Alles, was beim Videobeweis schiefgehen kann, ging am Sonntag in Stuttgart schief. Warum das Problem ein grundsätzliches ist und was sich ändern muss.
Knapp dreizehn Jahre lang war ich ein entschiedener Befürworter des Videobeweises. Der Idee an sich stand ich zwar schon vorher positiv gegenüber, aber als im Januar 2005 der Wettskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer aufgedeckt wurde, hatte ich keine Zweifel mehr.
Hoyzer hatte schon monatelang bizarre Entscheidungen getroffen, aber er kam mit allem durch, weil er immer mit treuherzigen Augenaufschlag sagen konnte: Tja, habe ich wohl nicht richtig gesehen – sorry, Leute. Die Existenz eines Videoschiedsrichters, so überlegte ich, würde es Betrügern viel schwieriger machen, Spiele zu manipulieren. Da müsste man schon den Videoschiedsrichter selbst schmieren – aber der könnte sich ja nie damit rausreden, dass er etwas aus seiner Position falsch wahrgenommen hat.
Ein Gemurkse ohnegleichen
Nun haben wir also endlich den Video-Assistenten – und es ist ein Gemurkse ohnegleichen, dem gestern in Stuttgart die Krone aufgesetzt wurde, als Hauptschiedsrichter Tobias Stieler nach einen Hinweis des Video-Assistenten Felix Zwayer den Freiburger Caglar Söyüncü vom Platz stellte.
Alles, was beim Videobeweis schiefgehen kann, ging in diesen zwei Minuten schief.
Unterbrechung erst nach 50 Sekunden
Stieler pfiff das Laufduell zwischen Söyüncü und Daniel Ginczek nicht ab, weil er nach eigener Aussage zwar ein Handspiel vermutete, aber nicht sehen konnte. Erst ganze 50 Sekunden später unterbrach er das Spiel, eilte dann zur sogenannten Review Area, studierte die Bilder und stellte Söyüncü nach Regel zwölf vom Platz („Wenn ein Spieler ein Tor oder eine offensichtliche Torchance der gegnerischen Mannschaft durch ein absichtliches Handspiel vereitelt, wird er unabhängig vom Ort des Vergehens des Feldes verwiesen“).
Zunächst mal dauerte das alles viel zu lange. Wenn dem Schiedsrichter wirklich sogleich der Verdacht auf ein strafwürdiges Handspiel kam, dann hätte er den Zweikampf einfach abpfeifen und während der dann entstehenden Pause Zwayer um Hilfe bitten können. Schließlich war das Laufduell robust genug, um sogar die Option zu bieten, anschließend einen Freistoß gegen Ginczek zu verhängen.