Sean Dundee war Mitte der Neunzigerjahre der spannendste Stürmer der Bundesliga. Dann wurde er Deutscher – und traf das Tor nicht mehr.
Für unser Juli-Heft haben wir den ehemaligen Bundesligastürmer Sean Dundee zum großen Karriere-Interview getroffen. Die Ausgabe ist jetzt am Kiosk oder bei uns im Shop erhältlich.
Sean Dundee ist der ultimative Beinahe-Typ. Beinahe mal wäre er Pokalsieger geworden, beinahe auch Torschützenkönig, beinahe hätte er für die Bayern gespielt.
An einem Nachmittag Ende Mai sitzt der ehemalige Profi in einem Café am Karlsruher Hauptbahnhof. „Dann hast du es nicht weit“, hatte er geschrieben. Ein freundlicher Mann, 47 Jahre alt, der noch so aussieht wie früher, beinahe jedenfalls. Er trägt kurzgeschorene Haare, eine Halskette, Tribal-Tattoos. Er scheint gut in Form zu sein, er könnte Werbung für Surfboards oder Strandmode machen, aber jetzt geht’s erst einmal um seine Karriere. Er ist unser Interviewpartner für die Rubrik „Der Fußball, mein Leben und ich“. Und natürlich sprechen wir auch darüber, wie er deutscher Nationalspieler wurde. Beinahe.
Es war Mitte der Neunziger, dem deutschen Fußball ging es ziemlich mittelmäßig. Franz Beckenbauer hatte nach dem WM-Triumph 1990 zwar verkündet, dass die DFB-Elf auf Jahre hinaus unschlagbar sein würde, dann aber wurde sie von Bulgarien besiegt, 1:2 bei der WM 1994, Aus im Viertelfinale. Was für eine Schmach. Rudi Völler und Karl-Heinz Riedle beendeten danach ihre Nationalmannschaftskarrieren, Stefan Kuntz und Jürgen Klinsmann waren schon über 30, und Ulf Kirsten spielte im DFB-Dress selten so stark wie im Verein. Wo waren die jungen Nachwuchsstürmer? Wer würde die Mannschaft mit seinen Toren wieder in ein WM-Finale schießen?
„In meinem Kinderzimmer hingen Poster von Häßler und Klinsmann.“
Sean Dundee, geboren und aufgewachsen im südafrikanischen Durban, war 1992 nach Deutschland gekommen. „Ich war großer Fan des deutschen und des englischen Fußballs“, sagt er. „In meinem Kinderzimmer hingen Poster von Häßler und Klinsmann.“ Weil er aber beim Zweitligisten Stuttgarter Kickers kaum spielen durfte, wechselte er zum Oberligisten TSF Ditzingen. Und auf einmal traf er so oft, dass ihn plötzlich die halbe Bundesliga verpflichten wollte. Sogar der FC Bayern.
Dundee entschied sich allerdings für Karlsruhe, weil dort mittlerweile sein Freund Claus Reitmaier spielte, den er noch von den Kickers kannte. KSC-Trainer Winnie Schäfer freute sich natürlich, aber er legte Dundee nahe, persönlich bei Uli Hoeneß abzusagen. Der Bayern-Manager soll außer sich gewesen sein. „Auch wenn du 75 Tore schießt, wirst du nie wieder ein Angebot für uns bekommen!“, sagte er.
Sean Dundee nahm’s locker und antwortete mit einem Doppelpack beim Auswärtsspiel in München. Der KSC fegte die Bayern 4:1 aus dem eigenen Stadion. Und auch in anderen Spielen traf Dundee nach Belieben, 16 Tore in der ersten Bundesligasaison, 17 in der zweiten. In jenen Jahren war Dundee so beliebt wie Mehmet Scholl und David Beckham zusammen. Klar, auch das nur beinahe, aber immerhin hatte er den besten Spitznamen von allen: Krokodil, wegen Crocodile Dundee. Er war ein leichtfüßiger und torhungriger Kicker, ein Posterboy, der die „Bravo“ und die Kinderzimmer eroberte. Er war das Gegenteil des biederen deutschen Beamtenfußballers.