Arminia Bielefeld ist als Drittligist ins Pokalhalbfinale eingezogen. Nur sechs Teams haben das bisher geschafft. Eine Geschichte von Sensationen, Suff und Schnee.
Kickers Offenbach (1989÷90)
Der erste Amateurverein im Pokalhalbfinale. Die ersten beiden Runden verliefen für Offenbach problemlos: 2:1 gegen Bayer Uerdingen und 3:1 bei der TSG Pfeddersheim. In der dritten Runde rangen die Hessen Mönchengladbach ein 0:0 ab und trafen in der Verlängerung zum Sieg. Zweitligist Duisburg gastierte im Viertelfinale und führte lange mit 1:0. Als kurz vor Schluss Raketen aus dem MSV-Fanblock auf das Spielfeld flogen, stand das Spiel kurz vor dem Abbruch. Die 87. Minute: Am zweiten Pfosten schraubt sich Kroninger nach oben und köpft den Ausgleich. In der Verlängerung hat Offenbach sogar noch Gelegenheiten auf den Sieg, aber es bleibt beim Unentschieden. Ein Wiederholungsspiel muss entscheiden. Das gewannen die Kickers mit 1:0 und standen im Halbfinale. Dort war aber gegen Kaiserslautern Endstation.
Hertha BSC Amateure (1992÷93)
„Hertha-Bubis“ nannte man die Zweitvertretung, unter ihnen war auch ein 19-jähriger wasserstoffblonder Carsten Ramelow, später Vizeweltmeister. Der Trainer Jochen Ziegert war ein Finanzbeamter, die Spieler noch Schüler und Studenten. Feierabendfußballer, die plötzlich Thema in der malaysischen Tageszeitung „New Straits Times“ wurden („Größter Schock der Geschichte“). Was war passiert?
In der ersten Runde ein Freilos, dann ein lockeres 3:0 gegen die SGK Heidelberg. Der Mob von 487 Zuschauern an der Osloer Straße ahnte nicht, dass hier der künftige Pokalfinalist spielte. In der dritten Runde kam Zweitligist VfB Leipzig nach Berlin. Ein Pokalheld wurde geboren: Ayhan Gezen, 21 Jahre alt, schoss das 1:0 und bereitete drei weitere Treffer vor. Endstand: 4:2 für den Verbandsligisten. Gezen machte sich sofort auf den Weg nach Meppen, wo die Hertha-Profis einen Tag darauf ihr Pokalspiel hatten. Eingewechselt in der 70. Minute, bereitete Gezen das entscheidende 3:2 vor und zog mit Hertha I und II ins Achtelfinale ein. Am Ende der Saison hatte Gezen neun Pokalspiele auf dem Buckel.
Danach kam der Titelverteidiger zu den Amateuren: Hannover 96 hatte im Vorjahr sensationell den Titel geholt, blamierte sich aber im Berliner Mommsenstadion. In einem Drama gelang Hertha II ein Last-Minute‑4:3, „Berlin, Berlin, wir bleiben in Berlin!“, schallte es durch die Kabine. Längst war die zweite Mannschaft die Sensation, die Profis schieden einen Tag später aus.
Auch Erstligist Nürnberg im Viertelfinale und die von Hans Meyer trainierten Chemnitzer im Halbfinale waren für die Amateure nur Fallobst. Sensationell standen die „Hertha-Bubis“ im Finale gegen Bayer Leverkusen. 76.000 Zuschauern, in der Kabine orchestrierte eine Dixiland-Kombo die Warm-Up-Musik. Lärm, der für die zarten Leverkusener Profis nur schwer zu verarbeiten war. „Meine Jungs wurden kreidebleich“, sagte Leverkusens Trainer Dragoslav Stepanovic.
Es dauerte 77 quälende Minuten, bis sich Ulf Kirsten am zweiten Pfosten hochschraubte und den Pokaltraum der Amateure kaputt köpfte. Bei der Pokalübergabe an die Leverkusener pfiff das ganze Stadion. Wiederholen wird sich der Fall nicht mehr: Heute dürfen zweite Mannschaften nicht mehr am DFB-Pokal teilnehmen.
Energie Cottbus (1996÷97)
Willi Kronhardt fand in der Halbzeit des Halbfinalspiels 1997 gegen den Karlsruher SC eine ruhige Ecke in der Kabine. Dort schrieb der Cottbuser Spieler den Namen seiner Freundin „Jule“ auf ein weißes T‑Shirt. Es hätte eine romantische Petitesse bleiben können, wenn nicht erstens Energie Cottbus den Erstligisten sensationell ausgeschaltet und zweitens eben dieser Kronhardt das 1:0 geschossen hätte. Vor Millionen von Fernsehzuschauern präsentierte Kronhardt seine Hemdmalerei und initiierte damit die bis heute anhaltende Mode (oder wahlweise Unsitte) der Trikotbotschaften.
Am Ende hieß es 3:0 für Energie und Freibier, ‑schnaps und ‑whisky für die Spieler in der Nachtbar mit dem klangvollen Namen „Eule“. Trainer Ede Geyer zeigte sich schon damals resolut und verlangte: „Morgen müssen meine Spieler wieder stehen wie die Soldaten.“ Cottbus stand seinerzeit stramm vor dem Aufstieg in die zweite Bundesliga.
Im Finale unterlag Geyers Mannschaft allerdings dem VfB Stuttgart. Dessen Trainer, ein gewisser Jogi Löw, ließ sich zur Feier des Tages eine Glatze schneiden. Heute spielt Energie Cottbus wieder in der Dritten Liga, und Willi Kronhardt ist nicht mehr mit Jule zusammen. Sie soll von der raschen Popularität nicht sehr angetan gewesen sein. Vielleicht ahnte sie aber auch nur, was für einen Trend ihr Freund da losgetreten hatte.