Sepp Blatter, ein Mann mit Visionen. Ein Mann, der sich auch durch haarsträubende Ideen nicht aus der Bahn werfen lässt. Ein Mann, der den Kritikern einst antwortete: „Je mehr man auf mich einschlägt, desto stärker werde ich!“
Jetzt hat der FIFA-Boss bekannt gegeben, bei der WM 2014 erstmals die Torlinien-Technik einzusetzen zu wollen. Klingt nach einem Plan, ist aber noch längst nicht beschlossene Sache. Erst wenn im März 2012 das International Football Association Board (IFAB) ihr O.k. gibt, können sich Spieler und Fans bei der kommenden Weltmeisterschaft auf eine neue technische Errungenschaft freuen. Pikant: Im IFAB sitzen vier Herren aus vier unterschiedlichen Nationen (England, Schottland, Wales, Nordirland) mit je einer Stimme. Sepp Blatter, in diesem Komitee Stellvertreter für die übrigen 204 FIFA-Länder, hat alleine ebenfalls vier Stimmen. Er alleine kann also Reformen verhindern, denn für eine Regeländerung sind laut IFAB-Statuten sechs von acht Stimmen nötig. Klingt bescheuert? Ist es auch.
Wobei die Idee der Torlinien-Technik noch vergleichsweise harmlos ist im Vergleich zu den Fantasie-Vorschlägen, die Blatter in seiner langen, langen Karriere als Godfather des Weltfußballs bereits gemacht hat. Lest hier die Liste des Grauens, vorgetragene Regeländerungswünsche, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen! Ideen, von denen man die Blattern bekommt…
1.
April 1995: Auszeiten im Fußball!
Kein Witz: Die Einführung von Auszeiten während eines Fußballspiels schien 1995 schon beschlossene Sache. Zur Saison 1996/97 sollten Spiele pro Halbzeit zweimal unterbrochen werden, pro Mannschaft waren dafür zwei Minuten eingeplant. Dass diese Regeländerung auf dem Mist der Privatsender gewachsen war, wollte der FIFA-Chef nicht einmal verleugnen: „Dieser wirtschaftliche Effekt ist mir durchaus bewusst.“ Und RTL-Boss Helmut Thoma konnte wieder ruhig einschlafen. Zuvor hatte der TV-Mann gejammert: „So wie die Spiele bislang ablaufen, sind sie für das Fernsehen eine Unsportart!“ Hart, aber Schwachsinn. Merkten dann auch bald die Trainer, die nach den ersten Tests bereits 1995 Sturm gegen die neue Regelung liefen. Und der Fußball kommt bis heute ohne Auszeit aus.
2.
Januar 1996: Tore vergrößern!
Weil dem Fußball-Liebhaber einfach zu wenig Buden fielen, schlug er ein halbes Jahr vor der Euro 1996 vor, die Tore doch einfach zu vergrößern. Größere Tore gleich mehr Buden. Klingt einfach, oder? Doch auch dieser Vorschlag versandete im Fluss des Alltags. Immerhin ermutigte er den Fußball-Autoren Hans Blinkensdörfer zu einem gehässigen Kommentar in der „Stuttgarter Zeitung“: „Um mehr Treffer zu erzielen und Geld zu sparen, könnte man den Architekten Blatter und Co. andere Vorschläge unterbreiten. Beispielsweise den, Zwerge ins Tor zu stellen. Nicht unbedingt Liliputaner, aber vielleicht Jockeytypen bis zu 1,60 Meter und 50 Kilo. Oder auch größere mit Bleiwesten, die nicht zu den Ecken hochfliegen könnten.“
3.
Februar 2005: Passives Abseits abschaffen!
Klare Worte wählte Blatter im Frühjahr 2005 am Rande eines Workshops für 46 potenzielle WM-Schiedsrichter. „Es wäre eine absolute Simplifizierung, wenn nur noch der im Abseits stehen kann, der angespielt wird.“ Und noch bevor die anwesenden Journalisten nachschlagen konnten, was „Simplifizierung“ bedeutet, legte der Präsi nach: „Ich habe mit Jan Koller und Milan Baros gesprochen, die sind sehr angetan von der Idee.“ Kinder, bei diesem Gespräch wären wir gerne dabei gewesen…
4.
Mai 2009: Kampf dem Welt-Doping!
Warum so spät, dachten sich Fußball-Freunde weltweit, als Sepp Blatter im Interview mit der „FAZ“ im Mai 2009 spontan anbot, den Weltsport zu retten. „Wir bieten den anderen Fachverbänden Hilfe an und haben ein Netzwerk von dreitausend Ärzten, die Doping-Kontrollen vornehmen können.“ Puh. Und wir hatten schon gedacht, auch im Fußball gäbe es Doping. Wie konnten wir nur so naiv sein?
5.
September 2006: Elfmeterschießen abschaffen!
Bis zur WM 2010, so der FIFA-Chef im Herbst 2006, wolle man das leidige Elfmeterschießen abschaffen – zumindest im Endspiel. „Ein WM-Endspiel ist Leidenschaft, die Verlängerung ein Drama, aber das Elfmeterschießen eine Tragödie!“ Vier Jahre habe man ja nun Zeit, so Blatter, und kam gleich mit einer super Alternative um die Ecke: Bei einem Finale ohne Sieger werde man einfach ein Wiederholungsspiel über den neuen Weltmeister entscheiden lassen! Klang nach einem Plan. Eigentlich.
6.
August 2010: Kein Unentschieden bei der WM!
„Wir überlegen, das Unentschieden in der Vorrunde abzuschaffen – und die Verlängerung auch!“ Nicht das Geschwätz eines betrunkenen Ex-Schiedsrichters, sondern die Worte des FIFA-Bosses himself. Erst eineinhalb Jahre ist es her, da machte sich Blatter im Gespräch mit dem „Focus“ für den Rausschmiss des guten alten Unentschiedens stark und überlegte zusätzlich: „Auch das Golden Goal könnte man wieder einführen.“ Begründung: „Das erste Tor bestimmt den Sieger, beide Mannschaften müssen stürmen!“ Welcher Schutzengel verhindert eigentlich, dass solche Ideen in die Tat umgesetzt werden?
7.
Juni 2011: Hot Pants-Pflicht im Frauenfußball!
Angeregt durch die einst im Damen-Volleyball eingeführte Klamotten-Vorgabe, die jungen Frauen nur noch in knappen Hot Pants zur Arbeit am Netz erscheinen zu lassen, machte sich auch der Blatter Sepp in einem Interview mit dem Schweizer „Sonntagsblick“ darüber Gedanken. Knappe Höschen, mehr Zuschauer, mehr Werbekohle, so die einfache Rechnung des sympathischen Frauenrechtlers. Was natürlich – Überraschung! – die Fußball-Frauen auf die Palme brachte. Der schönste Konter auf Blatters Playboy-Idee kam von US-Nationalspielerin Julie Foudy: „Wir werden erst engere Shorts tragen, wenn Blatter seine Pressekonferenzen im Badeanzug gibt!“