Sean Dundee war Mitte der Neunzigerjahre der spannendste Stürmer der Bundesliga. Dann wurde er Deutscher – und traf das Tor nicht mehr.
Ende 1995 sollte er sein Länderspieldebüt für Südafrika geben, interessanterweise gegen Deutschland. Wenige Tage vor der Partie besuchte ihn Winnie Schäfer in Johannesburg. Ein fast konspiratives Treffen in der Nähe des Teamhotels. „Sean, spiel nicht“, raunte Schäfer. „Es besteht die Möglichkeit, dass du bald für Deutschland aufläufst.“
Die Nachricht von Schäfer kam zur richtigen Zeit, denn Dundee fühlte sich bei der südafrikanischen Mannschaft nicht willkommen. Die anderen Spieler sollen ihn geschnitten und gemobbt haben. Sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft, er wirkte wie der reiche weiße Profi aus Europa. Also verletzte sich Dundee. Zumindest gab er das vor. „Ich wusste, wie sich ein Muskelfaserriss anfühlt“, sagt er heute.
Berti Vogts war schon länger Fan von Dundee. Er hatte ihn zum Beispiel bei seinem Gala-Spiel gegen die Bayern beobachtet. „Das Blitzen in seinen Augen verriet mir seinen Torinstinkt“, sagte der Bundestrainer. Es begann eine kontroverse Debatte um Dundees Einbürgerung. Cem Özdemir, damals der Ausländerbeauftragte der Grünen, empörte sich: „Es darf für Sportler keine Sonderregeln geben, die nicht auch für andere Menschen gelten.“ Außenminister und KSC-Fan Klaus Kinkel pochte hingegen auf eine Einbürgerung im Schnellverfahren. Letztendlich wurde Dundee Deutscher, weil ein „herausragendes nationales Interesse“ bestanden haben soll. „Ich erfuhr davon im Januar 1997, da war ich gerade im Urlaub“, sagt Dundee.
Sein Debüt sollte er am 26. Februar 1997 gegen Israel geben. „Ich bin bereit“, sagte der Neudeutsche eine Woche vor dem Spiel. Er war in der Form seines Lebens. 14 Tore hatte er in der Saison bereits erzielt, in den vorausgegangenen fünf Spielen hatte er fünf Mal getroffen.
Und dann kam die Bundesliga-Partie in Stuttgart am 22. Februar.
„Manchmal denke ich: Hätte ich den Ball doch abgespielt, bevor mir Thomas Berthold auf die Wade steigen konnte“, sagt er. „Dann wäre ich Nationalspieler geworden.“
Es war ein Zweikampf in der ersten Halbzeit. Ein höllischer Schmerz, und diesmal war die Verletzung echt, Dundee hielt trotzdem bis zum Ende durch. Das Länderspiel und die kommenden Bundesligapartien musste er absagen. Dreimal traf er am Ende der Saison noch, aber nie wieder fand er seine alte Form, nie wieder schoss er so viele Tore. „Das Krokodil schnappt nicht mehr zu“, schrieb die Boulevardpresse jedes Mal, wenn Dundee in einem Spiel wieder leer ausgegangen war.
Berti Vogts lud ihn zwar noch zu zwei weiteren Länderspielen ein. Gegen die Ukraine und Albanien stand Dundee im DFB-Kader, aber er schmorte 90 Minuten auf der Bank.
Zu allem Überfluss flatterte noch ein Einberufungsbescheid der Bundeswehr ein. Grundwehrausbildung. Statt für Deutschland Tore zu schießen, musste Dundee für Deutschland mit dem Gewehr schießen. „Dann noch Nachmärsche, verstecken, Löcher graben“, sagt er, und ja, das sei eine ziemliche Überraschung gewesen, denn davon hatte ihm niemand etwas erzählt. Aber auch das nahm er locker. „Hat mich noch ein bisschen deutscher gemacht.“
Fast parallel zum Karriereknick von Sean Dundee ging es auch für die DFB-Elf immer weiter bergab. 1998 schied sie in Frankreich wieder im Viertelfinale aus, 2000 bei der EM schon in der Vorrunde. Immerhin wurde Vogts‘ Nachfolger Erich Ribbeck auf der Suche nach einem neuen ausländischen Topstürmer fündig. Sein Name: Paulo Rink, ein gebürtiger Brasilianer. Er durfte immerhin dreizehn Mal spielen. Ein Tor schoss er auch nicht.
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