Neben kantigen Abwehrmonstern wie Jonathan Tah oder Niklas Süle überzeugten in der Bundesliga zuletzt auch Innenverteidiger, die eigentlich gar keine sind – weil sie ganz eigene Qualitäten mitbringen.
Jonathan Tah ist 1,95 Meter groß und wiegt 97 Kilogramm. Mit seiner Statur könnte er wohl auch als Türsteher im angesagtesten Club der Stadt arbeiten. Stattdessen ist er aber Innenverteidiger bei Bayer Leverkusen.
Julian Weigl ist 1,86 Meter groß und wiegt 71 Kilogramm. Vielleicht würde Jonathan Tah den schlaksigen Julian mit den schmalen Schultern als Türsteher nicht in den angesagtesten Club der Stadt lassen. Das macht aber nichts, denn Julian Weigl ist Innenverteidiger bei Borussia Dortmund.
Dabei ist er eigentlich Mittelfeldspieler, defensiver Mittelfeldspieler um genau zu sein. Doch als sich beim BVB zum Ende der Hinrunde ein etatmäßiger Innenverteidiger nach dem anderen verletzt, stellt Trainerfuchs Lucien Favre einfach den 23-Jährigen ins Abwehrzentrum. Dort macht er seine Sache so gut, dass selbst der wiedergenesene Ömer Toprak derzeit nicht an ihm vorbeikommt.
Cleverness und Spielverständnis
Dass er nicht gerade den idealtypische Körperbau für die Position aufweist, ist Weigl bewusst: „Ich bin jetzt nicht so bullig wie die, da muss man schon clever agieren“, sagte er nach dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt, bei dem er sich gegen die kantigen Angreifer Sébastien Haller und Ante Rebić sowie den Kraftwürfel Luka Jović behaupten musste. Und in der Tat stellte sich Weigl äußerst clever an: „ Es kommen Automatismen rein. Man weiß, wo man zu stehen hat und findet das Timing, wann man wegbleibt oder wann man in den Kopfball oder den Zweikampf gehen muss.“
Neben seiner cleveren Zweikampfführung kommen dem Innenverteidiger Weigl auch sein Spielverständnis und seine Passsicherheit zugute. Die Tiefe, die ihm die neue Position bietet, nutzt er geschickt, um das eigene Spiel immer wieder klug aufzubauen. So fallen die fehlenden Kilos bei ihm kaum ins Gewicht.
Ähnlich ist es bei Makoto Hasebe: Der Japaner bringt ein vergleichbar geringes Kampfgewicht auf die Waage, ist mit 1,80 Metern aber sogar noch deutlich kleiner als Weigl. Was ihn jedoch nicht daran hindert, seit geraumer Zeit als eine Art moderner Libero für defensive Stabilität bei Eintracht Frankfurt zu sorgen. In seiner prestigeträchtigen Rangliste kürte ihn der „kicker“ jüngst sogar zum besten Innenverteidiger der Liga. Der asiatische Kontinentalverband zeichnete ihn im November als internationalen Fußballer des Jahres aus.
Sahin und Bodzek: Die Routiniers
Neben dem schmächtigen Weigl und dem drahtigen Hasebe hat die Liga aber noch weitere Innenverteidiger zu bieten, die nicht dem Prototypen entsprechen. So beorderte etwa Werder-Trainer Florian Kohfeldt beim Pokalspiel in Dortmund Nuri Sahin vom Mittelfeld in die Zentrale seiner Dreier- beziehungsweise Fünferkette. Und der organisierte die Bremer Abwehr über weite Strecken der Partie ganz so, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Damit und mit starken 83 Prozent gewonnener Zweikämpfe hatte er entscheidenden Anteil daran, dass sich die Dortmunder trotz teils enormen Drucks kaum ernsthafte Torchancen herausspielen konnten.
Mit den beiden Innenverteidigern an seiner Seite konnte Werder zudem Sahins Geschwindigkeitsdefizit ausgleichen. Ganz ähnlich funktioniert das bei Fortuna Düsseldorf und Adam Bodzek: Entscheidet sich Friedhelm Funkel für ein Spielsystem mit Dreierkette, stellt er in der Regel den 33-jährigen Routinier in deren Zentrum.
Mit ihrem abgeklärten, bedächtigen Spiel bilden Sahin und Bodzek einen weiteren charmanten Gegensatz zu sprintstarken Abwehrmonstern wie Niklas Süle oder dem Leipziger Dayot Upamecano. Schön, dass es auch Trainer gibt, die bei ihren Innenverteidigern andere Qualitäten als die marktüblichen zu schätzen wissen. Vielleicht klappt es demnächst dann ja sogar mit dem Club-Besuch.