Der Fußball wähnt sich gern unberührt von hässlichen Dingen wie Doping, Korruption oder auch – Missbrauch. Doch das ist er nicht, wie nun das Beispiel Österreich zeigt.
Man darf annehmen, dass demnächst noch mehr Zeugen und Opfer aus der Deckung kommen werden. Auch wenn das in der Branche natürlich nicht gern gesehen wird: „Ich wurde sogar als Nestbeschmutzer beschimpft, weil ich ein System kritisierte, in dem junge Persönlichkeiten gebrochen werden sollen“, beschreibt Scharner die Reaktionen auf sein Buch. „In meinem Umfeld wurde das verharmlost. Es hieß, das muss man aushalten. Manche meinten sogar, das ist eh superlustig.“
Scharner kann auch gut eineinhalb Jahrzehnte später nicht drüber lachen, im Gegenteil: „Es hat mich brutal geprägt. Soll ich mich körperlich foltern lassen? Und warum muss man einen jungen Menschen unterwerfen? Wir sind ja nicht in der Tierwelt, können miteinander sprechen. Ich wäre am nächsten Tag Amok gelaufen, wenn mich mein Karrierebetreuer nicht dazu angehalten hätte, ruhig zu bleiben. Er hat mir abgeraten, den Vorfall öffentlich zu machen, damit ich mir meine Karriere nicht verbaue. Ich habe mich als Reaktion darauf in meinen Kokon zurückgezogen, weder nach links noch nach rechts geschaut und Karriere gemacht. Menschliche Beziehungen konnte ich im Fußballumfeld nur mehr schwer aufbauen.“
Ist der Spuk vorbei?
Im österreichischen Fußball, bei Vereinen und Verbänden, kommt derweil Nervosität auf. Paul Scharner registriert dies mit Zufriedenheit: „Der Druck auf die Systeme ist mit der #metoo-Debatte offensichtlich zu groß geworden. Im Fußball haben die Trainer und Betreuer vom ‚Pastern‘ gewusst, es gab aber keine Konsequenzen. Ich habe damals niemandem von meinem Fall erzählt.“ Scharner betont, dass es ihm bei seinen Enthüllungen nicht so sehr um die Bestrafung der Täter von damals gehe. Die Frage sei doch: „Was prangern wir an? Nur einzelne Personen? Dann ändert sich nichts. Das System dahinter muss sich wandeln und von oben verordnet werden.“
Immerhin: Das „Pastern“ zählt heute scheinbar zur Vergangenheit. Das ist vermutlich Peter Hackmair zu verdanken. Der verrät: „Als ich schließlich einen Profi-Vertrag unterschrieben hatte, wusste ich, was mich beim nächsten Trainingslager erwarten würde. Ich hatte richtig Angst davor und sprach mit meinem damaligen Mentaltrainer darüber. Wir kontaktierten einen Rechtsanwalt, der den Verein mit möglichen juristischen Konsequenzen konfrontierte. Zunächst gab es ein Mords-Tamtam, doch schließlich hat der Verein das ‚Pastern‘ verboten. In weiterer Folge informierte mein Mentaltrainer den ÖFB darüber, dass es das Ritual bei verschiedenen Vereinen gab. Auf unsere Initiative hin wurde es meines Wissens dann in allen Klubs unterbunden. Das war vor etwa zehn Jahren. Ich hoffe, dass das heute auch noch so ist.“