Rodríguez – der Nationalheld. Zwei Spieler, für die das Ergebnis des Spiels nicht unterschiedlicher hätte sein können, die aber letztlich beide mit ihren Mannschaften Opfer der Politik wurden. Rivalen auf dem Platz, die nun drohten, auch außerhalb zu Feinden zu werden. Beide waren im Sommer 1969 junge Spieler, die nur Fussball im Kopf hatten und von Politik nichts wissen wollten. Rodríguez, 23 Jahre, Rückennummer 7, Rechtsaußen bei seinem Verein Club Deportivo Universidad aus San Salvador und auch Rechtsaußen in der Nationalelf. Zum Zeitpunkt der Ausscheidungsspiele gegen Honduras hatte er schon alle Jugendnationalteams des Landes durchlaufen. Der Kern der Nationalmannschaft spielte seit vielen Jahren zusammen und hatte ein Jahr zuvor an den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko teilgenommen.
Azulejo Bulnes, Rückennummer 4, genau ein Jahr jünger als Pipo Rodríguez, ebenso klein und wendig, beidfüßig, ein verbissener Verteidiger bei Olimpia de Tegucigalpa, sowas wie dem FC Bayern München von Honduras. Ein vorbildlicher Sportler, der, damals wie heute, ohne Alkohol und Nikotin auskommt. „Ich war schon Profi, als wir noch gar nicht wussten, was das ist“, sagt er und man merkt ihm den Frust an, dass er nicht 20 Jahre später geboren wurde. Mit 35 Jahren schnürte er bei der WM 1982 in Spanien noch mal die Stiefel für Honduras.
Dort kreuzten sich zum letzten Mal die Wege mit Rodríguez, der bei dem Turnier die Nationalelf von El Salvador trainierte. In Spanien war das Glück anders verteilt. Während Rodríguez mit seinen Schützlingen gegen Ungarn mit 1:10 die höchste Niederlage der WM-Geschichte kassierte und El Salvador nur dieses eine Tor im gesamten Turnier erzielte, wäre Bulnes mit seiner Mannschaft nach zwei Unentschieden gegen Gastgeber Spanien und Nordirland fast in die Zwischenrunde eingezogen. Doch im entscheidenden Spiel gegen Jugoslawien unterlief ausgerechnet ihm das Foul, das zum Elfmeter und zur 0:1‑Pleite führte.
Bis zu 6000 Menschen verloren ihr Leben
Rodríguez hat sich heute vom Fußball weitgehend losgesagt. Er hat eine kleine Baufirma in San Salvador und in der Garage drei deutsche Autos stehen. Bulnes arbeitet für den Staat und ist Co-Moderator einer sonntäglichen Fußball-Talkshow.
Sportler sind beide geblieben. Bulnes läuft jeden Morgen zehn Kilometer und kickt in einer Altherrenmannschaft. Rodríguez spielt noch täglich Tennis. „Ich habe seither nur vier Kilo zugenommen“, sagt er und lacht. Bulnes, der auch im Alter noch immer eine üppige Lockenpracht auf dem Kopf trägt, ähnelt seinem Gegenspieler nicht nur körperlich. Auch die Einschätzungen der Gegenspieler zur Situation damals decken sich: „Wir wollten eigentlich nur Fußball spielen“, sagt der Honduraner. „Wir haben gar nicht richtig kapiert, um was es da außerhalb des Spielfelds eigentlich ging“, sagt der Salvadorianer.
Und zum Beweis zitiert Rodríguez die Worte des damaligen Trainers von El Salvador, Gregorio Bundio Nuñez. Er hatte seinen Kickern eingeschärft, nicht zur Eskalation der politischen Lage beizutragen: „Spielt fair und foult nur im Rahmen des sportlich Notwendigen.“ Beide Seiten hielten sich an diese Vorgabe, erinnert sich Rodríguez: „Die Spiele waren hart, aber sauber.“ Anders als außerhalb des Rasens: Da war es den Politikern in beiden Ländern gelungen, den Fußball für ihre Zwecke zu missbrauchen und die Bevölkerung von der angeblichen Notwendigkeit eines Waffengangs zu überzeugen. Am 14. Juli 1969, drei Wochen nach dem Entscheidungsspiel in Mexiko, folgte ein kurzer, äußerst blutiger Konflikt. In den nur einhundert Stunden, die der Krieg dauerte, verloren bis zu 6000 Menschen ihr Leben.
Große soziale Einschnitte und eine ernste Bedrohung
Es war einer der absurdesten Kriege der Geschichte: Honduras und El Salvador waren so etwas wie Bruderstaaten. Sie haben gemeinsame Wurzeln, die Menschen sprechen dieselbe Sprache, die Landesflaggen ähneln sich, nicht mal eine richtige Grenze gab es. Doch das war Teil des Problems: Honduras ist knapp sechsmal so groß wie El Salvador, hatte Ende der sechziger Jahre aber nur die Hälfte der Einwohner. Über die Jahrzehnte waren daher rund 300 000 Salvadorianer einfach über die Grenze emigriert, hatten sich freies Land genommen, dieses fruchtbar gemacht und so ein Auskommen gefunden, das es für sie in der Heimat nicht mehr gab.
Die Regierung in Honduras, die diese stille Einwanderung immer toleriert hatte, beschloss aufgrund sozialer Probleme im April 1969 aber, die Salvadorianer zu enteignen und nach Hause zu schicken. Das Land, das die Bauern aus Salvador beackert hatten, sollten nun honduranische Campesinos erhalten. Für Salvador war dies schlicht eine Horrorvorstellung, da der Staat von der Größe Hessens ohnehin schon aus allen Nähten platzte. Eine Rückkehr der Migranten bedeutete große soziale Einschnitte und damit eine ernste Bedrohung für die Stabilität der Regierung von Präsident Fidel Sánchez Hernández.